POLITIK | | Aktuell | 10. März 2004 |
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ANTI-ANTIFA DROHT IM INTERNET Neonazis nutzen schon wieder das Internet, updateVon Burkhard Schröder |
Die Story könnte so lauten: Neonazis veröffentlichen Namen und Adressen missliebiger Personen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Verfassungsschutz ist besorgt. Die Linken [genaueres bitte selbst ausfüllen] warnen: Neonazis werden verharmlost. Oder auch: Rechtsextremisten attackieren Linke auf der Straße, im Internet und auch anderswo. Undsoweiter. Bitte: wir wollen uns hier nicht lustig machen. Aber: könnte es beim voll medienhypetauglichen Thema "böhse Neonazis und das ebenso böhse Internet" etwas mehr sein als die seit Jahren gewohnten Textbausteine?
Eine Website von Potsdamer Neonazis hat(te) Bilder und Adressen von Menschen veröffentlicht, die die Macher für ihre Gegner hielten. Das übliche eben: Frank Jansen vom Tagesspiegel [Chapeau, lieber Kollege!], der Verein Opferperspektive und Treffpunkte alternativer Jugendlicher. Um an die Realität zu erinnern, ein Zitat von der Website der Opferperspektive:
"Fast jede Woche werden Menschen in Brandenburg aus rechtsextremistischen Motiven, aus Hass gegen alles vermeintlich "Undeutsche" gewalttätig angegriffen. Es trifft insbesondere Menschen aus anderen Herkunftsländern, aber auch Behinderte, Obdachlose und alternative Jugendliche. Während in Politik, Sozialarbeit und Medien vor allem über die Situation der rechtsextremistischen Täter gesprochen wird, über schlechte Berufsperspektiven, fehlende Jugendclubs und Versäumnisse im Elternhaus, geraten die Opfer der Taten allzu häufig aus dem Blickfeld. Es bleibt unbemerkt, wie stark die Tat die Opfer aus ihrem Alltag herausreißt: Sie bleiben allein mit der körperlichen Beeinträchtigung und mit ihren Ängsten - nicht zuletzt, wenn sie im Gerichtssaal auf die Täter treffen. Noch lange nach der eigentlichen Tat fühlen sie sich bedroht und verunsichert. Das Schweigen und die Gleichgültigkeit der Mehrheit bestätigt bei den Tätern das Gefühl, in ihrem Sinne zu handeln."
Aus dem Tagesspiegel vom 10.03.2004: "Im Ort Göttlin (bei Rathenow) demolierte in der Nacht zu Sonnabend ein rechtsextremer Mob einen Pkw, in dem ein junger Linker und seine Freude saßen. Die Angreifer traten nach Angaben des 18-jährigen Florian E. gegen den Wagen, schlugen mit einem Leitpfosten zu und warfen einen Stein in die Frontscheibe. Florian E., dessen Aussage die Beratungsstelle "Opferperspektive" gestern in einer Pressemitteilung zitierte, hatte im Januar 2003 in Rathenow eine Schülerdemonstration gegen rechte Gewalt organisiert. Am Sonnabend wurde Florian E. offenbar von einer braunen Clique erkannt, als er an ihr mit Tempo 30 vorbeifuhr. Die Insassen des Ford Fiesta kamen bei dem Angriff mit dem Schrecken davon, verletzt wurde niemand."
Der rassistisch und antisemitisch motivierte Alltagsterror, obzwar mit den aktuellen Ereignissen in Spanien nicht zu vergleichen, ist nicht nur virulent, sondern eben Teil des Alltags für Menschen, die sich in ostdeutschen Kleinstädten gegen die kackbraunen Kameraden öffentlich positionieren.
Die Räuber-und-Gendarm-Antifa (mit Verlaub!) hat die Verantwortlichen für die Website schnell geoutet. Diese Berichte sind zwar aus journalistischer Sicht nicht unbedingt zitierfähig, weil die Quellen oft unklar oder dubios sind oder auf Stammtischgerüchten oder der oral history der Antifa fußen. Dennoch: die Artikel in den Mainstream-Medien zu demselben Thema kann man getrost ignorieren, weil sie weder die zumeist bekannten Namen der Neonazis nennen noch Links anbieten.
Letzteres wurde auf indymedia heftig diskutiert. "der link sollte hier nicht gepostet werden, da es niemanden angeht, da die abgebildeten personen zu recht anonym bleiben wollen und die gefahr für sie schon groß genug ist." Das ist Unfug, war doch der Link zu Website der so genannten Anti-Antifa - Sektion Potsdam in einschlägigen kackbraunen Foren schon präsent.
Neu ist das Thema nicht. Ganz im Gegenteil. Seit elf Jahren wiederholen sich die Artikel über die ominösen "Feindeslisten" der Neonazis. Heute taucht der Begriff Internet zusätzlich auf. Ein kackbrauner Kamerad, der unter seinesgleichen bekannt werden will, muss daher folgendes tun: auf einem beliebigen ausländischen Server eine Website einrichten und ein paar stadtbekannte Linke dort per Foto ablegen. Dann noch ein paar Journalisten (leider erwähnen die Neonazis mich nur noch selten; hier ein aktuelles Foto - bitte das verwenden!). Gesetzt sind auch prominente deutsche Juden. Diese Aktion muss nur noch den einschlägigen Medien irgendwie bekanntgemacht werden. Auf indymedia ist in diesem Fall Verlass. Und dann steigt das Prestige innerhalb des Milieus in's tief Dunkelbraune.
Mein Tipp - er stammt von Karl Valentin: "Nicht einmal ignorieren sollte man sie".
Abbildungen: indymedia. Oben: Screenshot der Website der "Anti-Antifa - Sektion Potsdam", mittlerweile offline. Mitte: Oliver Kalies (links). Unten: Foto aus dem Besitz von Oliver Kalies.
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BURKS ONLINE 10.03.2004 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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