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Verfasst am:
16.12.2004, 01:32 |
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| Nikolaus Federmann: Indianische Historia | | Hagenau 1557 | 16. Dezember 2004 |
| | | DIE EROBERUNG VENEZUELAS Indianische Historia (4) - Von Lanzarote nach La GomeraVon Nikolaus Federmann |
Von der Ausfahrt Niclaus Federmann des Jüngeren von Ulm aus Hispaniam in Indias; und was ihm in dieser Reise begegnet, auch was er gesehen und erfahren von Inseln, Völkern, ihren Sitten und Gebräuchen, darbei in was Leibs Gefahr er mit den Seinen gestanden, und wie viel sie erlitten, bis zur Anfahrt der Stadt Coro. (2)
Und dieweil die Arabier, deren gefangene wir waren, allein Rescat(1) oder Schatzung und Losung [Lösegeld] unserer Personen von uns verhofften und darum uns festhielten, liess ich mich gegen sie merken, ich wollte mich mit dem Hauptmann des Schiffs (welches ich selbst zu sein ihnen verleugnete) bereden; des sollten sie mir Statt geben und mich an das Schiff kommen lassen, die andern zween, so mit mir gefangen, in Pfand halten, bis ich wiederkäme.
Das konnte ich aber von ihnen nit gehaben, dass sie mich ledig wollten lassen oder mir in das Schiff zu kommen vergönnten, aber doch gaben sie mir zu, ich sollte deshalb ans Schiff schreiben und meine Meinung dem Hauptmann anzeigen. Dann sollten sie denen im Schiff Zeichen geben lassen, dass sie an Land schickten, die Brief zu holen, doch mit dem Beding, dass ich musste geloben nit anzuzeigen, wo wir gefangen lägen, auch dass nit über zwen aus dem Schiff an Land sprängen.
Das geschah. Und also auf mein Schreiben kamen aus dem Schiff zwen Mann, das eine ein Balbirer, um uns zu verbinden, der andere ein Grieche, welcher die arabische Sprache konnte, damit wir doch, ohne dass die Arabier es merkten, Kunde hätten, was sie unserhalb mit einander in ihrer Sprache redeten.
Ich schrieb auch ans Schiff, sie sollten sich dieselbige Nacht erheben, an das rechte Port und Stadt, der Christen Wohnung, Lancaerotten (2) genannt, fahren und dem Hauptmann die Handlung anzeigen, damit er eilend auf dem Land unserer Ledigung Fürsehung täte.
Als mitdes die Nacht anfiel, sagt ich den Arabiern, der Hauptmann begehrte von ihnen zu vernehmen, was oder wieviel Losung sie für uns begehrten; darauf sie sich lang mit einander beratschlagten und von uns grossen Rescat oder Losung vermeinten zu schätzen. Doch da wir uns so teurer Ledigung widern taten (welche sie für jeden zweihundert Dukaten (3) hatten angeschlagen), wollten sie uns, darmit nit aus langem Verzug unsere Gefangennahme dem Hauptmann dieser Insel fürkomme, alle drei um zweihundert Dujkaten ledigen. Dies alles, was ihre Anschläg waren, hatten wir durch den Griechen obgesagt, gute Kundschaft.
Als sie aber morgens an das Gestad des Meeres, da sie das Schiff im Port abends hatten gelassen, gingen, auf Meinung Rescats und Losung halber mit denen so der Hauptmann an Land schicken würde (wie wir ihnen zu verstehen hatten gegeben), zu handeln, fanden sie das Schiff schon abgefahren. Als sie uns aber solches anzeigten und wir uns darob verwundert erzeigten und nach langem Nachgedenken, die Ursach ihres Abfahrens zu erkennen, sagten wir, dass wir schätzten, dieweil dieselbige Nacht eben ein scharfer Wind gewesen, würden sie dem Port, als ihnen unbekannt, nit haben wollen getrauen, sondern seien zu ihrer Sicherheit in das Meer gelaufen und geschifft.
Also erwarteten sie der Zukunft auf dem Meer, aber wir der Hilf auf dem Lande, jeder Teil wie ers zu geschehen vermeinte, bis an den vierten Tag. Da kamen etliche Diener des Hauptmanns auf Kameltier geritten, die sie in dieser Insel gebrauchen, und nahmen uns aus der Arabier Händ und begleiteten uns in die Stadt zum Hauptmann der Insel, Sancho de Herers(4) geheissen, welcher den Fall unserer Gefängnisnahme und die Ursach unserer Anfahrt an diesem ungewöhnlichen Orte auf sein Begehren nach längs von mir vernahm, welcher zu Stund, den Mohren nachzustellen und sie gefänglich vor ihn zu bringen, aussendete, gleichwohl glaube ich, nit weniger um den genuss der Straf, so er von ihnen erwartete, als um unsern wieder Recht erlittenen Schaden abzurechnen.
Dieser Hauptmann tat mir sehr gut Tractament(5) und heilt' mich wohl, versah uns auch, um Bezahlung, mit aller Notdurft; also blieb ich bis zum andernTag daselbst, mich und die andern Verwundeten zu verbinden und mit andern Notwendigkeiten für die Kranken zu versehen.
Und folgends erhub ich mich und fuhr ab in einer andere Insel, Lagomera geheissen, zwölf Meilen darvon gelegen, dahin ich am andern Tag glücklich ankam. Lag daselbst drei Tag, versah das Schiff mit Holz, Wasser und Fleisch nach Notdurft, denn es zu dieser Reis' die best gelegenste Insel ins unter den sieben Inseln, so man die Canarias nennt, und da fast alle Schiff anfahren.
Von da erhub ich mich, meine Reis' fort nach Sancto Domingo zu fahren, davon ich von der Insel Lagomera aus noch 1300 Meilen Wegs zu continuieren und zu reisen hatte. Also erreichten wir noch in diesem Monat Dezember, Anno Neunundzwanzig, der minderen Zahl, das Port und Sant Dominigo; unnötig anzuzeigen die anderen Inseln, so wir unterwegen, ehe wir Sant Dominigo erreicht, fürgefahren und gesehen; denn wir in deren keiner ausgestanden sind. Doch will ich anzeigen, dass wir von der Gemoria(5) aus neunhundert Meilen Wegs gefahren, ehe wir Land sahen.
Diese Fahrt ist der grösste Golf des Ozeanischen Meeres und bisher an keinem Ort der Welt kein grösserer Golf, da man länger ohne Land zu erreichen fähret, befahren oder geschifft worden. Wohl viel weitere und auch ungewahrsamere Reisen, mit grosser Mühe und Gefahr, tun die portugiesischen Schiffleut, die nach India und bis gen Maluco fahren, aber doch sehen sie aufs längst alle acht Tage Land.
[Fortsetzung folgt]
Anmerkungen
(1) Von rescate (span.): Loskauf, Lösegeld
(2) Gemeint ist nicht die Insel Lanzarote, sondern vermutlich die alte Hauptstadt La Villa de Teguise.
(3) Vgl. auch "Münzen, Maße und Gewichte in alter Zeit" sowie Dukat (Goldmünze)
(4) Sancho de Herrera
(5) Von tractatio (lat.): Behandlung.
(6) Vgl. Karte des Atlantik. Vielleicht die Kapverdischen Inseln. Vgl. die Karte der Reisen des Kolumbus. Vgl. den Thread in der Newsgroup de.sci.geschichte.
Kommentar: Interessant sind die Kenntnisse des Landsknechtsführer Federmann über die Fahrten der Portugiesen nach Südostasien. Vgl. Karte: "Die Welt zu Beginn der großen Entdeckungen". Er legt Wert darauf festzustellen, dass seine Reise nach Venezuela zwar nicht so mühselig oder gefährlich wie der Weg nach "Indien" sei, aber dennoch schwieriger, da man mehrere Wochen kein Land sehe.
Die Bilder auf der rechten Seite zeigen Ausschnitte von Alonso Sánchez Coellos Gemälde "Vista de Sevilla". Muséo de America, Madrid
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