Vanillepudding, Trotzki und ein Schachtelsatz

vanillepudding

Jetzt habe ich mit einem Trotzki-Zitat schon die Gelegenheitsleser dieses kleinen Blogs verprellt, aber eingedenk dessen, dass die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser vermutlich alles rezipieren und konsumieren, was ich aus zahllosen Themengebieten und zum Schrecken der Statistiker, Datensammler und Werbeagenturen hier anbiete, um auch ja kein klares Profil aufkommen zu lassen wie die so genannte deutsche Netzgemeinde, die, wenn sie sich „politisch“ gibt, sich strikt an ihre Corporate Identity daran hält und weder virtuelle Welten noch die geschlechtliche Vermehrung in ästhetischer oder lustvoller Form noch Körperertüchtigung noch anderweitig abseitige Topoi thematisiert, sondern immer nur „Netzpolitik“ oder eben das jeweils gewählte Thema, wage ich heute auch zu verkünden, dass ich liebend gern warmen oder heißen Vanillepudding mit Erdbeeren esse, wahlweise Johannisbeeren, um, was – psychologisch gesehen – eine Art Regression sein könnte, meinen Ärger über die allgemeine Weltlage zu kompensieren, wozu zuckerhaltige Nahrung mit ihrer unstrittig antidepressiven Wirkung gehört, und um auch, wie man so sagt, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und zu demonstrieren, dass die deutsche Sprache, wie auch das Lateinische, die außergewöhnliche Fähigkeit besitzt – wenn man sie beherrscht und nur dann! -, kunstvolle, aber in sich logische Schachtelsätze aufzutürmen, die Simultanübersetzer in den Wahnsinn treiben, aber für den Alltagsgebrauch nicht sehr nützlich sind, wenn man sich vorstellt, welchen Eindruck man hinterließe, orderte man in der Apotheke oder Drogerie des Vertrauens etwa Präservative, begänne aber gleichzeitig, nicht nur diese, sondern auch Karl Marx, Kohlrouladen, das Internet und das Falkbeer-Gegengambit zu thematisieren, was den „Empfänger“ der Botschaft, der erst am Ende des Schachtelsatzes begreifen würde, was man will, schon nach den ersten Minuten der im Sinne der Wortes langatmigen Bestellung – während man noch verbal schwungvoll auf die Pointe zusteuerte – nach einem Arzt rufen ließe oder den Leuten, die sich gut mit langärmeligen Jacken auskennen.

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Kommentare

15 Kommentare zu “Vanillepudding, Trotzki und ein Schachtelsatz”

  1. Thomas am August 7th, 2014 1:37 pm
  2. Juza46 am August 7th, 2014 2:12 pm

    Entschuldigung, aber mir ging bei diesem Text einfach die Luft aus . . . ! Morgen lese ich dann die zweite Hälfte. ;-))

  3. Öwwes am August 7th, 2014 2:48 pm

    aber für den Alltagsgebrauch nicht sehr nützlich sind, wenn man sich vorstellt, welchen Eindruck man hinterließe, orderte man in der Apotheke oder Drogerie des Vertrauens etwa Präservative, begänne aber gleichzeitig, nicht nur diese, sondern auch Karl Marx, Kohlrouladen, das Internet und das Falkbeer-Gegengambit zu thematisieren

    Kann aber gut von dem Schamgefühl ablenken, wenn man Kondome braucht, die kleiner als die Normgröße sind.

  4. ...der Trittbrettschreiber am August 7th, 2014 4:50 pm

    Mmmh, das waren wirklich zwei leckere Flie…, äh, Desserts auf einmal. Erdbeer-Deutsch mit Vanille-Soße. Das kommt schon sehr nahe an das Gesamtkunstwerk heran.

    Was Journalisten so alles können – wenn’s um’s Esse(n) geht.

  5. Alter Nihilist am August 7th, 2014 5:16 pm

    Was wäre wenn…
    Okay, das war Faulkner meets Mann. Jetzt bitte Hemingway meets Tschechow.

  6. blu_frisbee am August 7th, 2014 5:35 pm

    Wer Altgriechisch hatte weiß: Platon besteht fast nur aus solchen Sätzen. Oder Hegel. Oder das letzte Kapitel vom Ulysses. http://harpers.org/blog/2014/07/on-joyce-and-syphilis/

  7. ...der Trittbrettschreiber am August 7th, 2014 5:49 pm

    @blue_frisbee

    …auch Kant, Königsberger Stil.

  8. Messdiener am August 7th, 2014 7:09 pm

    „um ja kein klares Profil aufkommen zu lassen“

    Hi Burki, mache dir mal keine Sorgen. Vom Kommunisten über den Ultraliberalen zum Weltbürger deckst du alles ab. Es fehlt nur, zu meinem Bedauern, der gläubige Christ..

    Amen, Messdiener

  9. email am August 7th, 2014 9:22 pm

    Sobald ich längere Texte schreibe verfalle ich in Schachtelsätze.
    Ich versuche eher sie zu vermeiden,
    weil ich mich danach immer frage ob jemand sie versteht und ich außerdem die Kommasetzung nicht behersche…
    Aber dein Satz ist ne Marke.
    Ich habe übrigens den Zauberberg von Th. Mann gelesen, nachdem ich gemerkt habe, dass der erste Absatz im Buch nur ein Satz ist. Ich habe mich dann so auf seine Sprache gefreut, dass ich das Buch gekauft habe und gelesen habe.

  10. admin am August 7th, 2014 11:32 pm

    Ja, Thomas Mann ist die Höchststrafe :-)

  11. leser am August 8th, 2014 3:53 am

    +1, sehr humorig :-)

  12. elvis am August 8th, 2014 10:10 am

    Chinesische Erdbeeren? Bei uns im Supermarkt gab es vor 3 Wochen frische Erdbeeren aus China. 90 cent billiger als die deutschen Erdbeeren.

  13. Alter Nihilist am August 8th, 2014 10:32 am

    Faulkner und Proust sind weniger selbstverliebt als Mann. :-)

  14. Wolfgang am August 8th, 2014 1:23 pm

    Ich sag‘ vorgestern noch zu meiner Freundin: „Mensch, der Burks hat auch schon länger keinen „Satz“ mehr geschrieben!“ und schon lieferst Du. Danke!

  15. Nina Tabai am August 8th, 2014 1:55 pm

    Gegen eine derartige Dosis Stream of Consciousness hilft nur Hemingway als Gegenmittel. Es gibt im Englischen mittlerweile sogar eine eigene App zur Bekämpfung von Schachtelsätzen und anderem Tand.

    Bei meinem eigenen Hang zu Schachtelsätzen sehen ich den Tag herbei, an dem diese App auf Deutsch erscheint. :)

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