Vorsicht, liebe sensible Leserinnen und feinfühlige Leser! Wer fahrlässig auf bestimmte Websites surft, dem kracht es sprachlich dermaßen zwischen die müden Augen, dass die feinen Nervenbahnen, die die Botschaft dechriffrieren und ins Großhirn leiten, um sie dort, wenn möglich, weiterzuverarbeiten, gleichzeitig die Nachricht in Kopie an den Magen schicken: Umstülpen! Vomitieren! Grottenschlechtes Deutsch! Eine Schande für die deutsche Sprache, das Land der Dichter und Denker und das Gute, Schöne und Wahre schlechthin!
Ich hatte mich in diesem kleinen funktionärsfeindlichen und frauenfreundlichem Blog schon einschlägig geäußert: "Wie man grässliche Pressetexte in schlechtem Deutsch verfasst". Beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV) sind diejenigen, die nicht nur nichts zu sagen haben, sondern das auch noch schlecht ausdrücken, die Mehrheit. Nicht nur das: Sie sind begriffsstutzig und belehrungsresistent wie eine Gewerkschaft aus westdeutschen Lehrerinnen.
Mein Haus-, Sprach- und Lieblingsphilosoph Georg Christoph Lichtenberg hat schon alles Nötige zum Thema Apparatschiks in seinen Aphorismen gesagt: "Die kleinsten Unteroffiziere sind die stolzesten." Wenn man zum Beispiel dem Funktionär eines lokalen Journalistenverbands, dessen zahlenmäßige Größe einem Karnickel- oder Archäopterix-Züchterverein entspricht, sagt, er schriebe schlechtes, ja zum Erbrechen gottserbärmliches Deutsch und das anhand pädagogisch wertvoller Beispiele demonstriert, wird dieser aus Trotz, Bos- und Verstocktheit das mitnichten ändern, sondern sich bemühen, beim nächsten Mal den Nominalstil so zu verdrechseln, dass man nur noch an die Genitiv-Mäander des Zentralorgans des Politbüros des Zentralkomittees der Einheitspartei oder so ähnlich denkt.
Heute erleben wir wieder ein ins Gesicht des Publikums schlagendes Beispiel, und das gleich dreifach: hier, hier und hier (16.01.2007). Man wagt es kaum, den sprachlichen Wust von nichtssagenden Blähworten, holpernden Ungs und Pseudo-Diplomaten-Sprech zu zitieren. Da ich genug gewarnt habe, dürfen die zögernden Leserinnen und vorsichtigen Leser sich nach der Lektüre nicht beklagen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen der Apparatschik-, Kader- und Vereinsmeiersprache fragen Sie Burks und ihren örtlichen Lyrik- und Literatur-Professor. Der Angriff auf das seelische Wohlbefinden des Publikums wird nur gerechtfertigt durch die Botschaft: Hilfe naht! Ich werde den Text, der kaum diesen Namen verdient, stattdessen eher "Wortmüll" heißen sollte, verbessern und in verständliches Deutsch übersetzen. Über den Inhalt wollen wir gar nicht reden, sonst säßen wir noch morgen hier vor dem Gerät.
"Die drei Landesverbände des Deutschen Journalisten-Verbandes in der Region Berlin-Brandenburg (Brandenburger Journalistenverband, DJV Berlin und Verein Berliner Journalisten) haben vereinbart, ihren Einigungsprozess zu intensivieren. Der von ihnen gegründete Lenkungsausschuss beschloss gestern (Montag), drei paritätisch besetzte Kommissionen zu den für eine Zusammenführung bedeutsamen Themen Finanzen, Mitgliedschaft und Satzung einzusetzen. Bis zu den Sommerferien sollen Lösungen zur Vereinheitlichung und Zusammenführung der Verbandsarbeit gesucht werden. Die Kommissionen sind aufgefordert, bis zur nächsten Sitzung des Lenkungsausschusses Anfang März das für die weitere Entscheidungsfindung nötige Datenmaterial zu Satzungsbestimmungen und Praxis der drei Landesverbände vorzulegen. Alle Seiten betonten bei dem Treffen, dass dieser Prozess einer engen Abstimmung mit der Mitgliedschaft bedarf, die darüber voraussichtlich noch in diesem Jahr auf ihren Mitgliederversammlungen zu entscheiden hat."
"Ihren Einigungsprozess zu intensivieren." Der Einigungsprozess verhält sich zum "vereinen" wie der schulische Bereich zur Schule, die Thematik zum Thema und die Problematik zum Problem. Und eine "Prozess intensivieren" kann man gar genausowenig wie eine Struktur. So reden nur der Bürokrat und der klitzekleine Funktionär mit von Stolz geschwellter Brust und imaginär gezwirbeltem Schnurrbart. Warum sich klar und angenehm ausdrücken, wenn es auch umständlich und geschwurbelt geht?
"Bis zu den Sommerferien sollen Lösungen zur Vereinheitlichung und Zusammenführung der Verbandsarbeit gesucht werden." Dieses Satzungetüm ist wahrlich eine Perle der realsozialistischen Sprachkultur: Drei Ungs hintereinander - da quillt die Zunge auf, der Gaumen hebt sich, und die Zähne knirschen. Übrigens: Die deutsche Sprache besitzt auch Verben! Ist das bekannt? Für die der Fremdworte Unkundigen: Tuwörter! Da Apparatschiks aber nichts tun, sondern nur ihren Hintern breitsitzen, kann man nicht verlangen, dass sie Worte kennen, die für Taten stehen. "Vereinheitlichen" ist aber auch als Tuwort verboten, und "zusammenführen" steht unter dem Generalverdacht des Hinterfragens, Beinhaltens und Problematisierens, Worte, die klingen, als seien sie aus dem Arsch der Sprache ausgeschieden worden.
"Für die weitere Entscheidungsfindung" Ja, Wie findet man nur das, was man entscheiden will? Liegt es auf der Straße herum, fliegt es einem zu, spendet es der Heilige Funktionärsgeist oder schickt es Benno Pöppelmann mit der Flaschen(!)post? Es ist sogar noch komplizierter! Soll das gefunden werden, worüber man entscheidet? Man spürt, dass der Vereinsmeier hier mit rauchendem Kopf und leerem Gehirn zögerte, etwas niederzuschreiben und dann etwas Verquastes, Halbgares verfasste: Wir wissen nicht, was wir tun sollen und wollen das, was getan werden muss, irgendwo finden. Aha. So hört sich das auch an.
"Alle Seiten betonten". Du meine Güte? Sind wir hier bei der UN, bei Genschers und Condolezzas? "Seiten" können weder etwas betonen noch überhaupt reden. Schon Lenin fragte: Wer wen? Jeder Journalist mit einem Funken Ehre im Leib nennt immer Ross und Reiter. "Verdammte Wichtigtuer!", raunt der genervte Leser vermutlich - und zu Recht.
"Einer engen Abstimmung mit der Mitgliedschaft bedarf." Halleluja! Ein Wesfall! Eine solche Rarität im Traktat von Apparatschiks! Das bedarf, das schreit nach einer Belobigung! (Ein Echo hallt weithin durchs Dorf: ung, ung, ung.) Gemeint ist aber: Die Mitglieder müssen darüber abstimmen. Alles andere klingt gestelzt.
Nun aber genug. Was ist eigentlich geschehen, was bedarf eines Agitprop-Textes auf der Website dreier Journalisten-Vereine?
"Die drei Landesverbände des DJV blah blah blah wollen sich vereinen. (Schneller oder immer öfter oder was?) Der von ihnen gegründete Lenkungsausschuss (ganz falsch: Der so genannte Lenkungsausschuss hat kein Mandat irgendwelcher Mitglieder, sondern hat sich eigenmächtig inthronisiert, besteht aus den Vorsitzenden und ihren Hilfswichteln und betreibt Bonsai-Geheimdiplomatie im Vereins-Terrarium) beschloss gestern, drei paritätisch besetzte Kommissionen zu gründen, die sich den Themen Finanzen, Mitgliedschaft und Satzung widmen werden. Die Kommissionen sollen bis zur nächsten Sitzung des Lenkungsausschusses Anfang März Informationen vorlegen, anhand derer die Kader entscheiden können (Jeder Furz steht natürlich unter "Gremienvorbehalt"). Alle sind sich darüber einig, dass die Mitglieder der Vereine gefragt werden müssen, wenn sie über eine Fusion abstimmen." (Wer hätte das gedacht!) |