Die zehn größten Irrtümer der Freien

Quelle: „Frei sein“ – Treffen zur Sicherung der Qualität freiberuflicher journalistischer Arbeit, Akademie für Publizistik, Hamburg
23. Februar 2008, Protokoll (Auszug)

Die Ressortleiterin eines großen Magazins im Gespräch:

1. Bei der Zusammenarbeit gibt es so viele Probleme, dass sie selbst darüber jetzt eine Stunde referieren könnte.
Es gibt sie nicht, vieles läuft sehr gut.

2. Die meisten Redakteure sitzen warm und gut bezahlt an ihrem Tisch, die Probleme der Freien liegen ihnen nicht am Herzen.
Sie sieht das nicht so. Aber die Situation in den Redaktionen hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Besonders für teilzeitarbeitende Mütter. Auch andere Redakteure sind sensibel für die Lage der Freien und außerdem genervt, wenn sie den finanziellen Druck an Freie weitergeben müssen

3. Es gibt keinen Spielraum bei Honoraren.
In anderen Redaktionen möglicherweise anders, aber bei ihrem Magazin haben die Ressorts mehr oder weniger freie Hand. In ihrem Ressort: Auftragsvolumen reduziert, weniger Geschichten an Freie vergegeben, nur dann, wenn die Geschichte bald im Heft sein wird. Die Honorare sind gleich gut geblieben. Bislang ist, wenn sie das Budget überzogen hat, nie etwas passiert. Der Chefredakteur ist vielmehr interessiert an guten Geschichten, klar, dass die was kosten.

4. Es ist zwecklos, über Honorare zu verhandeln.
Bei Vergabe von Aufträgen wird bei ihr meistens nicht über Honorar gesprochen. Grund: Es werde eh gut bezahlt. Viele langjährige Mitarbeiter wissen das. Problematisch aus ihrer Sicht: Keiner redet gern über Honorare. Wünschenswert wäre, dass es Usus wird, vorher übers Honorar zu reden. Sie ist es trotzdem nicht gewöhnt. Wenn es jemand anspricht, zuckt sie erst mal und empfindet das als nassforsch. Möglicherweise bleibt die Geschichte auch hinter ihren Erwartungen zurück. Vor Jahren verlangte der Verlag einen Kostenvoranschlag für jede Geschichte. Dazu war jeder Redakteur in der Lage, also muss es machbar sein, mit dem Autoren/der Autorin über die Höhe des Honorars zu sprechen.

5.1. Wer einen Redakteur mit hohen Honorarforderungen vergrätzt, ist raus.
Redakteure sind nur vergrätzt, wenn eine Geschichte schlecht und schlampig recherchiert ist.

5.2. Nach einer verpatzten Geschichte ist man raus.
Es gibt bei ihr nur einen einzigen Freien, der immer super Geschichten abliefert, alle anderen liefern mal tolle, mal mittelmäßige und mal schlechte ab. Rufen auch nach mittelmäßiger wieder an. Da gibt es großes Verständnis. Volles Honorar als Ausfallhonorar, wenn es am Thema lag, ansonsten weniger.

6. „Es ist ja nur für das Magazin xy“
Ihr Lieblingsirrtum. Wenn ihr etwas gefällt von Autoren in der ZEIT oder SZ und sie jemanden anrufen, dann passiert es schon mal, dass Autoren dann für diese Aufträge nicht so viel Aufwand betreiben. Ihr Anspruch unterscheidet sich nicht von dem SZ-Magazins, der Unterschied ist, dass sie besser zahlt.

7. Es hat keinen Zweck, Themen anzubieten, von zehn Themen kriege ich nur eines unter.
Das stimmt, viele Themen wiederholen sich. Es hilft aber, wenn man das Heft liest und kennt. Beharrlichkeit ist sinnvoll.

8. Redakteure sind überlastet und wollen mit einer Geschichte wenig Arbeit haben.
Ja, in Produktionszeiten. Aber bei Auftragsvergabe und während die Geschichte entsteht, freut sich jeder Redakteur auf die Zusammenarbeit. Viele Freie suchen den Kontakt nicht, während die Geschichte entsteht, das ist ein Fehler. Geschichte verändert sich während der Recherche, darüber sollte man reden.

9. Jeder Redakteur will etwas anderes.
Das stimmt. Bei manchen Anforderungen sind sich aber alle einig, z.B.: vorher überlegen, ob Thema zum Heft und zum Ressort passt. Terminabsprachen einhalten (Längen einhalten). Rechnung nicht gleichzeitig mit dem Text abgeben.

10. Freie dürfen nicht aufmucken.
Doch, dürfen sie. Sie haben einen Anspruch auf ausführliches Briefing. Auf Unterstützung und Feedback, während die Geschichte in Arbeit ist. Auf freundliche Absage, wenn das Thema nicht gewünscht wird. Auf schnelle Anweisung des Honorars (oft unklar: wann gilt eine Geschichte als abgenommen? Jetzt: wenn Geschichte von Ressortleitern abgenommen ist.)

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