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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Verfasst am:
21.05.2005, 01:32 |
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| | | | | | DAS BILD DES TAGES | | Caracas bei Nacht © BurkS | | |
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| LATINOBLOG 30: BOLIVIEN 4 Ungerade ins HochlandVon Burkhard Schröder | Aus meinem Reisetagenbuch:
Wir haben es geschafft. Unter schier unbeschreiblichen Umständen. Noch eine Woche warten in Chivé, im Dorf der Kautschuksammler, bis endlich ein Schiff kommt, eher ein Lastkahn, der die Rollen mit dem Rohgummi aufnimmt - und auch uns, den Rio Madre des Dios stromaufwärts, nach Peru. Am letzten Tag kam der Sur, wie ihn die Einheimischen nennen, der "Südwind". Die Temperatur sank in zwei Stunden um rund 15 Grad, von 40 auf 25, was uns vorkommt, als seien wir in der Arktis gelandet. Dazu ein Sturm und ein Regenguss wie aus Eimern. Man sagt uns zum Abschied, dass nur alle paar Jahre ein Gringo in Chivé auftauchte und dass die meisten Kautschuksammler noch nie mit Ausländern geredet hätten.
Das Schiff erreicht die peruanische Grenze mitten in der Nacht. Stolpern durch den Schlamm zu einer Bretterbude: Passkontrolle. Wir sind irgendwie die Sensation des Jahres, aber in keiner leutseligen Stimmung.
Wir liegen auf den Kautschuk-Säcken, meine Begleiterin hat schweren Schüttelfrost. Ich kann kaum schlafen, die Moskitostiche jucken. Alles ist feucht und stinkt nach Schweiß. Am Morgen fühlen wir uns etwas besser, aber wie durch den Wolf gedreht.
Immer wieder winzige Siedlungen am Ufer. Die Strömung wird so stark, dass unser Kahn zeitweilig auf der Stelle "tritt" oder sogar rückwärts treibt. Er liegt so tief im Wasser, dass die Spitzen der Bugwellen ins Schiff schlagen. Die Hängematten können wir auch nicht aufhängen, weil alles bis zum letzten Quadratzentimeter voll mit Säcken ist.
Irgendwann, endlich, nach acht Wochen Dschungel, taucht Puerto Maldonado auf mit seinem weithin sichtbaren Wasserturm. Wir nehmen jeweils ein Mofa-Taxi. Mein Fahrer ist so schüchtern, dass er kein Wort herausbringt.
Nur wer einmal eine ausgedehnte Hardcore-Urwaldtour auf eigene Faust gemacht hat, kann verstehen, wie köstlich dann ein Essen in einem einfachen Restaurant schmeckt (Bild obere Reihe rechts). Unsere Pension ist relativ sauber, und die erste Nacht nach langer Zeit in einem richtigen Bett ist herrlich.
Meine Begleiterin hat hohes Fieber und Magenkrämpfe. Wir müssen einen Arzt suchen. Ich rase mit einem Mopedtaxi quer durch die Stadt und frage mich durch. Es gibt ein Centro Medico. Natürlich warten wir Stunden. Der Arzt schickt mich mit einem Zettel los, um die nötigen Spritzen und Medikamente zu kaufen. Meine Begleiterin erzählt später, der Doktor beschränke sich im wesentlichen darauf, den Patienten gut zuzureden und Händchen zu halten, alles sei extrem prüde und die hygienischen Verhältnisse grauenhaft. Aber es hilft. Vielleicht sind wir auch nur ziemlich erschöpft.
| | | | | | Wir wollen ins Hochland, nach Cuzco, das sind rund 3300 Meter Höhenunterschied auf ein paar Hundert Kilometer. Wir warten früh am Morgen an einer Straßenkreuzung, Busse gibt es nicht. Am Nachmittag kommt ein LKW, der uns mitnimmt, wir laden aber bis spät in die Nacht an jeder Hütte gescnittenes Holz auf, das die Siedler verkaufen.
Es gibt nur eine Schotterstraße, auf der LKWs fahren, die Holz aus dem Urwald zum Altiplano bringen. Meistens können sie einander nicht ausweichen, so dass an den Engpässen die Regel gilt; an geraden Tagen darf man nur bergab, an ungeraden nur bergauf fahren. natürlich hält sich in Peru niemand an Regeln. Der Polizeiposten bekommt zwei lange Bretter vor die Schwelle geworfen - Holz ist hier kostbar -, man ist zufrieden, weil der Wegzoll gezahlt wurde, und winkt den LKW durch.
Ungefähr bei Kilometer 140 kann man in der Ferne kurz schneebedeckte Berge sehen. die ersten Auskäufer der Anden: die Straße schraubt sich in Serpentinen hoch. Ein letzter Blick von oben, wie aus einem Flugzeug, auf das grüne Meer. Unendliche Kurven. Die Vegetation wird artenreicher, wir durchqueren am zweiten Tag die gemäßigte Klimazone - die Yungas. Immer wieder halsbrecherische Manöver, wenn uns ein Lastwagen entgegenkommt und es um Zentimeter geht. die ersten beiden Nächte auf dem LKW sind erträglich, obwohl wir uns die Ladefläche mit anderen Passagieren teilen müssen und der Benzinkaster stinkt, als sei er leck.
In der dritten Nacht durchqueren wir die Kordilleren, wir müssen über 4000 Meter sein. Es ist stockdunkel und schneidend kalt. Wir frieren trotz Pullover und Wollmütze. Beim Morgengrauen ein atemberaubendes Bild: der LKW hält in einem winzigen Dorf mit ärmlichen und schiefen Hütten. Aber ringsum schneebedeckte Bergriesen, die Sechstausender der peruanischen Anden! Ein Reiter galoppiert ohne Sattel durchs Dorf, dick vermummt mit Poncho und Schal; zwei Bauern gehen mit Werkzeug für die Feldarbeit vorbei. Ich grüße sie in meinem holprigen Quechua, und sie lachen sich kaputt.
In Ocongate frühstücken wir auf einer quadratischen kleine Plaza samt Markt. Heiße Suppe, Brot, Schokolade! Hier ist der Ausgangspunkt für das legendäre Q'oyllur Riti, der wichtigste nicht-christliche religiöse Ritus, der in Peru noch lebendig ist.
Wir passieren Ccatcca mit seinem fast mittelalterlichen Stadtor. Dann quält sich unser LKW hoch und höher, die Vegetation wird wieder karg. In der Ferne glitzern die Kordilleren, und wir überqueren mehrere Pässe. Cuzco, die Stadt der Inkas!
Für mich ist es das zweite Mal. Ich bin froh, dass wir nicht lange eine billige Pension suchen müssen, sondern die bekannte Herberge in der Straße des Tigers nehmen können. Von der kleinen Dachterasse, die für die Wäsche gedacht ist, hat man einen wunderschönen Blick über die ganze Stadt.
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