POLITIK | | Aktuell | 25. Januar 2005 |
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KEIN STRAFERMITTLUNGSVERFAHREN GEGEN APFEL UND GANSEL Die überraschten AnständigenVon Klaus Parker |
"Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre Sache (...) uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren." (Joseph Goebbels in: "Der Angriff", 30. April 1928")
Kaum waren am Freitag, 21. Januar 2005 die Propagandaausfälle der sächsischen NPD-Abgeordneten Apfel und Gansel im Dresdner Landtag bekannt geworden, erhoben sich die Rufe der gewählten Aufständischen gegen Rechts. So insbesondere die Fraktionen von CDU und Grünen in Sachsen.
Die Äußerungen erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft solle die Ermittlungen aufnehmen. Man gewann den Eindruck, als sei der Neonazi-Kampfbegriff vom "Bomben-Holocaust" brandneu. Das ist er nicht. Er bewegt sich in der Grauzone zwischen strafloser Relativierung und strafbarer Verharmlosung des nazistischen Völkermordes an den Juden Europas. Seit langem kursieren in der Szene entsprechende Hinweise und Tipps, wie man sich scharf an der Grenze zur Strafbarkeit bewegt, ohne diese eindeutig zu überschreiten. Unter anderem existiert das "Deutsche Rechtsbüro", in dem die Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl - eine ehemalige Sozia des einschlägigen Nazi-Aktivisten Jürgen Rieger - entsprechende Verhaltensregeln an die Hand gibt.
Merkwürdigerweise hat - jedenfalls den Presseveröffentlichungen zufolge - niemand bemerkt, wie der Abgeordnete Apfel in seiner Suada tatsächlich eine eindeutige Straftat beging, indem er die Anzahl der Shoa-Opfer auf ein Zehntel herunterlog. Unter Bezugnahme auf früher u. a. von David Irving verbreiteten - um das zehnfache überhöhten Totenzahlen der Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 – beschimpfte er die Abgeordneten: "Nur bei anderen Opfergruppen sind Sie nicht so pingelig, wenn einmal eine Null fehlt."
Am darauffolgenden Montag geschah das, was von Anfang an klar war: Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete kein Ermittlungsverfahren ein, da es sich um parlamentarische Äußerungen handelte und die NPD-Abgeordneten Indemnität genössen.
Ein kurzer Blick in die sächsische Landesverfassung oder auch nur marginale Kenntnisse der Grundlagen einer parlamentarischen Demokratie hätte von Anfang an klar gemacht, dass eine strafrechtliche Sanktion aus eben diesem Grunde nicht in Frage kommen kann. Überraschend ist nur, dass dies offensichtlich bis zum Montag unbekannt gewesen sein soll. Und dies bei denjenigen, die ein staatsanwaltliches Einschreiten forderten.
Es sind nur zwei Alternativen denkbar: Entweder fehlt es an jeglicher Qualifikation oder sie haben sich mit einer unsinnigen, aber an diesem Wochenende wohlfeilen Forderung ins Rampenlicht als aufrichtige Kämpfer gegen Rechts setzen wollen. Ist das Erstere nur dumm und stellt den Betroffenen eine erstklassige Empfehlung als Kunde der Bundesagentur für Arbeit aus, ist das Zweite, um es einmal euphemistisch auszudrücken, einfach nur unehrlich.
Unehrlich wie die überraschte Empörung über die Ausfälle von Apfel und Gansel. Für jeden, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt, sind ideologische Inhalte und Vorgehen der Neonazis einschätzbar.
"Als Rechtsextremist begeht man tagtäglich mindestens 5 Propagandadelikte und somit Straftaten. Wer dies nicht tut, hat in der Szene nichts verloren." sagt Matthias Adrian, ehemals Funktionär der NPD und JN und nach seinem Ausstieg Mitarbeiter des Projektes "Exit"-Deutschland.
Es war somit von den NPD-Abgeordneten nichts anderes zu erwarten, und diese Republik tut gut daran, sich auf Weiteres einzustellen. Sitze in den Parlamenten dienen der NPD als wohlfeile Propaganda-Plattform. Nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Indemnität bei parlamentarischen Äußerungen. Diese kann, anders als bei Straftaten von Abgeordneten außerhalb des Parlamentes, auch nicht aufgehoben werden. Sie ist quasi ein absoluter Freifahrtschein zur Begehung von Straftaten. Und dies werden die Zwölf im Dresdner Landtag auch weiterhin gebührend ausnutzen.
Der nächste Schritt ist absehbar: Das deutsche StGB stellt in § 37 jegliche wahrheitsgetreue Berichte über Sitzungen der Landtage, des Bundestages oder der Bundesversammlung außer Strafe. Straflos ist es also, den volksverhetzenden Redetext Apfels öffentlich in Propagandaabsicht zu verbreiten. Das Privileg der Indemnität kann so quasi auf das gesamte rechtsextremistische Spektrum ausgedehnt werden.
Und dies ist keine Zukunftsmusik. Der Hamburger Neonazi Christian Worch hat eben dieses über ein rechtsextremistisches Internetforum bereits angeboten und angekündigt: Die Verbreitung der Wortbeiträge seiner zwölf Gesinnungsgenossen im Sächsischen Landtag, zeitversetzt oder vielleicht sogar in Echtzeit.
Quelle: haGalil
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BURKS ONLINE 25.01.2005 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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