Von Belize nach Honduras

Brief aus La Ceiba, Honduras

La Ceiba, Honduras, 19.11.81 [Dieser Brief gehört zeitlich vor den vom 09.12.1981 aus Managua.]

Liebe Eltern,
Bevor wir wieder in Gebiete ohne sichere Postverbindung fahren, ein kleines Briefchen. Wir sind jetzt an der Nordküste von Honduras, ungefähr in der Mitte, und werden am Samstag mit einem Schiffchen Richtung Osten nach Puerto Lempira fahren. Das liegt nahe and der Grenze zu Nicaragua, und dort gibt es eine Menge Unruhe zwischen den beiden Ländern. Wir wissen nicht, ob es an der Ostküste Nicaraguas Postverbindungen gibt und werden vielleicht erst in 3 Wochen in Managua schreiben.

Wir waren 2 Wochen in Belize, wo es uns bis jetzt am besten gefallen hat. Das ganze Land hat nur 160.000 Einwohner [mittlerweile rund 440.000], so viel wie Kreuzberg, und die Hauptstadt [Belmopan hat heute ca. 27.000 Einwohner] ist kleiner als Holzwickede [heute rund 17.000], die größte Stadt – Belize City [heute rund 63.000 Einwohner] – ist so groß wie Unna [rund 60.000 – aber unklar].

In Belize lebt ein richtiges Völkergemisch, größtenteils Schwarze (frühere Sklaven und Landarbeiter der Engländer), die Geschäfte haben die Chinesen in der Hand, dann gibt es noch Indios (Maya), Inder, die deutsche sprechenden Mennoniten, Spanisch sprechende Mestizen (Einwanderer aus Mexiko), Creolen mit eigener Sprache (Mischlinge aus Schwarzen, Weißen und Indern) und zuletzt Cariben, das sind Neger, die aber vor mehreren hundert Jahren sich mit den indianischen Ureinwohnern (die es jetzt nicht mehr gibt, nur Reste in Guyana) vermischt haben und die auch eine eigene Sprache haben. Wir sind getrampt und haben an einer Straßenkreuzung 4 Sprachen auf einmal gehört. In den Dörfern sieht es aus wie im Wilden Westen vor 150 Jahren, alles zweigeschossige Holzhäuser, unten die Kramläden, oben die Wohnungen – aber ihr werdet die Fotos ja sehen.

dangriga
Dangriga, Belize

Wir haben eine ziemlich gefährliche Situation hinter uns. Die Grenze zwischen Guatemala und Belize ist geschlossen. Wir waren im äußersten Süden von Belize und standen vor der Alternative, entweder wieder in den Norden zu fahren, um ein direktes Schiff von Belize City nach Honduras (unter Umgehung von Guatemala) zu bekommenm oder zu versuchen, die Grenze trotzdem zu überschreiten – es gibt keine Straße, nur Boote, von Punte Gorda in Belize nach Livingstone in Guatemala.

Wir wohnten in Punta Gorda bei einem Cariben-Eheppar, und der Mann hatte Beziehungen in Guatemala, weil die Schwarzen trotz der geschlossenen Grenze alles Mögliche hin- und herschmuggeln. Wir sind dann nachts um 3 heimlich mit unserem Gepäck und dem Mann in einen Einbaum gestiegen und nach Guatemala rüber.

border belize guatemala

Dort standen wir morgens am Strand und die Leute sagten uns, wir würden keinen Einreisestempel bekommen wegen der geschlossenen Grenze, zur Polizei dürften wir auch nicht gehen, die würden uns sofort verhaften. Der Mann, der uns rüber gebracht hatte, kannte zum Glück den „Beamten“, der normalerweise die Stempel ausgibt. Wir mußten ihn allerdings mit 30 DM bestechen, zum Glück hatten wir bare Dollar dabei.

Guatemala

Wie das Ganze abgelaufen ist, muß man erzählen, das ist zu kompliziert. Jedenfalls hatten wir endlich am Mittag den Stempel und haben uns beeilt, wieder aus Guatemala herauszukommen, weil das Land praktisch im Bürgerkrieg lebt – zwischen der Regierung und den Guerilleros und einige Gegenden zeimlich gefährlich sind, zum Glück nicht da, wo wir hinmußten. Vorgestern sind wir dann an der Grenze zu Honduras angekommen, wo auch an jeder Ecke eine Militärkontrolle steht, die alle Leute filzt. und gestern in einer 10-stündigen Bus-Gewalttour bis an die Atlantikküste gefahren, wo alles ein wenige entspannter ist.

Hier im Hotel können wir selbst kochen und wir freuen uns jeden Tag mehr, daß wir den kleinen Benzinofen mitgenommen haben, und außerdem ist es billiger, als immer in Restaurants zu essen. Wir haben schon wesentlich mehr Geld ausgegeben als geplant und müssen jetzt sehr sparen. Zum Glück wird es in Nicaragua und Costa Rica billger.

Wir werden unsere Reiseroute ein wenig ändern (nach heißen Diskussionen): Weihnachten feiner wir in San José, Costa Rica, fahren dann nach Panama City, den Kanal nach Norden nach Colon, von wo es Schiffe nach den kolumbianischen San-Andres-Inseln gibt (da war ich das letzte Mal mit Hartmut auch schon), von da aus fliegen wir ca. Neujahr nach Bogotá. Wir haben schon wieder jemanden getroffen, der im Norden von Kolumbien ausgeraubt worden ist, das wollen wir möglichst vermeiden. [Daraus wurde nichts, siehe unten.]

usb
Die Karte zeigt die Reiseroute, die ich 1982 geplant hatte. Meine damalige Lebensabschnittsgefährtin wollte dann aber doch nicht durchs Darien Gap (awesome story!) marschieren. (Ja! Zu Fuß und per Boot und nicht per Jeep! Das geht!) Wir sind (leider) von Panama nach Kolumbien geflogen. Ich weiß nicht, ob ich da jemals noch hinkomme. Allein würde ich das nicht machen, aber eine Lebensabschnittsgefährtin müsste schon sehr tough sein.

Von Europa haben wir seit ca. 4 Wochen keinen Ton mehr gehört, und das wird sich wohl erst in Nicaragua ändern. Es ist schon etwas komisch, wenn man hier nachts den Sternenhimmel betrachtet und die vertrauten Sternbilder, die ich eigentlich nur unbewußt oder ungefähr kenne, fehlen ganz oder stehen auf dem Kopf. Der Mond nimmt auf der anderen Seite zu und die Mondsichel hängt hier nach unten. Dafür kann man die Milchstraße sehr gut sehen.

Überhaupt ist das Wetter seit Mexiko ausnehmend freundlich, fast immer zwischen 25 und 30 Grad, ab und zu mal angenehm bedeckt. Es wäre vielleicht mal ganz nett, statt der ewigen Palmen, die wir mit einer Unterbrechung von ein paar Tagen seit 3 Wochen unentwegt sehen, mal eine anständige deutsche Eiche zu erblicken.

In Belize auf den Inseln sind wir morgens aufgestanden, an den Strand gegangen, haben uns eine nachts heruntergefallene Kokosnuß genommen, sie mit einer Machete geknackt und gegessen – wie im Film. Ein Frau auf der Insel, wo wir waren, sagte uns ganz wehmütig, sie möchte irgendwann in ihrem Leben einen richtigen Apfelbaum sehen, Es gibt in Belize zwar Äpfel, aber die werden aus Mexiko importiert.

Kokosnuss
Caye Caulker, Belize

Das Essen ist an der Atlantikküste von Mittelamerika im Gegensatz zu Südamerika ziemlich reichhaltig, ziemlich viel Fisch, Kartoffeln, Reis, Kokosnüsse, ananas (eine ganze Staude kostet 20 Pfg.! [Pfennig]), jede Mange Bananen, Gemüse und viele bei uns recht unbekannte Früchte: Chayote, Jiganea [Jackfruchtbaum], Yucca.

Wir werden gerade ein wenig gestört, es ist abends gegen 8 Uhr, wir sitzen im Hof der Herberge und es läuft eine Fußballübertragung Salvador gegen Haiti, und der Reporter spricht wie ein Maschinengewehr gleichzeitig, so schnell und so laut. Honduras hat sich gerade für die nächste Fußballweltmeisterschaft qualifiziert [Spanien 1982], zum ersten Mal überhaupt, und das ganze Land spricht nur noch vom Fußball, und uns Deutsche halten sie natürlich für Spezialisten für das Thema.

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Hotel California, La Ceiba, Honduras

Meine billige Uhr, die ich für 15 Mark gekauft hatte, habe ich schon in Mexiko verloren, als ich mich im Dschungel von Palenque ein wenig verlaufen hatte und viel geschwitzt hatte. Zum Glück hatte ich meine Kompaß dabei, man sieht nämlich nichts, weil die Bäume so hoch sind und am Boden alles voller Lianen und Gestrüpp ist, in das man alle naselang reinfällt. Aber wir haben noch den Reisewecker und eine Uhr braucht man sonst eigentlich nicht.

Eigentlich ist es jetzt schon Zeit, dir – Mama – zum Geburtstag zu gratulieren. Es geschehe hiermit also. Leider wird der Brief etwas zu früh ankommen aber später als ist unpassender. Ich hoffe, daß es euch gut geht und das wir bald etwas erfahren. Herzliche Grüße an alle, wir sind beim Kartenschreiben jetzt einmal herum. Grüße auch von Susanne.
Burkhard