Das Wahrheitsministerium informiert

Ich habe mir mal einen gewohnt linkfreien Artikel bei Spiegel Offline vorgenommen: „US-Spezialeinheiten töten Top-Taliban bei Kunduz“. Das Wahrheitsministerium Orwells hätte seine wahre Freude an der Sprache.

Bei einem von den USA angeführten Präzisionsluftschlag. Was ist der Unterschied zwischen einem Luftschlag (auch bekannt als Bombenangriff) und einem „Präzisionsluftschlag“? Beim ersteren werden die Bomben einfach so zielllos in Massen auf die Gegner oder was man dafür hält geworfen? Oder übernimmt der Autor des Artikel hier einfach unkritisch die Sprachregelung des Wahrheitsministerium, also der Kriegspropaganda der ISAF? (Ja, Spiegel Offline, wenn schon, dann könnt ihr die betreffende Presseerklärung auch verlinken. Oder überforderte das eure intellektuellen Fähigkeiten als so genanntes Online-Medium?)

Für die Bundeswehr, auch für die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte KSK, gilt generell, dass Verdächtige festgenommen und nicht getötet werden sollen. Die US-Spezialeinheiten, die rund um Kunduz mit von ihnen trainierten Afghanen agieren, gehen robuster vor und haben in den letzten Monaten mindestens zwei Dutzend Taliban-Kommandeure rund um Kunduz eliminiert.

Wer hat das Wort „robust“ erfunden, um damit suggestiv zu verschleiern, dass es sich um gezieltes Töten auf Verdacht handelt? Im übrigen töten Soldaten im Krieg vermutlich so oft wie möglich gezielt. „Robust“ erinnert an die bekannte Sprachregelung aus dem deutschen Ministerium für Wahrheit, das „Krieg“ immer schon gern umschrieb als „robustes Mandat“. Licence to kill wäre ehrlicher.

Vor allem die berüchtigte „Task Force 373“, die seit dem Sommer in Masar-i-Scharif eingezogen ist, macht Jagd auf die Taliban. Im September 2009 hat Spiegel Offline schon einmal über diese Einheit berichtet (die verlinken noch nicht einmal auf sich selbst). „Die „US Special Forces“, für ihr ruppiges Vorgehen bekannt, haben Quartier im deutschen Afghanistan-Stützpunkt Masar-i-Scharif bezogen. (…) Immer wieder sterben Zivilisten, wenn die amerikanischen Spezialisten im Einsatz sind.“ Der Satz Deutsche Einheiten waren an der Aktion offenbar nicht beteiligt bekommt vor diesem Hintergrund eine ganz spezielle Bedeutung, als sei der Autor froh, dass andere die Drecksarbeit machen. Die Terroreinheit „Task Force 373“ wohnt zwar im deutschen Stützpunkt, aber wir sind „dem Vernehmen nach“ „nicht beteiligt“. Dem Vernehmen nach. Wieviel unabhängige Quellen waren das noch mal?

„…doch sollen pakistanische Militärs die Angriffe insgeheim unterstützen.“ Sollen? Ich rezipiere keine Medien, um mit Gerüchten abgespeist zu werden. Dann kann ich auch den nächstbesten Taxifahrer fragen.

So einen gequirlten Propaganda-Mist als Journalismus auszugeben, ist schon dreist.

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