An die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
Burkhard Schröder
12055 Berlin
11.01.2012
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
Postfach 140165
D 53056 Bonn
vorab per E-Mail info@bpjm.bund.de
Betr. Entscheidung Nr. 10142 (V) vom 24.10.2011 – sklavenzentrale.com
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich arbeite an einem Artikel über BDSM im Internet und hätte gern Antworten auf folgende Fragen:
1. Sie schreiben in Ihrer oben genannten Entscheidung:
„Das Internetangebot http://www.sklavenzentrale.com ist nach Auffassung der KJM gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG zu indizieren, da es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Das Angebot ist mindestens als jugendgefährdend einzustufen.“
Welche wissenschaftlichen Arbeiten belegen Ihrer Meinung nach die These, dass die Information über bestimmte sexuelle Praktiken wie BDSM die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefährdet? Was genau ist unter „Entwicklung“, „Gefährdung“ und „gemeinschaftsfähig“ zu verstehen?
2. Sie schreiben in ihrer oben genannten Entscheidung, es seien „keine expliziten oder detaillierten Darstellungen von primären Geschlechtsteilen bzw. sexuellen Handlungen vorhanden“ sowie „hat das 3er Gremium festgestellt, dass es den Inhalt des Internetangebots nicht als pornographisch einstuft.“
Worin genau besteht die „Gefährdung“ eines nicht-pornografischen Inhalts? Es wäre hilfreich wenn Sie Ihre Ausführungen mit Zitaten aus seriösen wissenschaftlichen Werken zum Thema belegen könnten.
3. Warum sind Ihrer Meinung nach die Sexualpraktiken, um die es auf der Website sklavenzentrale.com geht, „außergewöhnlich“ – und welche empirischen Befunde stützen Ihre These?
4. Sie schreiben: „Allein die Darstellung von ritualisierter Gewalt, in diesem Fall von außergewöhnlichen und bizarren Sexualpraktiken aus dem Bereich des BDSM auf der Verbalebene, können Jugendliche unter 18 Jahren verunsichern und sind für Minderjährige als sexualethisch desorientierend einzustufen.“
Welche wissenschaftlichen und empirischen Befunde stützen Ihre These?
5. Sie schreiben: „Nach § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG sind Medien auch dann jugendgefährdend, wenn sie unsittlich sind“.
Was genau ist nach Ihrer Meinung nach „unsittlich“ und was unterscheidet das „Unsittliche“ der 50-er Jahre des 20. Jahrhundert vom „Unsittlichen“ des 21. Jahrhunderts?
6. Sie schreiben:
„Durch die Präsentation der Frauen als hilflose und gefesselte Opfer wirkt das Angebot außerdem frauenfeindlich und degradierend. Frauen werden zum auswechselbaren Objekt der männlichen Lust- und Machtbefriedigung gemacht.“
Die Romane des US-amerikanischen Schriftstellers John Norman („Die Chroniken von Gor“) sind Ihrer Meinung nach nicht mehr jugendgefährdend, obwohl auf diese der obige Sachverhalt zutrifft. Warum?
(Beleg: „Kajira von Gor, John Norman, Taschenbuch Nr. 4246, Reihe Fantasy, Wilhelm Heyne Verlag, München indiziert durch Entscheidung Nr. 3585 vom 20. Februar 1986, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr.41 vom 28. Februar 1986. Das Buch wird aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen. [Entscheidung Nr. A 13/11 vom 17. Januar 2011 (Pr. 1155/10).“
Mit freundlichen Grüßen
Burkhard Schröder
Kommentare
7 Kommentare zu “An die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien”
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Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat in diesem Fall auch hervorragend gearbeitet:
Großer Ärger um ein kleines Ferkel: Im Oktober 2007 kam das religionskritische Kinderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“
http://www.ferkelbuch.de/
http://www.schmidt-salomon.de/ferkel.htm
Ich hätte gern den betreffenden Artikel, nach seiner Fertigstellung, gelesen. Wo und wann soll er veröffentlicht werden?
Viele Grüße
Er wird vermutlich bei Telepolis erscheinen.
Da hätt ich noch was aus dem PDF.
— Zitat —
Abbildungen nackter oder spärlich bekleideter Menschen (…) sind nicht als Kunstwerk einzustufen. Solchen Abbildungen
lässt sich kein künstlerischer Aussagewert entnehmen.
— Zitat Ende —
Dazu zweierlei:
Erstens wirft sich die Frage nach dem Kriterium für Kunst auf. Der sprachlichen Atmosphäre des Schriftstücks zu folgen erfolgte die Aussage nach dem Bauchgefühl. Das ist unwissenschaftlich. Für eine Verbotsmaßnahme ist aber eine wissenschaftlich belastbare Aussage zwingend geboten.
Zweitens wäre juristisch zu prüfen, ob der grundgesetzliche Begriff „Kunstfreiheit“ nur oberhalb eines Qualitätspegels gilt, oder ob der Kunstbegriff nicht das allgemeine menschliche Ausdrucksspektrum umfasst.
Abgesehen davon, gute Arbeit, Burks.
@Norman: Bisher gibt es nur englische Artikel, z.B. http://www.ics.uci.edu/~johannab/sexual.interactions.2006/papers/ShaowenBardzell%26JeffreyBardzell-SexualInteractions2006.pdf
Sex-Interface-Aesthetics: The Docile Avatars and Embodied Pixels of Second Life BDSM
Shaowen Bardzell and Jeffrey Bardzell
Indiana University
gab’s schon ’ne Antwort?
ja, aber die bau ich in einen Artikel ein. Demnächst mehr in diesem Theater.