AUS ALLER WELT | | Aktuell | 01. April 2004 |
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BIBEL LIVE IN GEILENKIRCHEN Susanna im Bade reloadedVon Burkhard Schröder |
Kaum jemand kennt noch die Bibel. Wo sonst, wenn nicht in den Kirchen, könnte dieser Missstand behoben werden. Die jedoch sind oft leer. Pfarrer Jochen Hilkias aus Geilenkirchen hatte eine zündende Idee: warum nicht wichtige Szenen des heiligen Christenbuches live darstellen? Die Kreuzigung sei nicht in Frage gekommen, sagte Hilkias gestern der Presse, da es wegen Mel Gibsons aktuellem Film urheberrechtliche Bedenken gegeben habe. Deshalb habe er die Story von Susanna und Daniel im 13. apokryphen Kapitel des Buches Daniel gewählt - die spräche ein frommes Publikum ebenso an.
Die biblische Geschichte ist als Motiv der Susanna im Bade in die Kunstgeschichte eingegangen. Der Plot spielt während der Babylonischen Gefangenschaft Israels: die junge und schöne Susanna und ihr Mann Jojakim besaßen einen Garten. Dort versammelten sich jeden Morgen die Leute, um Rechtshändel schlichten zu lassen. Zwei alte Männer waren als Richter allgemein anerkannt - ähnlich den heutigen "Schlichtern" aun der türkischen und arabischen communitys in Deutschland, die oft der Polizei und Justiz die Arbeit abnehmen.
Susanna pflegte am Nachmittag im Garten zu baden. Im Original heisst es: "Und da sie die ältesten sahan täglich darin umhergehen, wurden sie gegen sie entzündet mit böser Lust und wurden darüber zu Narren und warfen die Augen so ganz auf sie, dass sie nicht konnten gen Himmel sehen und gedachten weder an Gottes Wort noch Strafe." Irgendwann sprachen sich die beiden Alten ab, da sie merkten, dass sie beide das gleiche Ziel verfolgten.
Sie versteckten sich im Gebüsch, warteten, bis sich das Personal entfernt hatte, und schlugen der überraschten jungen Frau einen Quickie oder eine Menage à trois vor. Wenn sie nicht einwillige, würden sie behaupteten, Susanna bei einem Seitensprung erwischt zu haben. Die Frau bliebt dennoch standhaft und weigerte sich.
Die beiden Alten schwärzten die Frau an - auf Ehebruch stand damals bei den Juden - laut der Bibel und ähnlich wie heute in einigen islamischen Ländern - die Steinigung. Das Volk glaubte den alten Männer mehr als der Frau - der Feminismus war noch nicht erfunden. Nur Daniel, der spätere Prophet, ging von der Unschuldsvermutung aus und verlangte eine getrennte Vernehmung der beiden Herren. Die verwickelten sich prompt in Widersprüche. Einer behauptet, Susanna beim Sex unter einer Linde bebachtet zu haben, der andere bestand darauf, es sei eine Eiche gewesen.
Der Geilenkirchener Pfarrer hat nicht die ganze Geschichte nachstellen lassen. Vor allem die Schlussszene, bei der die alten Männer vom Volk gesteigt werden, verherrliche Gewalt und propagiere Lynchjustiz, sagte er den Journalisten. Die Gemeinde sei jedoch von der Badeszene "hellauf begeistert" gewesen. Es seien sogar mehr Männer als Frauen zum Gottesdienst erschienen. Die Bauaufsicht hätte zunächst vorgeschlagen, das Taufbecken zu nehmen, da im Kirchenraum keine Nasszelle vorhanden sei. Doch eine örtliche Firma für Sanitäreinrichtungen sei als Sponsor eingesprungen und habe eine Badewanne neben dem Altar installiert.
Wenn Susanna - eine Laienschauspielerin - in der Geilenkirchener Kirche ins Bad steigt, ist das Gotteshaus bis auf den letzten Platz besetzt. Der Pfarrer überlegt, ob er demnächst auch andere Szenen nachstellen lassen will. Der örtliche Posaunenchor hat vorgeschlagen, die Erstürmung Jerichos mit musikalischen Mitteln zu demonstrieren. Da die Kirche nicht unter Denkmalschutz steht, ist der Gottesmann nicht abgeneigt.
Für den burks.de-Reporter posierte Pfarrer Jochen Hilkias mit mehreren Gemeindemitgliedern, die beim Casting für die Rolle der Susanna nicht berücksichtigt werden konnten. Vielen Dank dafür, dass unser Reporter in der Kirche fotografieren durfte! ------------------------------------------------------------------------------------
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