Früher ging alles ruhiger zu

Nun gut. Ich reg mich nicht darüber auf, dass die Bundeskanzlerin den Unterschied zwischen Internet und World Wide Web nicht kennt. Damit ist sie nicht allein, sondern weiß soviel vom Netz aller Netze wie 99 Prozent der deutschen Bevölkerung. Jetzt aber im Originalton laut Heise: „Vor allem junge Menschen informierten sich ‚ausschließlich über das Internet‘ (…) Merkels Erinnerung an früher: ‚Es ging alles ruhiger zu. Die Menschen unterhielten sich morgens am Arbeitsplatz über die gleichen Themen.'“

Man fragt sich natürlich, wer das, worüber und womit sich diese jungen Leute (wie ich) informieren, dort hineingestellt hat? Die Blogger? Oder prüfen und recherchieren die jungen Leute womöglich selbst nach, was sie in den Mainstream-Medien für Märchen und Falschinformationen vorgesetzt bekommen?

Und nun zu uns, Ossis! Dass es im Beitrittsgebiet früher „ruhiger“ zuging, das glaub ich gern! Es gab nicht nur manchmal kein Klopapier und keine Bananen, sonder auch die Teilchen sausten in ihren gar nicht vorhandenen Teilchenbeschleunigern ziemlich lautlos herum, so dass Physiker wie Frau Merkel sich ganz entspannt zurücklehnen konnten. Natürlich unterhielt man sich auch über weniger Themen: Es gab ja nur zwei Fernsehprogramme!

Wirklich zu dumm, dass es dieses Internet gibt. Ist ja kein Zufall, dass es nicht die Deutschen erfunden haben, sondern die US-Amerikaner. Das ist auch gut so. Wenn die Deutschen das Internet erfunden hätten, gäbe eine keine paketorientierte Datenübertragung sondern einen behördlich kontrollierten Zentralrechner, der Frontalunterricht machte – wie die Glotze eben. Man kann nicht zurücksenden. Und das ist wirklich sehr schade.

Der Kommentar in Zeit Online zum Thema hat mir gefallen.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Früher ging alles ruhiger zu”

  1. Dominic am Juli 22nd, 2010 8:35 pm

    Es gab ja nur zwei Fernsehprogramme!

    Soweit es mich betrifft, sogar drei!

    ARD, ZDF und BR… ;-P

  2. Wolf-Dieter am Juli 31st, 2010 7:30 pm

    Meine Zustimmung zum Gesamtbild unserer Kanzlereuse, ihrem Gesäusel und dem kalkulierbaren Gesprächsthema in der guten alten, äh, —

    — aber ein Detail deines Beitrags ruft meinen Widerspruch hervor: das Internet, bzw. deren Erfinder, bzw. deren Motiv. Das Internet (ursprünglich Arpanet) ist nämlich nicht als Kampfmittel der Demokratie gedacht, sondern ganz anders: entworfen für atomschlagfeste Kommunikation.

    Das Instrument mit der Potenz, die heutige Politik zu demokratisieren, war ursprünglich das Produkt des Kalten Krieges; für die Jüngeren unter uns: einer politischen Paranoia.

    Übrigens habe ich keinerlei Sinn für Ironie der Geschichte.

  3. Wolf-Dieter am Juli 31st, 2010 7:41 pm

    Im großen Bild meine Zustimmung zur Kanzlereuse und ihrer Trauer um die Kontrollierbarkeit der Gesprächsthemen.

    Widerspruch in einem Detail: das Internet ist zwar nicht von den Deutschen, sondern von Amis erfunden worden, soweit richtig, aber nicht aus Liebe zur Freiheit, sondern als Entwurf einer atomschlagsicheren Infrastruktur. Das heutige Instrument zur Demokratisierung der Politik — ursprünglich das Arpa-Net — ist ein klassisches Kind des Kalten Krieges, also einer politischen Paranoia.

    Find ich irgendwie gut. — Für Ironie der Geschichte fehlt mir das Organ.

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