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Dieser Kommentar
erschien leicht gekürzt
in der TAZ vom 2. 5. 98
.Gewendete Kapitalismuskritik
  - Die NPD stellt die soziale Frage und meint dabei Rassismus
Konkurrenz belebt das Geschäft. Die DVU ließ den Osten braun wählen. Die NPD ließ den braunen Osten in Leipzig demonstrieren. Die größte Neonazi-Demonstration nach dem Krieg, organisiert von einer legalen Partei, deren Mitglieder den Sozialismus propagieren, aber einen nationalen. "Arbeit zuerst für Deutsche" - übersetzt: Keine Arbeit für Einwanderer - ist in den neuen Bundesländern keine rassistische Parole, sondern gesellschaftlicher Konsens. Der nationale Sozialismus kommt an, offenbar besonders in Sachsen, wo die NPD mehr Mitglieder hat als die demokratischen Parteien.

Der Tag der Arbeit hat für die Ultrarechte, will sie im Osten Punkte sammeln, eine besondere Bedeutung, mehr als der sogenannte "Rudolf-Heß-Marsch": Die Neonazis wollen ein Ritual in ihrem Sinne besetzen, das bisher synonym für die Gewerkschaften stand. Gelänge das, würde das ihre Forderungen aus dem Dunstkreis marginaliserter Randgruppen in den Mainstream katapultieren. Die Rechte wird erst dann gefährlich, wenn es ihr gelingt, die soziale Frage zu stellen. Das scheint in den neuen Bundesländern zu funktionieren: Die Neonazis verkörpern für die Jung-Wähler die Kapitalismus-Kritik, sie lösen den Gefühlsstau gegen "das System" auf.

Die NPD brauchte den Erfolg einer Massendemonstration dringend, will sie bei den anstehenden Kommunalwahlen im Frühjahr ihre politische Basis erweitern. Sie kann dem Sog des DVU-Wahlerfolgs nur medial wirksame Inszenierungen entgegensetzen, um die Mitglieder langfristig zu motivieren. Die NPD ist die erste gesamtdeutsche Partei, deren Basis im Osten liegt und deren Aktivisten dort wie die Fische im Wasser schwimmen.

Die Leipziger Randale, von den rechten Strategen heiß herbeigewünscht, überschattet die Gewerkschafts-Demonstrationen. Randale heißt: Die Anderen sind die Chaoten, wir verkörpern die braven Bürger. Wir bieten unserem prügelnden Jungvolk Action und Thrill. Wir zwingen die verhaßte Polizei und den verhaßten Staat, uns zu schützen.

DVU-Chef Gerhard Frey und die Führung der NPD marschieren getrennt, kommen aber gemeinsam zum Ziel. Das heißt: Wir sind nicht die bösen Nazis, wir verkörpern den Protest. Die Mehrzahl derjenigen, die sich zu den Ursachen des Neonazi-Wahlerfolges äußern, fällt auf diese Strategie herein. Ein Nazi ist nicht, wer einen eckigen Oberlippenbart hat und das NSDAP-Parteiprogramm auswenig kann. Ein Nazi ist nicht, wer keine Haare hat, als Hobby Koma-Saufen und Afrodeutsche verprügelt. Ein Nazi ist, wer Nazis wie Gerhard Frey oder die Nationaldemokraten wählt. Und ein Dummkopf ist, wer nicht merkt, daß das zentrale Anliegen der Ultrarechten nicht die soziale Frage, sondern Rassismus und Antisemitismus sind. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihre Geschichtsbücher.

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