Bürgerprofessor faselt über Deprofessionalisierung des Journalismus

christoph fasel

Der Volkssturm der Holzmedien hat wieder zugeschlagen. Die österreichische Die Presse.com berichtet über „Journalismus: Hoffnung in der ‚Todesspirale'“. Wir ahnen es: „Experten“ kommen zu Wort, u.a. Christoph Fasel von der Hochschule Calw (nein, ich mache keine Witze über den Namen. Ja, ich musste mir alle Links selbst zusammensuchen.)

„Heute würden Journalisten nicht mehr für die Datenbeschaffung bezahlt – das kann man weitgehend im Internet erledigen –, sondern für Selektion und Präsentation dieser Daten. Kritisch äußerte sich Fasel über Blogs, Twitter und Leser-Reporter (‚citizen journalism‘): Diese neuen Kanäle würden zur ‚Deprofessionalisierung der Kommunikation‘ führen. Zum Vergleich nannte Fasel zwei drastische Beispiele: Man würde sich ja auch nicht von einem ‚Bürgerpiloten‘ nach Mallorca fliegen oder von einem ‚Bürgerchirurgen‘ operieren lassen wollen.“

Auf den ersten Blick besticht das populistische Argument. Auf den zweiten Blick entlarvt es die hiloflose Attitude derjenigen, die nichts anderes kennen als den Journalismus des vor-digitalen Zeitalters. Niemand bestreitet, dass jemand, der Schreiben und Recherchieren von Profis gelernt hat, besser schreibt und recherchiert als Laien. Die Wut im Bauch und Pseudo-Authentizität können Professionalität nicht ersetzen.

Die Realität sind jedoch anders aus: Wo lernen Journalisten Formulieren und die Standards der Recherche im Internet-Zeitalter? Ich weiß es: meistens nirgendwo. Die Praktikanten werden zum Internet-Recherchieren abgestellt. Die Ergebnisse spiegeln das gesunde Volksempfinden wider. Die Regeln sind: learning by doing, was die Boolesche Algebra bei Google angeht. Whois-Datenbanken, nslookup und ähnliche Tools? Nie gehört. Rechercheplan? Keine Zeit. Wer mir eine deutsche Zeitungsredaktion zeigt, die anonyme und verschlüsselte E-Mails empfangen kann, hat gewonnen. Man muss schon froh sein, wenn ein deutscher Journalist eine E-Mail ohne Werbung verfassen kann.

Das Gefasel über „Professionalität“ ist reine Heuchelei und AgitProp. Ein Pilot oder Professor hat sein Handwerk gelernt (aber bei mir hatte bei einer Operation 1995 ein Professor eine Schraube in meiner Hüfte vergessen), ein Journalist muss mir das erst beweisen.

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