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Dieser Artikel
erschien im
Rheinischen Merkur
Ausgabe 19/98
.Denn sie wissen nicht, was sie wählen...
  - Schlichtes Weltbild: Die Botschaften der Frey-Partei enthalten primitiven Rassismus. Eigentlich kann das keiner mißverstehen.

Die Botschaft der Deutschen Volksunion in Sachsen-Anhalt war einfach und eingängig: Arbeit zuerst für Deutsche! Es darf bezweifelt werden, daß ihre Wähler überwiegend Protestwähler sind, auch wenn die Sprecher aller demokratischen Parteien reflexartig das Gegenteil behaupten. Wenn ein Engländer arbeitslos wird, geht er angeln, hat ein Deutscher keine Arbeit, wird er Rechtsextremist?
  Der Wunsch, daß die DVU-Wähler nur "protestiert" hätten, wird durch Fakten nicht untermauert. "Protest" hieße: Der Wähler wisse weder, was er wähle, noch sei seine Entscheidung langfristig ernst zu nehmen. Beides trifft nicht zu: Seit Monaten sagen Umfrageergebnisse in allen neuen Bundesländern, daß - vor allem bei Jugendlichen - rassistische und antisemitische Einstellungen signifikant häufiger zu beobachten sind als im Westen. Die Hälfte aller Ostdeutschen glaubt, daß Einwanderer ihnen die Arbeitsplätze wegnähmen.

"Arbeit nur für Deutsche"

  Wer sein Kreuzchen bei der DVU machte, entschied sich bewußt für eine offen rassistische Losung. Der kleine Unterschied zum Westen: "Arbeit nur für Deutsche" gilt im Osten nicht als rechtsextreme Stammtisch-Parole, sondern ist gesellschaftlich hoffähig, weil mehr oder minder Konsens.
  Die DVU erntete, was andere gesät haben. Wenn die NPD angetreten wäre die in Sachsen in einigen Regionen mehr Mitglieder hat als die demokratischen Parteien , hätte sie ein vergleichbares Ergebnis eingeheimst. Die DVU kann in Sachsen-Anhalt nur auf weniger als fünfzig aktive Mitglieder zählen von insgesamt rund 20000. Dennoch: Sie wurde wegen ihrer Parolen gewählt, nicht wegen ihres Parteichefs oder ihrer völlig unbekannten Kandidaten.
  Gerhard Frey, geboren im Jahr der Machtergreifung Hitlers, ist seit über vierzig Jahren umtriebiger Rechtsextremist. Der gelernte Jurist startete seine Karriere als Mitarbeiter der "Deutschen Soldaten-Zeitung". Als das Blatt kurz vor dem Aus stand, kaufte er es auf und nannte es "National-Zeitung". Die ist seit Ende der fünfziger Jahre Leib-und-Magen-Blatt eingefleischter Antisemiten und alter Kameraden. Frey rühmte sich enger und freundschaftlicher Kontakte zu Reinhard Gehlen, dem ersten Chef des Bundesnachrichtendienstes. 1982 verlieh Frey dem Fliegeroberst und umtriebigen Altnazi Hans-Ulrich Rudel einen "Europäischen Friedenspreis" und stiftete einen "Ehrenbund Rudel".
  Mit der schärfsten Konkurrenz im rechtsextremistischen Lager, der NPD, verbindet ihn eine Art Haßliebe. In den sechziger Jahren unterstützte Frey die NPD bei Landtagswahlen, gründete aber schon 1971 vorsorglich die Deutsche Volksunion als Sammlungsbewegung diverser rechtsextremistischer Kleingruppen. Wenig später versuchte er, in den NPD-Bundesvorstand aufzurücken. Als das nicht gelang, trat er aus und widmete sich seiner eigenen Partei. 1987 kam es zur erneuten Zusammenarbeit mit dem damaligen NPD-Vorsitzenden Martin Mußgnug. Frey gründete die Wahlpartei "Deutsche Volksunion - Liste D". Der Zusatz "Liste D" fiel später weg. 1988 zahlte Frey der NPD eine Million Mark, um sie zu bewegen, auf die Teilnahme an der Europawahl zu verzichten.


Bücher und Videos

  Die DVU ist nur ein Teil des diversifizierten weltanschaulichen Angebots und wird flankiert von einem verschachtelten publizistischen Imperium, unter anderem dem Medienkonzern "Druckschriften- und Zeitungsverlag GmbH". Geschätzte Gesamtauflage seines Schrifttums: knapp 200000 Exemplare. Frey bedient seine heterogene Klientel mit einem jeweils passend zugeschnittenen Angebot: Bücher und Videos über den Zweiten Weltkrieg, NS-Devotionalien, Fahnen und Diskussionszirkel jeder Art: von der "Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" über die "Volksbewegung für Generalamnestie" bis zur "Initiative zur Ausländerbegrenzung". Frey rühmt sich seiner Männerfreundschaft zum russischen Rechtsextremisten Wladimir Schirinowskij den er als Gastredner für die alljährliche Großveranstaltung der DVU in Passau gewann, dessen Schriften er verlegte und mit dem er, zunächst nur auf Papier, Europa neu aufteilte.
  Unstrittig ist die DVU eine antidemokratische Partei, die Rassismus predigt und deren zentrales Anliegen antisemitische Verschwörungstheorien sind. 1992 fand sich in der "National-Zeitung" ein Foto orthodoxer Juden mit der Überschrift: "Wer hat in Deutschland das Sagen?" Die DVU fordert, alle Nazi-Verbrecher zu rehabilitieren, sie fordert den "Anschluß" von Österreich und Südtirol, sie fordert, die Gewerkschaften zu entmachten. Der Verfassungsschutz attestierte Frey die "systematische Verharmlosung der menschenverachtenden Politik des NS-Unrechtsstaates".
  Freys Methode, auf Stimmenfang zu gehen, ist primitiv, aber wirkungsvoll: Klotzen statt Kleckern. Schon 1989 ließ er 28 Millionen Postwurfsendungen mit rassistischem und fremdenfeindlichem Inhalt an alle Haushalte verteilen. Moderne Marketing-Methoden hat er anderen rechtsextremistischen Gruppen voraus. Dort, wo die DVU in die Landtage einzog - 1991 in Bremen und 1992 in Schleswig-Holstein , blamierte sie sich jedoch bis auf die Knochen. Die rechtsextremen Abgeordneten konnten kaum einen Satz von sich geben, ohne die Erlaubnis aus der Münchener Zentrale einzuholen, zerstritten sich, eine geregelte Fraktionsarbeit fand nicht statt, finanzielle Unregelmäßigkeiten waren an der Tagesordnung. Das hat die Wähler aber weder in Bremen noch in Schleswig-Holstein, noch in Sachsen-Anhalt interessiert.
  Die DVU hat das Potential des rechtsextremen Milieus im Osten voll ausschöpfen können. Rechte Gruppen ohne feste Bindung an eine Partei agieren in manchen Regionen, vor allem in Kleinstädten und Neubausiedlungen, fast ungehindert, ohne eine linke Konkurrenz. Sie kontrollieren die Sozialisation der Jugend, mangels Angebot von anderer Seite, bestimmten den Musikgeschmack, die Ikonen der Subkulturen. Die wenigen organisierten Neonazis können das rebellische Potential der Jugend organisieren.
  Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Auch die Jungen im Osten wollen den Sozialismus, wie manche der PDS-wählenden Eltern - aber einen "nationalen Sozialismus". Die NPD agiert mit Parolen wie "Sozialismus ist machbar". Davon hat Frey nur abgeschrieben. Aber seine Person und Präsenz vor Ort würde die Klientel abschrecken. Der Verleger und Multimillionär Gerhard Frey verkörpert kaum glaubwürdig den Anwalt der Arbeitslosen und Benachteiligten: Er ist steinreicher Hausbesitzer in München und Berlin. Seine Gegner nennen ihn schlicht "Miethai".


Symbolträchtige Märsche

  Der Sog des Erfolges wird die noch real existierenden rechten Kleinstparteien im Osten zugunsten der DVU in die Defensive drängen. Im thüringischen Arnstadt trat schon vor einiger Zeit ein früherer DSU-Abgeordneter zu Freys Wahlverein über. In Sachsen hatte die Partei 1992 fast 1000 Mitglieder, die weniger durch Parteiarbeit vor Ort, sondern vor allem durch Zeitungen und sonstiges Propagandamaterial geworben worden waren.
  Diese, zumeist jüngere Neonazis und Skinheads, liefen nun freilich mehrheitlich zur NPD über. Dieses Potential könnte die DVU reaktivieren, wenn die NPD es im Osten Deutschlands nicht schafft, auf kommunaler Ebene einen Achtungserfolg zu erringen oder mit symbolträchtigen Aufmärschen - wie dem am 1. Mai in Leipzig - die Mitläufer zu motivieren.
  Die gute Nachricht: Die Wahl in Sachsen-Anhalt zeigt, daß sich die politische Situation "normalisiert" und an den Westen angeglichen hat. Das Wahlergebnis, knapp 13 Prozent für eine offen rassistische und antisemitische Partei, entspricht exakt den Aussagen der berühmten Sinus-Studie aus dem Jahr 1981. Die bescheinigte damals 13 Prozent der Westdeutschen ein rechtsextremistisches Weltbild. Die Zahl der Rechtsextremisten hat nicht zugenommen, sie ist in Gesamtdeutschland gleichgeblieben. Nur: Die trauen sich, offen zu agieren und zu handeln - jetzt auch in den neuen Bundesländern , in dem Gefühl, ihre Einstellung sei gesellschaftlich hoffähig. Das ist die eigentliche Ursache des Wahlerfolgs der DVU.
  Die schlechte Nachricht: Auch die NSDAP war eine Protestpartei.

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