Border Crossings

Border Crossings

Vorgestern war ich im Osten, im Kino Babylon. Aus der Ankündigung des Events: „Kino Babylon presents Checkpoint – their first joint Palastinian-Israeli film festival, marking the 60th anniversary of the founding of the Israeli state. Over a dozen films from both sides of the conflict witness the violence, its effect on the wider population, and opportunities for peace and understanding.“ Man gab Szenen eines Theaterstücks, das sich mit dem Konflikt Israelis vs. Palästinenser beschäftigte. Laien-Schauspieler lasen, die französischen Regisseure stellten sich den Fragen des Publikums. Es war intellektuell, kosmopolisch, man parlierte in englisch, deutsch, französisch, hebräisch und arabisch – kurzum: Es war irreal.

In Wahrheit bin ich nur dort hingegangen, um den Ehrengast zu begrüßen und zu treffen, eine alte Bekannte, die ich seit 32 Jahren nicht mehr gesehen hatte: Amira Hass, eine jüdisch-israelische Journalistin, die für die Haaretz arbeitet und in Ramallah lebt. Mit Amira habe ich in den Siebzigern kurz in einer Wohngemeinschaft in Berlin-Charlottenburg zusammengelebt. Wir haben uns gleich erkannt. Ihre beiden Eltern haben Bergen-Belsen überlebt. Amira steht zwischen allen Fronten und berichtet von dort. Das imponierte mir schon immer.

Am Rande erfuhr man interessante Details: Die Mehrheit der Palästinenser spricht auch Hebräisch: die Arbeiter, die in israelischen Firmen angestellt waren oder sind, weil ihnen das nützt, und die politischen Aktivisten lernen es im Knast. Der „Held“ des Theaterstücks ist ein „combattant“ der PFLP, den Amira oft und lange interviewt hat. Damals hatte „die Organisation“, wie sie genannt wird, Handys in das Gefängnis geschmuggelt. Im übrigen, so Amira Hass, dürfe man sich israelische Knäste nicht als „island of injustice“ vorstellen, das Niveau, die Menschenrechte betreffend, sei vergleichbar mit Schweden. Der französische Regisseur, dessen Namen ich nicht notiert habe, sagte, in französischen Gefängnissen gehe es vermutlich gewalttätiger zu als in denen Israels. In Israel wird gefoltert, andererseits sind die Gefangenen in der Lage, sich Rechte zu erkämpfen, zum Beispiel Bücher lesen zu dürfen, wovon Gefangene in Syrien zum Beispiel „not even dream about“. Amira hatte dem „Helden“ des Theaterstücks die Bücher von Raul Hilberg ins Gefängnis geschickt, wer der sich dafür interesisserte – die wollte man ihm im Knast zunächst nicht aushändigen.

Auf meine Frage, wie sich Aktivisten der traditionellen Organisationen der Palästinenser wie Fatah und PFLP und die der Hamas unterschieden: Jugendliche schlössen sich eher der Hamas an, diese sei aber weniger organsiert, auch hätten deren Aktivisten nicht das politische Bewusstsein der Älteren.

Interessant war auch das Thema Presse: Die palästinensische Presse übernimmt Artikel aus israelischen Zeitungen und anderen Medien, und natürlich ist das israelische Fernsehen überall zu empfangen und wird auch gesehen. Die palästinensischen Medien seien aber durchweg schlechter, weil diese nicht kritisch über die eigene Führung berichteten. Auch gebe es wenig Blogger, die die palästinensische Sicht verbreiteten.

Eine These Amiras fand ich besonders diskussionswürdig. „Repression works“, meinte sie, es gebe kaum eine Chance auf Veränderungen, und bei der israelischen Unterdrückung der Palästinenser handele es sich um eine „smart repression“.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Border Crossings”

  1. mucksy am Mai 23rd, 2008 12:15 pm

    „Eine These Amiras […] ‚Repression works‘,
    meinte sie, es gebe kaum eine Chance auf
    Veränderungen, und bei der israelischen
    Unterdrückung der Palästinenser handele es
    sich um eine ’smart repression‘.“

    Das interessiert mich, aber ich verstehe es
    nicht. Magst Du es erläutern?
    Inwieweit funktioniert Unterdrückung, wenn
    sie doch „kaum eine Chance auf Veränderung“
    bedeutet, und was ist „smart repression“?

  2. admin am Mai 23rd, 2008 2:59 pm

    Sie meinte, dass die israelische Repression sehr effektiv sei und dass weder die organisierten Palästinenser noch die Israelis, die sich mit den Palästinensern solidarisieren (davon gibt es genug), eine realistische Perspektive für die Zukunft sehen.

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