Jede blamiert sich so gut wie sie kann

Die taz ist mittlerweile Comedy-reif, wenn es um das Internet geht: „Twitter wird sich relativ schnell erledigt haben“, behauptet die taz-Chefredakteurin Ines Pohl in einem Interview mit dem MediumMagazin.

Annette Milz (kein Wikipedia-Eintrag, offenbar irrelevant), die Chefredakteurin des MediumMagazins, kommentiert erbost im taz-Blog: „Hallo, dass die ‚taz‘ ein Interesse daran hat, das mediummagazin-Interview zu dokumentieren, verstehe ich. Dass Ihr allerdings das komplette Interview ohne Rücksprache und Genehmigung publiziert finde ich alles andere als lustig.“

Wie reagiert die taz? Sebastian Heiser antwortet: „Danke für den Hinweis. Ich betreue dieses Blog und hatte das Interview abgetippt und online gestellt, ohne dies mit dem Medium Magazin oder mit Ines Pohl abgesprochen zu haben. Dies hatte ich bisher regelmäßig mit ihren Interviews so gemacht, weil es mir nach meiner Beobachtung üblich schien, dass Interviews von der interviewten Person auf ihrer Webseite online gestellt werden.“

Ach ja? Die taz klaut Interviews in anderen Medien und stellt sie bei sich auf die Website? Sehr hübsch. Was sagt denn Johnny Eisenberg dazu? „Nach meiner Beobachtung“ als „Recherche-„Methode auszugeben – kein sehr überzeugendes Argument vor Gericht.

Es geht weiter: „Kann man das nicht mal als Anschauungsbeispiel für angemessenes Verhalten an die Kollegin Eva Schweitzer schicken?“ kommentiert jemand, muss aber sogleich feststellen: „Leider ist der Link zum Medium Magazin falsch gesetzt, man landet auf einer taz-Seite.“

Das scheint mittlerweile korrigiert worden zu sein. Wieviel Arbeitszeit ist jetzt draufgegangen, bis es der taz gelang, einen Link ins Internet zu setzen? Avanti dilettanti! „Es gibt bei der ‚taz‘ durch die gewachsenen Strukturen ganz viele Entscheidungsebenen, die sehr zeitaufwendig sind ,“ sagt die neue Chefredakteurin im Interview (das MediumMagazin benutzt die alte Rechtschreibung, vielleicht liegt das an den aufwändigen Entscheidungsebenen dort.).

Und nun zu Twitter. „Ich habe einen Account, aber ich twittere nicht,“ gibt Pohl zu. Ja, rund 13 Millionen Menschen auf der Welt geben zu: „Ich habe einen Account bei Second Life, aber ich nutze ihn nicht.“ So what?

Aus „journalischer Sicht“ sei Twitter „schlichtweg albern.“ Das ist albern – und naiv. Twitter funktioniert wie SMS per Internet. Aus journalistischer Sicht sind SMs natürlich „schlichtweg albern“ – oder eben auch nicht. Mit Twitter ist es wie mit Beton (um eine eingängige Werbephrasen zu wiederholen): Es kommt darauf an, was man draus macht.

Die taz will offenbar um’s Verrecken ein Holzmedium bleiben und ihre Leserschaft weiterhin bei den Internet-Ausdruckern suchen. Nicht mein Problem, aber ich werde dann sicher noch im nächsten Jahrzehnt einen Nachruf schreiben können.

Upate: The Guardian: „Twitter is not an alternative to journalism. The role of the journalist changes from a gatekeeper of information to a gatewatcher. In case of an event or a catastrophe it might be his role to curate the live stream of Twitter and social media platforms. So he is still fact-checking.
„Newspapers are not good for news anymore,“ said Hartley – and Mecklenburg agreed. „It is more about the editorial voice.“
Hartley added: „You should be sceptical about Twitter, but you should be sceptical about your newspaper as well.“

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Kommentare

6 Kommentare zu “Jede blamiert sich so gut wie sie kann”

  1. u1amo01 am November 11th, 2009 9:58 pm

    Was wurde aus der Abmahngeschichte?…

    Unter dem Titel Zitat? Nein Danke hatte ich kurz auf einen Abmahnfall hingewiesen, bei dem ein Blogger für ein etwas umfangreich ausgefallenes Zitat eines Zeit-Online-Artikels 2.155,00 Euro zahlen sollte. Ich habs jetzt geprüft: der Originalartikel bes…

  2. S. Heiser am November 11th, 2009 10:29 pm

    Na, vor Gericht hätte ich natürlich argumentiert, dass das Urheberrecht für die Aussagen von Ines Pohl natürlich weiterhin bei Ines Pohl liegt und nicht beim MedienMagazin. Man hätte sich dann noch darüber streiten können, wie es mit den Fragen aussieht. Da sind zwar inhaltlich gut recherchiert und treffend. Aber darauf kommt es beim Urheberrecht nicht an, sondern allein darauf, ob die künstlerische Schöpfungshöhe erreicht ist. Die Fragen sind allerdings überwiegend kurz und präzise formuliert (wie es bei einem Interview sein soll), so dass ich die Schöpfungshöhe nicht für erreicht ansehe.

    Mit dieser Argumentation wäre ich zwar vor Gericht durchgekommen, aber man muss ja nicht immer alles unter juristischen Aspekten betrachten. Die Kollegen Ulrike Simon, die das Interview geführt hat, hat dort offenbar viel Aufwand reingesteckt und zuvor ordentlich recherchiert. Wenn das MediumMagazin nicht will, dass wir das im taz-Blog nachdrucken, dann respektiere ich das. Annette Milz hat auch nicht juristisch argumentiert oder eine Abmahnung verschickt, sondern ihren Ärger per Kommentar ausgedrückt. Ich habe darauf umgehend reagiert. Ich würde mir wünschen, alle Leute würden solche Probleme auf diese Art lösen.

  3. Fluxkompensator am November 12th, 2009 3:32 pm

    Ist dieser Kommentar ein fake?:

    S. Heiser am November 11th, 2009 10:29 pm

    Na, vor Gericht hätte ich natürlich argumentiert, dass das Urheberrecht für die Aussagen von Ines Pohl natürlich weiterhin bei Ines Pohl liegt und nicht beim MedienMagazin. Man hätte sich dann noch darüber streiten können, wie es mit den Fragen aussieht. Da sind zwar inhaltlich gut recherchiert und treffend. Aber darauf kommt es beim Urheberrecht nicht an, sondern allein darauf, ob die künstlerische Schöpfungshöhe erreicht ist. Die Fragen sind allerdings überwiegend kurz und präzise formuliert (wie es bei einem Interview sein soll), so dass ich die Schöpfungshöhe nicht für erreicht ansehe.

    Mit dieser Argumentation wäre ich zwar vor Gericht durchgekommen, aber man muss ja nicht immer alles unter juristischen Aspekten betrachten. Die Kollegen Ulrike Simon, die das Interview geführt hat, hat dort offenbar viel Aufwand reingesteckt und zuvor ordentlich recherchiert. Wenn das MediumMagazin nicht will, dass wir das im taz-Blog nachdrucken, dann respektiere ich das. Annette Milz hat auch nicht juristisch argumentiert oder eine Abmahnung verschickt, sondern ihren Ärger per Kommentar ausgedrückt. Ich habe darauf umgehend reagiert. Ich würde mir wünschen, alle Leute würden solche Probleme auf diese Art lösen.

    Der Autor schreibt nämlich das er ein Dieb ist und das weiss.

  4. admin am November 12th, 2009 5:35 pm

    Per default darf man NICHT nachdrucken. Wenn es sich um einen Artikel handelt, kann man den Autor fragen, ob er die Rechte abgegeben hat. In diesem Fall ist es ein Interview und die Rechte liegen eindeutig beim MadiumMagazin.

  5. mediastarter am November 17th, 2009 11:16 pm

    @Burks: Wie kommst Du darauf, dass die Rechte für die Worte von Ines Pohl beim MediumMagazin liegen? Die einschlägige Bestimmung ist das Urheberrechtsgesetz. Darin heißt es zur Definition des Urhebers: „Urheber ist der Schöpfer des Werkes.“ Die Schöpferin der Worte von Ines Pohl ist zweifellos Ines Pohl und nicht das MediumMagazin. Gemäß § 15 Absatz 2 Alternative 2 liegt auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung beim Urheber, also bei Ines Pohl. Ein Urheber kann gemäß § 31 das Nutzungsrecht (und damit auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung) auf andere übertragen. Das Nutzungsrecht kann entweder ausschließlich übertragen werden (es darf also sonst niemand anders das Werk nutzen) oder einfach (der andere darf das Werk zwar nutzen, aber der Urheber kann auch jedem anderen das Recht einräumen, das Werk zu nutzen und weiterzuverbreiten). Ines Pohl hat dadurch, dass sie das Interview mit dem MediumMagazin geführt hat, zweifellos eingestimmt, dass das MediumMagazin das Interview auch verbreiten darf. Ein ausschließliches Nutzungsrecht ist aber völlig unüblich bei Interviews. Ich habe zumindest noch nie davon gehört, dass ein Medium sich von einem Interviewer das ausschließliche Nutzungsrecht hat übertragen lassen. Das würde ja auch bedeuten, dass der Interviewer die gleichen Sätze zu keinem anderen Medium mehr sagen dürfte (genauer: das andere Medium dürfte diese Sätze nicht verbreiten, weil das ausschließliche Nutzungsrecht ja beim MediumMagazin liegen würde).

    Es ist also unzweifelhaft: Urheberin der Worte von Ines Pohl ist Ines Pohl und bei ihr liegen auch die Verbreitungsrechte. Genauso wie Ines Pohl dem MediumMagazin erlaubt, den Text in der gedruckten Ausgabe zu verbreiten, genauso kann sie das, was sie in dem Interview gesagt hat, auch auf taz.de verbreiten.

  6. admin am November 17th, 2009 11:34 pm

    Nichts ist unzweifelhaft, solange wir nicht wissen, welche Verträge Pohl mit dem MediumMagazin hat. In der Regel hat sie alle Rechte. Aber der taz-Mensch hat ja zugegeben, dass er niemanden gefragt hat, wer die Rechte hat.

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