Die virtuelle Streife – alles Kappes

virtueller Geschlechtsverkehr

Es gibt Leute, die halten die „Süddeutsche“ für eine seriöse Zeitung. Für manche Themen mag das auch stimmen. Beim Internet jedoch verbreitet man dort oft groben Unfug.

Die virtuelle Streife“ lautete am 01.12. die Überschrift für einen unsäglichen Artikel, der alle Regeln des Handwerks grob missachtet. Der Autor Stefan Mayr hat sich vom Bayerischen Landeskriminalamt instrumentalisieren lassen, um nicht nur die Vorratsdatenspeicherung zu pushen, sondern auch, um indirekt Zensur und totale Kontrolle im Internet zu fordern. Ich habe selten einen schlechter recherchierten Artikel über Second Life in einem großen deutschen Medium gelesen. (Ich habe eben den Kollegen Mayr deswegen estra in seinem Augsburger Büro angerufen und einige Dinge versucht zu klären.)

Man muss sich die einzelnen, zum Teil hanebüchenen Aussagen auf der Zunge zergehen lassen: „Da die Verbreitung pornographischer Schriften an Kinder und Jugendliche hierzulande verboten ist, würde Wolfgang Kaps (ein ehemaliger Koch, wie auf „Wolfgang’s [sic] privater Website“ zu lesen ist) gerne alle Sexangebote in Second Life unterbinden.“ Und so was drucken die ohne ein kritisches Wort dazu einfach ab! Man muss dankbar sein, dass Kaps das offen sagt. Man kann sich lebhaft vorstellen, was geschähe, ließe man das LKA Bayern gewähren – „sie“ wollen ein Internet ohne Sex-Angebote. Super. Warum tut sich das LKA Bayern nicht mit den Taliban, den Nordkoreanern und den Saudis zusammen? Die wollen das auch.

„In der virtuellen Welt als rechtsfreier Raum stoßen die Cyber-Cops im weltweiten Web regelmäßig an eng bemessene Grenzen. Nicht einmal gegen Kinderpornographie können sie effektiv vorgehen.“ Das ist eine nicht nur dämliche, sondern auch dummdreiste Lüge. Erstens ist Second Life kein „rechtsfreier Raum“. Zweitens: Das „weltweite Web“ (übersetzt: das weltweite weltweite Netz) ist nicht Second Life, sondern hat rein gar nichts damit zu tun. Hier wird munter alles durcheinandergemischt, um die Drohkulisse „Kinderpornografie“ auch bei virtuellen Welten aufzubauen. In Second Life gibt es keine Kinderpornografie, auch wenn dieses Märchen in den deutschen Medien – wie gewohnt ohne eigene Recherche – breit wie Quark getreten wurde. Die Rechtslage in den USA, also auch für die kalifornische Forma Linden Lab, ist laut Wikipedia beim Lieblingsthema deutscher Medien ohnehin anders: „Explizit eingeschlossen sind retuschierte Bilder, die den Eindruck erwecken, Minderjährige darzustellen, nicht eingeschlossen sind dagegen offenbar Abbildungen, die keine reale oder keine mit einer realen Person identifizierbare Person zeigen.“ Das ist in Deutschland anders. Aber zum Glück will die Welt nicht am deutschen Jugend“schutz“wesen genesen.

„Die Fahnder scheitern mitunter an der Gesetzeslage, denn bis heute gibt es zahlreiche Internet-Provider, die die Verbindungsdaten ihrer Kunden nicht oder nur kurz speichern.“ Was hat das mit Second Life zu tun? Nichts. Aber der Satz ist waschechte Propaganda für die Vorratsdatenspeicherung, die Mayr übernimmt, ohne den technischen Unsinn zu bemerken, den das LKA ihm untergejubelt hat. Auch die flächendeckende Speicherung aller digitalen Bewegungsdaten würde keine Informationen über das Verhalten von Avataren liefern. Was soll das also hier? Meine diesbezügliche Frage konnte Mayr auch nicht beantworten.

„Wie im Fall eines Täters aus Bremen, der in Second Life in einem virtuellen „Kinderzimmer“ Pornographie mit Minderjährigen angeboten hatte. Der 40-Jährige wurde im Februar zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Den entscheidenden Tipp hatte ein Journalist der ARD gegeben. Er hatte aus San Francisco für 300 Linden-Dollar (1,20 Euro) sechs Kinderporno-Fotos bestellt und vom Täter per E-Mail erhalten.“ Das war übrigens, wie ich soeben erfahren habe, Report Mainz (in Mainz sitzen auch die Zensur-Freunde von jugendschutz.net – fast direkt neben dem SWR, der den Blödsinn, den die Jugendschutzwarte von sich geben, in der Regel unkritisch übernimmt).

Ein deutscher Journalist fliegt also nach Kalifornien, um als Lockspitzel zu dienen – was nach deutschem Recht strafbar wäre – und lässt sich „per E-Mail“ eklige Fotos schicken. Was hat das jetzt mit Second Life zu tun? Dort waren die Fotos nicht zu sehen.- sonst hätte der journalistische Hilfspolizist sie sich ja nicht schicken lassen müssen.

Der Artikel in der Süddeutschen ist also eine krude Mischung aus urbanen Märchen, Lügen, Halbwahrheiten und Einflüsterungen des LKA – eine unbezahlbare Lobbyarbeit für die „virtuelle Streife“, aber eine Schande für den deutschen Journalimus. Pfui!

Der Screenshot ist übrigens gestellt. Hinter dem weiblichen Avatar steckt in Wahrheit ein Mann. Und mein Avatar hat jetzt eine Kung-Fu-Animation mit einstellbarer „Damage“-Funktion – ich kann andere Avatare also jetzt richtig verprügeln, auch wenn sie zufällig Kaps heißen sollten.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Die virtuelle Streife – alles Kappes”

  1. windoze am Dezember 3rd, 2008 11:46 pm

    Lieber burks

    wenn du dieses dämliche secondlifegedöhns endlich weglassen würdest, würde ich dein blog viel öfter lesen

    herzlichen dank

  2. admin am Dezember 3rd, 2008 11:56 pm

    du kannst ja den Feed abonnieren und dann das Gedöns weglassen :-

  3. Es gibt keinen Fall Tauss : Burks' Blog am Oktober 21st, 2009 9:08 am

    […] Die mengelnde Seriösität von Report Mainz mag an der örtlichen Nähe zu der Zensur-Lobby und den Jugendschutzwarten […]

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