PR der Schlapphüte: Neonazis immer öfter im Internet

Es ist doch immer wieder ärgerlich, wie schlecht getarne Public Relation der Geheimdienste unkritisch in die Medien übernommen wird, aktuell sogar durch den Heise-Newticker am 3.4. („Rechtsextreme werben um Nachwuchs in sozialen Netzen“) und am 9.4. („Innenminister warnt vor ‚Rattenfängern‘ im Internet“). Beide Meldungn sind inhaltlich weitgehend identisch und stammen aus der Textbausteinschmiede des niedersächsischen Verfassungsschutzes.

Früher, vor eta 15 Jahren, hießen die Sprechblasen etwa „Neonazis nutzen immer öfter das Internet“. Heute, da das schon angestaubt klänge, eben: „Neonazis nutzen immer öfter [bitte selbst ausfüllen, das, was gerade in den Mainstreammedien am meisten durchgehechelt wird, hier: soziale Netze]. Was mich am meisten ärgert: Es ist mitnichten Journalismus, die Pressemeldung einer Lobby-Organisation ungefiltert abzudrucken (wieviele unabhängige Quellen waren das?) Und wenn ein Politiker das nachplappert, ist es ebensowenig Journalismus, ihm dafür eine Plattform zu bieten.

Der niedersächsische Oberschlapphut jedoch formuliert wie vor einem Jahrzehnt: „Das Internet biete den Rechtsextremisten eine Chance zur ungehinderten Verbreitung ihrer Propaganda, wie es weder in seriösen Zeitungen noch im Fernsehen möglich sei“. Ja, Heise, das Original in der HAZ kann man verlinken! Aber halt: „Das berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) in ihrer Wochenendausgabe.“ Stimmt gar nicht: „sagte Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel der Zeitung ‚Die Welt‘ (Donnerstag).“ Und: „dm Bericht zufolge“.

Welt Online hat sich gleich vier Mal hintereinander für die PR des Verfassungsschutzes missbrauchen lassen: am 6.4. („Rechte werben im Internet“, am 7.4. („Die NPD unterwandert Facebook und StudiVZ“), am 8.4. („Braune Gefahr im Internet“), und am selben Tag noch einmal: „Falsche Freunde auf Facebook“. („Verfassungschützer warnen“). Das wäre eigentlich ein Fall für den Presserat, wenn wir einen ernst zu nehmenden hätten. (Der real existierende Presserat ist eine Lobbyorganisation diverser Journalistenverbände, somit kein unabhänges Gremium, sondern ein zahnloser Papiertiger.)

Noch mal zum Mitschreiben. Der niedersächsische Verfassungsschützer Wargel gibt Welt Online ein Interview, in dem er sagt, Neonazis nutzten immer öfter das Internet, der Kampf dagegen sei schwierig, aber wir tun was usw. Der Welt fällt kein kritisches Wort dazu ein, sie prüft auch nicht, ob es, das Wargel sagt, wahr ist, sondern publiziert die heiße Luft gleich vier Mal. Die Hannoversche Allgemeine schreibt das ohne eigene Recherche ab. Der Heise Newsticker schreibt bei der HAZ ab, ohne in der ersten Version anzugeben, dass alles von Welt Online stammt. Deutscher Journalismus at its best.

„Zunehmende Internet-Präsenz der Rechtsradikalen“. Gähn. Da war ich ja vor drei Jahren in Telepolis schon aktueller.

image_pdfimage_print

Kommentare

Schreibe einen Kommentar