Dangriga, revisited

dangriga

Das Foto habe ich 1981 gemacht, es zeigt die Kreuzung des Hummingbird Highway mit dem Southern Highway, nicht weit von Dangriga, formerly know as Stann Creek, in Belize, Mittelamerika. Der Southern Highway führt nach Punta Gorda. Heute scheinen da Felder rund um die Kreuzung zu sein.

Das Foto lässt mich irgendwie schmunzeln. Wir haben da den halben Tag verbracht, um zu trampen, zusammen mit einigen anderen Leuten, die alle mindestens viersprachig waren: Englisch sowieso, Patois, Spanisch, Garifuna, und einige Frauen sprachen Maya. Plautdietsch verstehen in Belize ja auch viele, aber die trampen nicht, sondern haben alle eigene Pickups.

Das erste Auto hat uns mitgenommen, aber das kam erst nach fünf oder sechs Stunden oder so. Heute wird es wohl anders sein, vermutlich haben sie jetzt Busse.

Dangriga

dangriga

Das Foto habe ich 1981 gemacht, es zeigt die Hauptstraße von Dangriga, formerly know as Stann Creek, in Belize, Mittelamerika. Dangriga ist ein bedeutender Ort der Garifuna.

Wildlife in Dangriga

BelizeBelize

Die Schildkröten werden an der Küste von Mittelamerika illegal gefangen und gefesselt liegen gelassen – sie sterben langsam und qualvoll nach mehreren Tagen. Die Fotos habe ich 1981 in Dangriga aka Stann Creek gemacht – der größten „Stadt“ der Garifuna in Belize.

Dangriga | Belize | Garifuna

Im Reiseteil der taz steht heute etwas über die Garifuna in Dangriga/Belize. Darüber habe ich im Januar 2007 gebloggt – samt Fotos.

Von Belize nach Honduras

Brief aus La Ceiba, Honduras

La Ceiba, Honduras, 19.11.81 [Dieser Brief gehört zeitlich vor den vom 09.12.1981 aus Managua.]

Liebe Eltern,
Bevor wir wieder in Gebiete ohne sichere Postverbindung fahren, ein kleines Briefchen. Wir sind jetzt an der Nordküste von Honduras, ungefähr in der Mitte, und werden am Samstag mit einem Schiffchen Richtung Osten nach Puerto Lempira fahren. Das liegt nahe and der Grenze zu Nicaragua, und dort gibt es eine Menge Unruhe zwischen den beiden Ländern. Wir wissen nicht, ob es an der Ostküste Nicaraguas Postverbindungen gibt und werden vielleicht erst in 3 Wochen in Managua schreiben.

Wir waren 2 Wochen in Belize, wo es uns bis jetzt am besten gefallen hat. Das ganze Land hat nur 160.000 Einwohner [mittlerweile rund 440.000], so viel wie Kreuzberg, und die Hauptstadt [Belmopan hat heute ca. 27.000 Einwohner] ist kleiner als Holzwickede [heute rund 17.000], die größte Stadt – Belize City [heute rund 63.000 Einwohner] – ist so groß wie Unna [rund 60.000 – aber unklar].

In Belize lebt ein richtiges Völkergemisch, größtenteils Schwarze (frühere Sklaven und Landarbeiter der Engländer), die Geschäfte haben die Chinesen in der Hand, dann gibt es noch Indios (Maya), Inder, die deutsche sprechenden Mennoniten, Spanisch sprechende Mestizen (Einwanderer aus Mexiko), Creolen mit eigener Sprache (Mischlinge aus Schwarzen, Weißen und Indern) und zuletzt Cariben, das sind Neger, die aber vor mehreren hundert Jahren sich mit den indianischen Ureinwohnern (die es jetzt nicht mehr gibt, nur Reste in Guyana) vermischt haben und die auch eine eigene Sprache haben. Wir sind getrampt und haben an einer Straßenkreuzung 4 Sprachen auf einmal gehört. In den Dörfern sieht es aus wie im Wilden Westen vor 150 Jahren, alles zweigeschossige Holzhäuser, unten die Kramläden, oben die Wohnungen – aber ihr werdet die Fotos ja sehen.

dangriga
Dangriga, Belize

Wir haben eine ziemlich gefährliche Situation hinter uns. Die Grenze zwischen Guatemala und Belize ist geschlossen. Wir waren im äußersten Süden von Belize und standen vor der Alternative, entweder wieder in den Norden zu fahren, um ein direktes Schiff von Belize City nach Honduras (unter Umgehung von Guatemala) zu bekommenm oder zu versuchen, die Grenze trotzdem zu überschreiten – es gibt keine Straße, nur Boote, von Punte Gorda in Belize nach Livingstone in Guatemala.

Wir wohnten in Punta Gorda bei einem Cariben-Eheppar, und der Mann hatte Beziehungen in Guatemala, weil die Schwarzen trotz der geschlossenen Grenze alles Mögliche hin- und herschmuggeln. Wir sind dann nachts um 3 heimlich mit unserem Gepäck und dem Mann in einen Einbaum gestiegen und nach Guatemala rüber.

border belize guatemala

Dort standen wir morgens am Strand und die Leute sagten uns, wir würden keinen Einreisestempel bekommen wegen der geschlossenen Grenze, zur Polizei dürften wir auch nicht gehen, die würden uns sofort verhaften. Der Mann, der uns rüber gebracht hatte, kannte zum Glück den „Beamten“, der normalerweise die Stempel ausgibt. Wir mußten ihn allerdings mit 30 DM bestechen, zum Glück hatten wir bare Dollar dabei.

Guatemala

Wie das Ganze abgelaufen ist, muß man erzählen, das ist zu kompliziert. Jedenfalls hatten wir endlich am Mittag den Stempel und haben uns beeilt, wieder aus Guatemala herauszukommen, weil das Land praktisch im Bürgerkrieg lebt – zwischen der Regierung und den Guerilleros und einige Gegenden zeimlich gefährlich sind, zum Glück nicht da, wo wir hinmußten. Vorgestern sind wir dann an der Grenze zu Honduras angekommen, wo auch an jeder Ecke eine Militärkontrolle steht, die alle Leute filzt. und gestern in einer 10-stündigen Bus-Gewalttour bis an die Atlantikküste gefahren, wo alles ein wenige entspannter ist.

Hier im Hotel können wir selbst kochen und wir freuen uns jeden Tag mehr, daß wir den kleinen Benzinofen mitgenommen haben, und außerdem ist es billiger, als immer in Restaurants zu essen. Wir haben schon wesentlich mehr Geld ausgegeben als geplant und müssen jetzt sehr sparen. Zum Glück wird es in Nicaragua und Costa Rica billger.

Wir werden unsere Reiseroute ein wenig ändern (nach heißen Diskussionen): Weihnachten feiner wir in San José, Costa Rica, fahren dann nach Panama City, den Kanal nach Norden nach Colon, von wo es Schiffe nach den kolumbianischen San-Andres-Inseln gibt (da war ich das letzte Mal mit Hartmut auch schon), von da aus fliegen wir ca. Neujahr nach Bogotá. Wir haben schon wieder jemanden getroffen, der im Norden von Kolumbien ausgeraubt worden ist, das wollen wir möglichst vermeiden. [Daraus wurde nichts, siehe unten.]

usb
Die Karte zeigt die Reiseroute, die ich 1982 geplant hatte. Meine damalige Lebensabschnittsgefährtin wollte dann aber doch nicht durchs Darien Gap (awesome story!) marschieren. (Ja! Zu Fuß und per Boot und nicht per Jeep! Das geht!) Wir sind (leider) von Panama nach Kolumbien geflogen. Ich weiß nicht, ob ich da jemals noch hinkomme. Allein würde ich das nicht machen, aber eine Lebensabschnittsgefährtin müsste schon sehr tough sein.

Von Europa haben wir seit ca. 4 Wochen keinen Ton mehr gehört, und das wird sich wohl erst in Nicaragua ändern. Es ist schon etwas komisch, wenn man hier nachts den Sternenhimmel betrachtet und die vertrauten Sternbilder, die ich eigentlich nur unbewußt oder ungefähr kenne, fehlen ganz oder stehen auf dem Kopf. Der Mond nimmt auf der anderen Seite zu und die Mondsichel hängt hier nach unten. Dafür kann man die Milchstraße sehr gut sehen.

Überhaupt ist das Wetter seit Mexiko ausnehmend freundlich, fast immer zwischen 25 und 30 Grad, ab und zu mal angenehm bedeckt. Es wäre vielleicht mal ganz nett, statt der ewigen Palmen, die wir mit einer Unterbrechung von ein paar Tagen seit 3 Wochen unentwegt sehen, mal eine anständige deutsche Eiche zu erblicken.

In Belize auf den Inseln sind wir morgens aufgestanden, an den Strand gegangen, haben uns eine nachts heruntergefallene Kokosnuß genommen, sie mit einer Machete geknackt und gegessen – wie im Film. Ein Frau auf der Insel, wo wir waren, sagte uns ganz wehmütig, sie möchte irgendwann in ihrem Leben einen richtigen Apfelbaum sehen, Es gibt in Belize zwar Äpfel, aber die werden aus Mexiko importiert.

Kokosnuss
Caye Caulker, Belize

Das Essen ist an der Atlantikküste von Mittelamerika im Gegensatz zu Südamerika ziemlich reichhaltig, ziemlich viel Fisch, Kartoffeln, Reis, Kokosnüsse, ananas (eine ganze Staude kostet 20 Pfg.! [Pfennig]), jede Mange Bananen, Gemüse und viele bei uns recht unbekannte Früchte: Chayote, Jiganea [Jackfruchtbaum], Yucca.

Wir werden gerade ein wenig gestört, es ist abends gegen 8 Uhr, wir sitzen im Hof der Herberge und es läuft eine Fußballübertragung Salvador gegen Haiti, und der Reporter spricht wie ein Maschinengewehr gleichzeitig, so schnell und so laut. Honduras hat sich gerade für die nächste Fußballweltmeisterschaft qualifiziert [Spanien 1982], zum ersten Mal überhaupt, und das ganze Land spricht nur noch vom Fußball, und uns Deutsche halten sie natürlich für Spezialisten für das Thema.

garifuna
Hotel California, La Ceiba, Honduras

Meine billige Uhr, die ich für 15 Mark gekauft hatte, habe ich schon in Mexiko verloren, als ich mich im Dschungel von Palenque ein wenig verlaufen hatte und viel geschwitzt hatte. Zum Glück hatte ich meine Kompaß dabei, man sieht nämlich nichts, weil die Bäume so hoch sind und am Boden alles voller Lianen und Gestrüpp ist, in das man alle naselang reinfällt. Aber wir haben noch den Reisewecker und eine Uhr braucht man sonst eigentlich nicht.

Eigentlich ist es jetzt schon Zeit, dir – Mama – zum Geburtstag zu gratulieren. Es geschehe hiermit also. Leider wird der Brief etwas zu früh ankommen aber später als ist unpassender. Ich hoffe, daß es euch gut geht und das wir bald etwas erfahren. Herzliche Grüße an alle, wir sind beim Kartenschreiben jetzt einmal herum. Grüße auch von Susanne.
Burkhard

Belize in Natural Colour

Garifuna dummer

Postkarte an meine Eltern von meiner 2. Reise nach Lateinamerika aus Belize.

Die Garifuna (Garifuna-Sprache „Yams­esser“, Plural Garinagu) sind ein Volk mit über 100.000 Angehörigen in Zentralamerika und den USA. Sie ging aus der Vereinigung ehemaliger Sklaven aus Westafrika und indigenen Kariben hervor, die ab dem 17. Jahrhundert auf der Karibikinsel St. Vincent stattfand.

Die Garifuna Drummer hatte ich schon 1979 live in Belize gesehen und gehört. dieses Foto („by Jack Wood“) wurde in Dangriga aka Stann Creek aufgenommen. Cubola Productions gibt es immer noch.

Garifuna dummer

Punta Gorda, revisited

Punta Gorda

Fotografiert in Punta Gorda, der südlichsten „Stadt“ in Belize. Der Ort wird vor allem von Garifuna bewohnt -(„with a mixture of Mopan and Kekchi Maya, Garifuna, Creoles, Lebanese, East Indian and Chinese peoples“) damals rund 3000 Einwohner, heute knapp 6000. Dorthin würde ich sofort wieder reisen. Dass meine damalige Freundin anscheinend missgestimmt guckt, ist vermutlich den Licht- und Mückenverhältnissen geschuldet.

Aus meinem Reisetagebuch, 15.11.1981:
…wir fragen uns durch nach Man Mans Five Stars Cooking Shop in der West Street, bezahlen sechs [Belize] Dollar für eine Hütte [vgl. Foto] mit Hängematte, Frühstück und dinner. Die Leute nennen sich Caribs, im Radio Garifuna, die Tocher spricht mit ihrer Freundin Creolisch. (…)

Wir verbringen den Abend in einem Schuppen, wo gerade die carib queen gekürt wird. Die drei Kandidatinnen tanzen langsam nach vorn auf die Bühne. Der Entertainer ruft aber seltsame Stimmzahlen aus, „6000 votes“ für eine [kann nicht stimmen, weil rund 300 Leute in dem „Lokal“ waren, darunter mit uns nur ein halbes Dutzend Weiße]. Die Band besteht aus 2 Trommeln und einem Mundharmonikaspieler, dessen Melodien (darunter Spanish Eyes) etwas verloren über dem Dum-dum schweben.

Ein paar englische Soldaten sind anwesend. Einer verwickelt uns in ein Gespräch. Wer erfahren, dass er vorher in Berlin-Spandau stationiert war und dorthin zurückkehren wird. Ein besoffener Ami erzählt uns von seinen weißen und schwarzen Kindern. Der Carib-Mann ist sehr besorgt um uns und warnte uns vor „schlechter Gesellschaft“.

Das Dorf [Punta Gorda] ist anders als Dangriga, sehr auseinandergezogen. Das Zentrum liegt an einem kleinen Markt, wo Eier und Obst und Fleisch verkauft werden, das meiste wahrscheinlich aus den umliegenden Dörfern. Wir sehen auch ein paar Maya-Frauen mit „Schador“. (…) Am Strand liegt eine zappelnde Schildkröte, die schon seit gestern da liegen soll…

Blue Hole

blue hole belize

Aus dem South America Handbook (1984):
Excursion: 13 miles from Belmopan along a bad road is the Blue Hole. This is a natural pool which lies about 100 ft. below the road. It can be reached by steps and swimmmg as possible. 2 miles SW of the Blue Hole are St. Hernan‘s Caves, which are magnificent (they are 1/2 mile off the road from the Blue Hote to Betmopan along a dirt track). A torch is essential; you can walk for more than half a mile underground.

Leider ist das Foto ein wenig unscharf. Fotografiert am 11.11.1982. Ich habe noch einmal überlegt. Es gab einen Widerspruch, den ich hiermit korrigiere: Von Belize City bis nach Dangriga sind wir getrampt, und der freundliche Fahrer, der uns mitnahm, zeigte uns das Blue Hole. Von Dangriga nach Punta Gorda versuchten wir zu trampen, gaben aber am frühen Nachmittag auf, weil gar kein Auto kam, und sind nach Dangriga zurück, weil am nächsten Tag ein Bus fuhr, den wir nahmen.

Caribbean feeling

belize city

Aus meinem Reisetagebuch, November 1981:
Belize City ist eine traumhafte Stadt, was koloniale Atmosphäre angeht. „Alle Welt“ trifft sich bei Mom’s Triangle*, dort ist die Informationsbörse. was Richtung Cays oder nach Honduras geht, obwohl da auch die Mode-Rastas rumhängen und alle mit dummen Sprüchen anmachen. Offenbar ist es ein besonderes Ritual, wenn sie einen nach dem Namen fragen: Man habe nicht genug „Energie“, wenn man ihn verrät. Zu Mom’s: Das Haus davor an der Ecke der Swing Bridge ist wohl abgebrannt [1979 war es noch da].

Wir bleiben bei Marin’s Travel Lodge (6 Craig Street, damals knapp 13 Dollar), sicher, absolut sauber, große Zimmer. Nebenan der Chinese Jane’s, sehr gut und extrem zuvorkommen, als wir um Chop Sticks bitten und damit essen.

dangrigadangrigaDangriga

Dangriga, früher: Stann Creek

Der Fahrer, der uns in Belize City mitgenommen hat, setzt uns an einem privaten Haus ab, das ein Gästezimmer hat. Die Ladies in unserer Pension sind wohl teilweise indischer Herkunft und tragen mindestens zehn Ringe an den Fingern. Überall liegt Literatur der Zeugen Jehovas herum.

(…) Nachts gehen wir in eine Reggae-Bar, wo besoffenen Typen herumhängen und andere nur Wasser trinken. Das Mennoniten-Haus ist in der Front Street. Die Straßen sehen aus wie im Wilden Westen. Viele kreolisch-chinesische Namen an den Geschäften. Die Läden wie aus dem Bilderbuch: der zahnlose chinesische Opa, der hinter einem Tischchen steht und Lose einer Lotterie verkauft (was sehr viel tun), die dicken Mamis, die hüftschwingend zum Einkaufen gehen, eine sogar mit Pudelmütze – bei der Hitze!

Abends Kino. Der Mond geht blutrot auf (Foto), ein Ami-Scheiß über „Abenteuer nach dem 3. Weltkrieg“. Bei Action-Szenen freuen sich die Leute oder wenn irgendjemandem etwas passiert, die meisten werden sich wohl kaum etwas dabei denken.

Seltsamerweise hält der Bus nach Punta Gorda nicht vor dem Bus-Terminal. Er kommt kurz nach elf und ist noch nicht einmal voll, was für Mexiko undenkbar wäre. Die Strecke ist mörderisch. wir fahren über Georgetown Junction und Mango Creek, dann über Big Falls nach Punta Gorda. Sehr viele mit Schilf gedeckte Hütten, meistens Maya, einige Frauen laufen sogar barbusig herum. Zahllose Sekten-Kirchen, wohl nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, missioniert zuerst.
_________________________________________________________
* Es gibt sogar ein Foto der damaligen Inhaberin auf Facebook.

The People of Belize

People of Belize

Mango Creek, in der Nähe von Dangriga, formerly know as Stann Creek, in Belize, Mittelamerika (1981). Dangriga ist ein bedeutender Ort der Garifuna.

Missions and Charities

dangriga

Ein typisches Haus in Dangriga, formerly know as Stann Creek, in Belize, Mittelamerika. Dangriga ist ein bedeutender Ort der Garifuna. Das Foto habe ich 1981 gemacht.

Traum in der Sierra

Ventura García CalderónGerade las ich bei Don Alphonso den Satz: „Es ist erlösend, etwas zu lesen, das keiner kennt und von dem keiner spricht.“ Ich schaute kurz in meine Bibliothek und griff spontan ein schmales Bändchen mit Kurzgeschichten heraus (erschienen 1955, bekommt man für 10 Cent gebraucht bei Amazon), das ich schon zahllose Male gelesen habe, immer wieder mit großem Gewinn.

Der peruanische Diplomat und Schriftsteller Ventura García Calderón (1886-1959) ist so unbekannt, dass es noch nicht einmal einen englischen Wikipedia-Eintrag über ihn gibt, geschweige denn einen deutschen.

Algunos (sobre todo los iniciales) son de ambiente cosmopolita y carácter decadente. La mayoría, sin embargo fueron ambientados en el Perú y sobre todo en la región andina, inspirados en sus viajes a las regiones de su país.

Gabriel García Márquez gilt als südamerikanischer Vertreter des magischen Realismus, aber Calderon konnte das schon lange – und genau so gut. Als Leser, der das Land, über das Calderón schrieb, gut kennt, schmunzelt man oft, aber manchmal stehen einem auch die Haare zu Berge, ähnlich wie bei B. Traven. Traven gehört übrigens zum Bildungskanon – wer „Das Totenschiff“ noch nicht gelesen hat, sollte das schleunigst nachholen, auf die Gefahr hin, dass man dann auch alle anderen Bücher von ihm lesen will.

Calderóns Geschichte „Wie unklug, ein Arzt zu sein“, beginnt so:
Zehn Stunden auf den Felsenwegen der Anden unter den akrobatischen Kunststücken der Kondore, zehn Stunden im Sattel durch die Berge Perus: da haben Sie das wirksamste Mittel gegen Schlaflosigkeit.

Kann ich bestätigen – ich würde nur „im Sattel“ durch „in einem ehemaligen Schulbus“ ersetzen. Und es können auch gern 24 Stunden sein.

Oder aus „Die sieben Phantome“:
So, das klingt Ihnen unwahrscheinlich? Mein Lieber, dergleichen erfindet man nicht, und es ist absolute Tatsache, daß wir, der General Arcada und ich, eine ganze meuternde Kaserne genommen haben, um zehn Uhr abends, bekleidet mit Pantoffeln und Pyjamas, wobei die rechte Hand den Revolver und die linke einen Regenschirm hielt, denn vom Himmel prasselte einer dieser urplötzlichen tropischen Wolkenbrüche, die schlimmer sind als Kugeln.

Oder aus „Schildkrötensuppe“:
Eine Schildkröte, die nichts vom Tode wissen will, zu töten, ist wahrlich nicht leicht.

Wer wollte da nicht weiterlesen?

Geistiger Dünnschiss und Gülle in Mogelpackung

Cybergirls

Ein sehr geschätzer Kollege (keine Ironie!) schrieb mir heute morgen: „als Blogger bist Du ja noch so einigermaßen zu ertragen. Aber Deine derzeitige ‚Second Life Märchenstunde‘ ist mal ganz diplomatisch ausgedrückt geistiger Dünnschiss. Und da wunderst Du Dich noch, dass Dir diese Gülle keiner abgekauft hat.“

Recht hat er – aber keine Ahnung. Text und Fotos sind nicht besser oder schlechter als andere Fotostrecken, Bilderserien und pseudojournalistische Berichte über die „Gesellschaft“ in anderen großen Medien, die bekanntlich allesamt nur für die Klickraten gedacht sind. Und halt: Meine Fotos aus Second Life sind erheblich besser als die, die man zur Zeit auf deutschen Websitea finden kann. Man schaue sich nur die grottenmäßigen und statischen Fotos bei der Süddeutschen an, die ein nettes Interview mit Second-Life-Gründer Philip Rosedale illustrieren sollen. Ja, ich hatte irrig gedacht, originelle Bilder würden jemanden interessieren. Aber weit gefehlt: Stattdessen kommt immer Mogelpackung in 3D in Telepolis über ExitReality, eine 3D-Erweiterung für enen Browser. Das Thema wurde auf Burks‘ Blog schon im September behandelt. Taglinger formuliert über „Second Life, der müden Stehparty, die viel verspricht, aber wenig hergibt.“ Lieber Kollege, du hast keinen blassen Schimmer (und vermutlich auch keinen Avatar, der länger als zehn Minuten inworld war).

Nehmen wir einmal zur pädagogisch wertvollen Erläuterung die Entwicklung des World Wide Web: Wer hat es vorangetrieben? Wer hat die fortgeschrittensten und gleichzeitig fiesesten Features eingesetzt? Wer hat zuerst Nutzer ausgespäht und den Boden für die Kommerzialisierung bereitet? Wer ist immer die technsiche Avantgarde gewesen, wenn es um Kopfkino geht? Richtig – im bigotten Mediendiskurs Deutschland will es niemand so recht aussprechen, aber jeder weiß es: Die Porno-Industrie. Wer sich bei diesem Thema in Second Life nicht auskennt, sollte sich einfach ruhig in den Wohnzimmersessel setzen und ein Jahr lang die Klappe halten.

Warum ein Jahr? Ganz einfach: Weil ich hier und heute einen neuen Medienhype über Second Life im Frühjahr 2010 prophezeie. Ihr könnt mich gern darauf ansprechen, wenn ich bis dahin nicht nach Santa Marta (Landschaft, Geschichte, schöne Frauen, Musik), Dangriga (Karibik, Musik), Tarabuco (Landschaft, Indios), nach Puerto Ayacucho (Urwald, schöne Frauen) oder nach Coro (Architektur, schöne Frauen, Geschichte, Musik und Tanz, Politik) ausgewandert bin, weil ich das hiesige Gefasel einfach nicht mehr ausstehen kann. Aber ich schweife ab.

Im Herbst 2009 kommt der nächste technische Spring in Second Life. Wer etwas davon im Beta-Stadium sehen will, schaue sich bei YouTube „Second Life 2.0“ an oder „Battle Tech 2.0“ (Sound nicht vergessen!). Avatare und Ambiente werden dann fast fotorealistisch sein. Einen ersten Eindruck soll auch der obige Screenshot eines schwedischen Künstlers mit dem Pseudonym „Master Epsilon“ verschaffen. Ich habe mit ihm von Avatar zu Avatar gechattet: Seine (hier nicht, aber in Second Life schon) pornografischen Fotos von Avataren, die es live so erst in einem Jahr geben wird, sind nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch sehr anspruchsvoll. Wer von einer „müden Stehparty“ redet, hat auch heute schon einfach nicht hingeschaut und vor allem – weil es in Second Life primär um Kommunkation geht – nicht hingehört.