FREISPRUCH FÜR BÜRGERRECHTLER ALVAR FREUDE Freiheit für die Links!Von Burkhard Schröder
Endlich eine gute Nachricht! Alvar Freude ist freigesprochen worden. Der Heise-Newsticker berichtet: "Der Stuttgarter Mediendesigner Alvar Freude ist heute vom Vorwurf der Beihilfe zur Volksverhetzung in zweiter Instanz freigesprochen worden. Richter und Schöffen der 38. Strafkammer des Landgerichts anerkannten ohne Wenn und Aber, dass es sich bei Freudes Berichterstattung über von der Düsseldorfer Bezirksregierung monierten Naziwebseiten um eine Dokumentation zur Zeitgeschichte gehandelt habe. Freude hatte in seiner Online-Dokumentation die von der Bezirksregierung inkriminierten Neonazi- und Tasteless-Seiten verlinkt. In dem von Freude betriebenen Freedomphone, einer Seite, die Nutzer eingeladen hatte, sich gesperrte Webseiten am Telefon vorlesen zu lassen, sah die Kammer eindeutig eine Satire. [...] Allerdings musste der Staatsanwalt in der Berufungsverhandlung heute einige Kritik des Richters einstecken. Im Oktober vergangenen Jahres war Freude noch vom Amtsgericht Stuttgart zu 120 Tagessätzen verurteilt worden."
Wer oder was ist Alvar Freude? Ich nenne ihn einen Bürgerrechtler. So etwas gibt es in Deutschland nur äußerst selten. Im Land der "Meldestellen", des Jugend"schutzes", der allgegenwärtigen Blockwart-Mentalität und der verhuschten Medien, des Meldens, Durchführens und Verbietens gab es nur vereinzelte Stimmen, die sich ohne Wenn und Aber auf die Seite des Guten stellen.
Die Furcht vor dem Link ist allgegenwärtig; alle, ja alle Medien sind sich einig: dem sittlich gefährdeten Rezipienten soll das Böse vorenthalten werden. Telepolis ist natürlich eine Ausnahme (- aber wo ist der Link zu rotten.com?).
Zusammen mit einem halben Dutzend Zensur-Gegnern haben Alvar Freude und ich die "Erklärung gegen die Einschränkung der Informationsfreiheit" initiiert, die bis jetzt knapp 30 000 Menschen unterschrieben haben. Das ist nicht viel, aber für Deutschland, wo das Internet immer noch scheel angesehen wird, recht ordentlich.
Ich darf daran erinnern, dass ein ähnliches Verfahren gegen mich schon vor vier Jahren eingestellt wurde - nach mehr als einem Jahr (!) staatsanwaltschafticher Ermittlungen. weil es so schön ist, ein Zitat:
"Die Zeitschrift Journalist schreibt in ihrer Ausgabe vom Januar 2001 unter der Überschrift "Verbotene Web-Links": "Die Berliner Polizei hat gegen den Journalisten und Rechtsextremismus-Experten Burkhard Schröder Ermittlungen aufgenommen. Der Grund: Schröder hatte auf seiner Homepage (www.burks.de) die Internet-Seiten von 100 rechten Gruppen zugänglich gemacht. Schröder meint, sich ausreichend von den Websites rechter Organisationen distanziert zu haben: Über der Link-Liste war ein "Stop Fascism"-Symbol angebracht, daneben ein Tucholsky-Zitat zu lesen: 'Der Feind steht rechts.'"
In der nächsten Ausgabe wird der Journalist folgenden Leserbrief von mir veröffentlichen:
"Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gegen mich, weil ich "die Internet-Seiten von 100 rechten Gruppen zugänglich gemacht" habe. Es gibt kein Gesetz, das das verbieten würde. Ausserdem handelt es sich um Links auf Seiten im WWW, nicht um "Internet-Links". Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen 'Verwenden(s) von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen', 'Tatort: Links mit strafrechtlich relevantem Inhalt unter 'burks.de''. Ich verwende auf meinen Seiten keine Kennzeichen verfassungswidriger Symbole; einige Seiten im WWW, die ich verlinkt habe, enthielten oder enthalten jedoch solche. Es ist nicht verboten, verfassungsfeindliche Symbole zu zeigen, wenn es der staatsbürgerlichen Aufklärung dient. Es gibt auch kein Gesetz oder eine Vorschrift, die definiert, was eine 'ausreichende Distanzierung' sei. Ich bin der Meinung, dass eine formale Distanzierung bei Links im WWW ohnehin nicht nötig ist. Ausserdem ist mir rätselhaft, wieso Sie in der Vergangenheitsform schreiben: Die Linksammlung gibt es immer noch.."
Ja, er meint sich ausreichend distanziert zu haben. Das suggeriert, ein ritueller vebaler Abwehrzauber sei nötig. Mitnichten.
Was lehrt uns der Freispruch? Nur eines: Der Kampf geht weiter. Die Internet-Zensur in Nordrhein-Westfalen ist noch nicht vom Tisch. Und natürlich darf man nicht alles immer verlinken - es kommt auf das Ambiente an. Links zu Porno-Seiten sollten mit dem Zusatz versehen werden: Vorsicht; der Anblick der von der Natur vorgesehenen Geschlechtsteile des Homo sapiens könnte Mormonen, islamische Fundamentalisten und Jugendschützer irritieren und deren Entwicklung beeinträchtigen! Vielleicht sollte man auch die grauenhaften Bilder aus dem Irak-Krieg im Bundestag vorführen, wenn es wieder mal darum geht, Soldaten an den Hindukusch oder in andere Länder zu schicken. Zu Risiken und Nebenwirkungen ihrer Entscheidungen klicken sie die Links auf spiggel.de an!
Die Medien werden sich für das Urteil im Fall Alvar Freude kaum interessieren. Der Landgericht-Hamburg-Hoax findet sich selbst auf seriösen Websites. Und selbst Spiegel online verkündet den staunenden Surferinnen und den verwunderten Surfern, das man nicht für die Inhalte fremder Websites verantwortlich sei. Wer hätte das gedacht? Nur zur Beruhigung: spiggel.de ist nicht für rotten.com verantwortlich! Hätten Sie's gewusst?
By the way. Jetzt kommt wie das Amen in den Sakralbauten der christlichen Verehrer höherer Wesen: Würden Sie auch "Internet-Seiten" mit Kinderpornografie verlinken? Die Antwort: Im WWW gibt es keine öffentlich zugängliche Kinderpornografie, die man verlinken könnte. Wer etwas anders behauptet, verbreitet eben einen Hoax und einen Medienhype. Aber das sagte ich hier schon mehrfach.
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