Totalitarismus-Hetze in neuer Dimension

Was lesen wir in Welt Online? „Linksextreme Gewalttaten in neuer Dimension“. Nun mal langsam. Diese Art von Statitik ist natürlich wenig aussagekräftig und zudem Propaganda des Innenministeriums mit spezieller Interessenlage. Wer diesen Quatsch unkritisch widerkäut wie Welt Online und natürlich die Bild-Zeitung, suggeriert ein politisches Weltbild (!), das aus der Zeit des Kalten Krieges stammt.

Die Totalitarismus-Doktrin ist bekanntlich die heimliche Staatslehre des Bundesrepublik und die Lebenslüge der CDU und lautet verkürzt: Rot gleich Braun, Auschwitz gleich Bautzen, Stalin gleich Hitler. In einer Presseerklärung des brandenburgischen Innenministeriums vor fünf Jahren hieß das dann so: „Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung wird nicht toleriert. Das gilt für Gewalt von rechtsaußen wie von linksaußen gleichermaßen. Wir werden den Kampf gegen den Extremismus in diesem Land mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln weiter konsequent führen.“ Quod erat demonstrandum.

Auf diesem Niveau berichtet Welt Online. „Besonders stark gestiegen sei die Zahl linksextremistischer Straftaten“ – das muss man dann in der Überschrift herausbrüllen, damit niemand mehr die folgenden Sätze liest: „Insgesamt sind dem Bericht zufolge rechtsradikal motivierte Taten aber weiterhin mehr als doppelt so häufig.“

Was zum Teufel ist eigentlich „Extremismus“? Bevor mir das nicht jemand erklärt, ohne auf die Moraltheologie des „Freiheitlich-Demokratischen“ – aka Neusprech für: Kapitalismus – zurückzugreifen, gibt es dazu gar nichts zu sagen.




Zensur heisst jetzt Access-Blocking

Dorothee Bär (CS) will nicht nur (die real gar nicht anonym existierenden Websites mit) Kinderpornografie pseudo-„sperren“, sondern auch politisch missliebige Websites. Bär ist Sprecherin der CDU/CSU im Deutschen Bundestag für “Neue Medien”,

Die Junge Union hat ein Debatten-Heft herausgebracht zum Thema “Herausforderung politischer Extremismus: Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken.” (Da haben wir wieder die Totalitarismus-Doktrin: extrem links, extrem rechts, extrem islamistisch – alles irgendwie egal.)

Zitat: Gegen „Online-Rekrutierung und virtueller Terrorschulung“ könnten „die modernen Repressionsmöglichkeiten unserer Informationsgesellschaft weitreichend genutzt werden. So können bspw. durch das im Kampf gegen Kinderpornographie bereits erfolgreich angewendete sog. ‚Access-Blocking‘ auch Erfolge im Kampf gegen Islamisten erzielt werden.“ Was, bitte schön, wurde bisher erfolgreich angewendet? Will uns da jemand eine Bärin aufbinden?

Die Junge Union hat klammheimlich ein sozialistisches Weltbild: „Der Online-Markt für terroristische Aktivitäten muss ausgedörrt werden.“ Das Angebot soll also künstlich verknappt werden. Im ersten Semester BWL lernt man, dass die Nachfrage dann nicht automatisch weniger wird – nein, das Gegenteil ist der Fall. Dieser naive Versuch, den Markt zu beeinflussen, funktioniert noch nicht einmal in der Planwirtschaft.

Was sind das doch für Dumpfbacken….[via netzpolitik.org]




Mein neunter November oder: Als ich einmal über die Mauer kletterte

Über meinen privaten Helden Georg Elser muss ich den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser nichts erzählen. Elser war ein guter Terrorist. Er hat acht Menschen getötet, und ich verehre ihn.

Man muss nur Wikipedia lesen, um die offizielle staatliche Heuchelei um Elser einordnen zu können: „Der Chemnitzer Politologe Lothar Fritze, Mitarbeiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT), sprach 1998 in seiner Antrittsvorlesung Elser das moralische Recht ab, als Schreiner und Einzelgänger ein Attentat auf Hitler zu verüben und dabei den Tod von Unschuldigen in Kauf zu nehmen.“ Ich spreche Elser das moralische Recht zu, basta.

Nicht zu vergessen: Die Totalitarismus-Doktrin (Rot gleich Braun, Hitler gleich Stalinl, Bautzen gleich Auschwitz, KPD gleich NSDAP) ist immer noch die heimliche Staatslehre und wird bei jeder Gelegenheit („gegen Extremismus“) hervorgeholt. Sogar die Piraten haben diesen begrifflichen Quatsch („Mangelnde Kommunikationsmöglichkeiten begünstigen totalitäre Systeme“) in ihre Programm aufgenommen.

Da ich über meinen ganz privaten neunten November schon vor fünf Jahren gebloggt habe, zitiere ich heute einfach mein damaliges Posting:

Revolutionen haben viele Vorteile, aber immer einen gravierenden Nachteil: Wer an einer teilnimmt, merkt es kaum. Am 9. November 1989 war alles wie immer in Kreuzberg. Abendessen am großen Tisch der Wohngemeinschaft, schon wieder irgendwelche fremden Leute zu Besuch, die Fabrikeetage im ehemals größten Getreidespeicher Europas bedurfte dringend einer Putzkolonne, wieso wäscht wieder niemand ab? Der Blick aus dem vierten Stock (roter Pfeil) schweifte über die Oberbaumbrücke. Drüben waren die Ossis, die damals noch nicht so hießen, sondern „Bürger der DDR“. Die Brücke durften nur Fußgänger passieren, die Bewohner der „selbständigen politischen Einheit Westberlin„. Die Einheit war gar nicht selbständig, sondern hing am finanziellen Tropf.

Kurz nach Mitternacht rüttelte jemand an meiner Schulter und schreckte mich aus dem Schlaf. „Die Mauer ist auf.“ – „Du spinnst. So ein Quatsch.“ – „Doch! Schau doch aus dem Fenster! Die kommen alle rüber!“ In der Tat – da liefen zahlreiche Menschen gen Westen. Also raus aus den Federn. Die anderen sind schon zum Brandenburger Tor. Rein in die Hosen, rein ins Auto, ab zur Mauer. Da stehen sie zu Tausenden oder sitzen gar auf der Mauer. Meine Mitbewohnerin und ich tun es ihnen gleich. Wie sind offenbar schon zu spät dran, der Platz vor dem Tor ist leergefegt, obwohl die West-Berliner die Mauerkrone dicht besetzt halten, die Fuße baumeln lassen und durcheinander schreien.

Wir schauten uns nur kurz an, nickten, und sprangen hinunter. Zögernd, mit kleinen Schritte, wie jemand, der von einer Lähmung genesen ist, tappten wir bis unter das Tor, schauten ungläubig nach oben. Auf der anderen Seite waren Schutzgitter, dahinter drängten sich auch die Volksmassen und winkten und riefen nach Westen. Irgendwie fühlten wir uns in Gefahr. Warum schießt keiner auf uns? Warum verhaftet uns niemand? Wo sind eigentlich die Vopos oder die Grenztruppen der DDR? Also hin zu den Ossis. Ein lächelnder Volkspolizist öffnete uns das Gitter. Wir waren in der DDR, umgeben von Menschen, die etwas freudig erwarteten. Aber was? Kam jetzt ein Posaunenchor aus Jericho – und die Mauer wurde einfach umfallen?

Zurück ging es nicht mehr. Verboten. Also mussten wir uns durchfragen, wo der Westen und die Oberbaumbrücke sei. Erst in diesem Moment fiel mir ein, dass man mir schon den siebziger Jahren ein Einreiseverbot den der DDR ausgesprochen hatte. Linksabweichung fanden die gar nicht gut. Und, wie oft in historischen Momenten: mein erster Gedanke war banal – ich hatte zudem noch meinen Ausweis vergessen. Würde man mich jetzt nach Sibirien schicken? Oder einstweilig erschießen? Drohten Bautzen oder die Straflager in Rüdersdorf?

Wir marschieren quer über „Unter den Linden“. Da war das Rote Rathaus. Dann die Fischerinsel. Den Rest des Wegs habe ich vergessen. Aber wir erreichten die Oberbaumbrücke dann doch. Polizisten standen dort ein wenig ratlos herum. Mir fiel nur die Wahrheit ein: Keine Reisedokumente vorhanden. Und dann streifte uns doch der Mantel der Geschichte. Ein Grenzer entgegnete auf unsere hilflosen Gesten cool: „Heute ist alles möglich. Geh’n Sie mal wieder rüber in den Westen.“ Ich war sprachlos – das kommt nur selten vor.

Am nächsten Tag muss ich den Freunden in „Westdeutschland“ am Telefon erklären: Ich bin gestern über die Mauer am Brandenburger Tor geklettert, ohne gültige Papiere und trotz Einreiseverbots. Das glaubt mir doch keiner…..




Allüberall sinnfreier Aktivismus

Meldungen, die man hiesigerseits hämisch, belustigt, gelangweilt oder verägert kommentieren konnte, gab es in den letten Tagen genug. Zum Thema „Jugendgefährdung“ fällt mir ohnehin nichts mehr ein. Man ist es gewohnt, nur noch keinen Nonsens dazu zu lesen. Zum Glück decouvrieren sich die üblichen Verdächtigen ohnehin ständig selbst als bigotte Heuchler, denen es nicht um irgendwelchen „Schutz“ einer wie auch immer definierten „Jugend“ geht, sondern ausschließlich um moraltheologisch verbrämte und gespreizte Selbstbeweihräucherung.

Aktuell in Brandenburg: „Auf Anregung des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg sind im vergangenen Jahr 36 Tonträger und DVD mit rechtsextremen oder gewaltverherrlichenden Inhalten für Jugendliche verboten worden.“ Und nun? War die Matthäuspasion von Johann Sebastian Bach dabei? Oder wurde Richard Wagner indiziert? Mitnichten. Das Motiv des Meldens, Durchführens und Verbietens, findet, wenn damn davon absieht, dass es der Deutschen an sich gern tut, in einem Satz des Heise-Artikels: „Damit sei das LKA in diesem Bereich erneut die aktivste deutsche Polizeibehörde gewesen, so Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) laut der Mitteilung. (…) Dies unterstreiche, dass in Brandenburg der Extremismus auf allen Ebenen konsequent bekämpft werde.“ Damit haben wir alles beisammen: kamerad Schönbohm ist nur „gegen Extremismus“. Also Rot gleich Braun, Bautzen gleich Auschitz – Totalitarismus-Doktrin, ick hör dir trapsen. Aktiv ssein, Fllgge zeigen, Gesicht zeigen, ahrt durchgreifen – sinnfreier Aktivismus, und wehe, jemand fragte nach dem Zweck des Ganzen.

Und nun zu etwas ganz Anderem. Schäubles Traum und der der CDU, die Sicherheit vor Freiheit setzt, wird bekanntlich in Indien wahr. Bei Annalist lesen wir etwas über die hiesige Praxis: „BKA-Ratespielchen rund um GnuPG“. Wir haben nur den Blogbeitrag als einzige Quelle, es kann also nicht überprüft werden, ob die Angaben wahr sind. Das BKA wird sich wohl eines Kommentars enthalten. „Kann die Verschlüsselungssoftware PGP/GnuPG wirklich davor schützen, dass Unbefugte auf eigene Dateien Zugriff haben? “ Gute Frage. Offenbar wusste das BKA auch niciht weiter, und die „Experten“ waren zu teuer, hätten vermutlich auch nur mit den Achseln zucken können. Wenn ein geheimer Schlüssel in die Hände der Ermittlungsbehörden fällt, wie bei mir auch, dann wird es spannend. „Die beiden hatten im Grunde aber auch nichts besseres anzubieten, als die Passphrase zu raten, die nötig ist, um mit dem Schlüssel die verschlüsselten Dateien öffnen zu können.“ Meine besteht übrigens aus zehn gemischten Zahlen und Buchstaben. Viel Spaß damit. Aber sie rätseln vermutlich noch an meinem Passwort des Rechners herum (acht). Ein Kommentar in Annalists Blog sagt alles: „PGP arbeitet noch ein wenig anders: es nimmt nicht die passphrase und macht daraus den hash, sondern es wiederholt diese Prozedur mehrmals. Somit muss auch jede Implementierung des BKA diese Prozedur entsprechend oft wiederholen. Und in den Standardeinstellungen wiederholt PGP diese Prozedur 65536 Mal. Entsprechend oft müßte also auch eine Hardware-Implementierung diese Prozedur iterieren, was zwar nicht mehr chips bedeutet, da einer 65536 Mal hintereinander genutzt werden kann, aber entsprechend alles 65536 Mal so lange dauert. Wenn Andrejs Passphrase also 8 Zeichen hat und nicht aus einem Wort besteht, wodurch eine Wörterbuch-Attacke möglich wäre, dann ist es schon relativ hoffnungslos.“

Dann haben wir noch die Meldung: „Bürger-E-Post De-Mail soll ‚geprüfte statt geglaubte Sicherheit‘ bringen“. Dazu fällt mir nichts mehr ein. Ich „galube“ ohnehin nicht an asymmetrische Krytopgrafie, empfehle daher den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern nur, die Kommentare zu diesem Artikel zu durchstöbern, um sich mit mir zu amüsieren.




Textbausteine gegen rechts, reloaded

Mein gestriger Kommentar in der taz ist von der zuständigen Redakteurin stark verändert worden. Ich habe die Fassung, die im Blatt steht, zwar abgesegnet, war aber unzufrieden, weil ich den Originaltext für besser und pointierter formuliert hielt. Aber allzu scharf darf man auch in der taz nicht schreiben. Hier ist das Original:

Das Attentat auf den Alois Mannichl ist ein Lehrstück, eine Parabel auf den schon längst gescheiterten regierungsamtlichen Antifaschismus. Das bedauernswerte Opfer, der Passauer Polizeidirektor, spielt darin nur eine eine unfreiwillige Nebenrolle. In Wahrheit geht es nicht um die Fragen: Was sind die Ursachen brauner Ideologie? Wie gefährlich ist der rechte Sumpf? Was tun gegen Rechts? Nein- sowohl Fragen und Antworten sind seit mindestens zwei Jahrzehnten bekannt und wiederholen sich textgleich in konjunkturellen Schüben.

Wird alles immer schlimmer? Günther Beckstein warnte schon vor fünf Jahren vor dem Heranwachsen einer „Braunen-Armee-Fraktion“. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte im Oktober 1995 einen Fahner des BKA, die rechte Szene werde „jetzt offenbar erstmals aktiv dazu aufgefordert“, Gewalttaten auch gegen führende Repräsentanten des Staates zu begehen“. Schon seit 20 Jahren wurde Rechtsterrorismus immer wieder mediengerecht herbeigeschrieben. Seitdem hat man nichts mehr viel zum Thema gehört, außer dass die Mehrheit der Bombenbauer von rechts gleichzeitig V-Leute des Verfassungsschutzes waren.

Die sattsam bekannten Politiker-Parolen dokumentierten nur die lärmende Sprachlosigkeit, die eine ernsthafte Kontroverse über Ursachen übertünscht und lähmt. Der so genannte „Kampf gegen Rechts“, das zeigt sich jetzt wieder, basiert nicht auf einem zu nehmenden Streit um relevante Fragen, wie die deutsche Gesellschaft und Nation verfasst sei, sondern ist eine heuchlerische Scharade, ein moraltheologischer Diskurs. Niemand hat die Absicht, über die Ursachen von Rassismus und Antisemitismus zu diskutieren.

Es tut niemandem mehr weh, die Ursachen rechter Gewalt in der „Mitte der Gesellschaft“ zu verorten, dort, wo sich fast alle politischern Parteien zu Hause fühlen. Sogar in Volkshochschulen kann man hören, dass Neonazis nicht die Ursache, sondern ein Symptom für das seien, was sich jenseites des „extremistischen „polischen Randes abspiele. Wenn man aber jemanden scharf und genauer ansieht in diese „Mitte“, will es niemand gewesen sein. Wer die deutschen Gesetze gegen Einwanderung und Abschiebekmäste, auch bekannt als Guantanamo light, in einem Atemzug mit rassistischen Vorurteilen der Bevölkerung nennt oder wer die Idee auch der CDU, Deutschland besitze ein kulturell definierbares Volk, als braunes Gefasel abtut, das die Basis rechtsextremer Gesinnung sei, gilt immer noch als Querulant und steht unter dem Generalverdacht des Linksextremismus.

Die Lobby-Gruppen unterschiedlicher politischer Milieus instrumentalisieren sowohl Täter als auch Opfer rechtsextremer Gewalt. Vor acht Jahren quälten Rechtsextremisten im brandenburgischen Potzlow einen 16-Jährigen bestialisch zu Tode. Rassistisch motivierte Angriffe gegen Immigranten, sozial Schwache oder linke Jugendliche oder gar Morde sind keine Einzelfälle. Die Bundesregierung spricht von 40 Toten, Opferverbände geben hundert Tote mehr an, die seit der Wiedervereinigung auif das Konto der Ultrarechten gingen. Es besteht also weder ein gesellschaflicher Konsens darüber, was „rechts“ ist noch auch nur ansatzweise ein ernst zu nehmendes Konzept, wie diese Ideologie aus den Köpfen wieder hinauszubekommen sei. Die Fronten sind bekannt: Sie einen rufen nach dem Obrigkeitsstaat, andere nach mehr Geld für Projekte, die das Logo „gegen Rechts“ auf ihre Fahnen gestickt haben. Beides macht offenbar keinen Sinn, sonst stünden wir nicht nach acht Jahren genau dort, wo damals der viel besungene „Kampf gegen Rechts“ seinen Ausgang nahm.

Wer ist potenzielles Opfer rechter Gewalt? Jeder. Alois Mannichl ist kein „Linker“, auch wenn diejenigen, für die schon ein sozialdemokratischer Kanalarbeiter „links“ ist, ihn für einen solchen halten, nur weil der Polizeichef öffentlich bekundet hat, es gebe Neonazis sogar im bundesrepublikanischen Muster-Freistaat Bayern. Mannichl ist auch nicht besonders mutig. Er hat nur eine politische Meinung, schweigt nicht, sondern äußerrt die freimütig. Das macht ihn zu einem ungewöhnlichen Beamten, weil der Deutsche an sich nicht so verwegen ist, sondern aus Angst immer das Maul hält und die Ruhe seine erste Bürgerpflicht ist.

Das Opfer des Angriffs ist ein parteipolitisch unabhängiger Rechter. Seine ordnungspolitischen Ideen entsprechen dem Motto Law und Order: Hart durchgreifen, der Staat muss Flagge zeigen, wehrhafte Demokratie. Wer meint, ekelhafte politische Ideen wie die der kackbraunen Kameraden dadurch effektiv bekämpfen zu können, indem man deren Symbole beschlagnahmt oder sogar aus Gräbern ausbuddeln lässt, hat nichts begriffen, ist sich aber des kostenlosen Beifalls der schlicht strukturierten öffentlichen Meinung gewiss. Der Passauer Polizist wird nicht schon dadurch zum politischen Vorbild, weil er Opfer neonazistischer Gewalt geworden ist. Seine Art und Weise, gegen Nazis zu sein, entspricht nur der deutschen Leitkultur: Der Deutsche „meldet“ gern das Böse bei der Obrigkeit, die dann Maßnahmen „durchführt“ und am liebsten „verbietet“ – nach dem Wahlspruch: aus den Augen, aus dem Sinn.

Aktionen „gegen Rechts“ sind nicht auch schon deshalb schön, gut und wahr oder gar effektiv, wenn die Neonazis sich über diese ärgern. Ganz im Gegenteil. Eine poltiisch motivierte Gewalttat setzt aber leider immer wieder einen öffentlichen Diskurs in Gang, der keine Parteien mehr kennt, sondern nur noch beduselte Deutsche. Es brauchen nur bestimmte Textfragmente auftauchen, reizauslösende Mechanismus für den öffentlcihen Diskurs, und schon heißt es: Kopf ab zum Gebet und zum Kampf gegen Rechts und hoch die Lichterkette

In der wohlfeilen kollektiven Empörung sind sich alle gleich: Die Räuber-und-Gendarm-Antifa, die schon immer gewusst hat, das „der Staat“ wegschaut, über die Freunde der immer noch quasi-offiziellen Staatslehre, der Totalitarismus-Doktrin „Rot gleich „Braun“ („gegen Extremismus“) bis hin zu SchilySchäuble-kompatibeln Hardlinern (hart, härter, am härtesten) oder gar fragwürdigen „Demokraten“ wie Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, der einsperren und „Isolieren“ für rechte Gewalttäter fordert.

Was wird folgen, welche Konsequenzen kann man aus dem Attentat von Passau ziehen? Nicht und keine. Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen lag das Tatwerkzeug auf dem Fensterbrett, angeblich noch vom Lebkuchenschneiden. Ein Vorsatz wird dem Täter, falls das stimmt, nur sehr schwer nachzuweisen sein. Niemand hätte etwas verhindern können. Das rechtsextreme Milieu zieht nicht zufällig auch Leute in seinen Bann, die ihre ganz private Apokalypse ausleben, diese a posteriori politisch legitimieren und Menschen angreifen und sogar ermorden, auch wenn sie vorher wissen, dass sie dafür für Jahre hinter Gittern verschwinden.

Die aktuelle und immer leicht hysterische Attitude, es gebe immer mehr Neonazis in Detuschland und diese agierten immer dreister, ist im Sinne des Wortes maßlos. Vergleiche sind immer falsch und beleidigen die Opfer. Ist der Messerangriff auf einen bayerischen Polizisten schlimmer als die Mordanschläge von Mölln oder das Pogrom von Hoyerswerda? Ist die jüngste Gewalttat einen „neue Qualität“ gegenüber dem Polizistenmord des Neonazis Kai Diesner vor elf Jahren? Wer ausgerechnet jetzt so tut, als kulminiere rechte Gewalt, besitzt keine Scham und kein Gedächnis und argumentiert auf niedrigstem moralischen Niveau.




Adventures in Marxism

Beim Lesen der neuesten Statistiken, die Entwicklung des Kapitalismus betreffend („Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet“), versuchte ich mich daran zu erinnern, was Altmeister Karl Marx exakt zu dem Thema sagte. Seine ökonomische Theorie, wie die Wirtschaft funktioniere, sieht man vom chiliastischen Unfug wie der „Diktatur des Proletariats“ ab, ist bis heute nicht widerlegt worden und wird immer wieder auf’s Neue durch Fakten bestätigt. Die New York Times hat dazu jüngst ein kluges Buch empfohlen: „Adventures in Marxism“. Das Thema kann in Deutschland leider nicht rational diskutiert werden, weil der Mainstream der Medien sowohl zu feige dazu ist als auch die Totalitarismus-Doktrin („Rot gleich Braun“) als inoffizielle Staatslehre und -religion dem entgegensteht.

Aber ich schweife ab. Die Fakten: „13 Prozent der Deutschen sind arm. Die Einkünfte der Reichen seien gewachsen, während die Einkommen im unteren Bereich leicht sinken würden und im mittleren Bereich stagnierten. Als reich gelte, wer als Alleinlebender im Monat netto mehr als 3418 Euro zur Verfügung habe oder als Familie mit zwei Kindern mehr als 7178 Euro netto im Monat. ‚Arm ist, so definiert es die EU, wer als Alleinlebender weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient, also 781 Euro netto‘, sagte Scholz.“ Dann bin ich übrigens zwar nicht immer, aber doch manchmal arm.

Karl Marx schreibt in „Das Elend der Philosophie“ (geschrieben 1846/47): „Von Tag zu Tag wird es somit klarer, daß die Produktionsverhältnisse, in denen sich die Bourgeoisie bewegt, nicht einen einheitlichen, einfachen Charakter haben, sondern einen zwieschlächtigen; daß in denselben Verhältnissen, in denen der Reichtum produziert wird, auch das Elend produziert wird; daß in denselben Verhältnissen, in denen die Entwicklung der Produktivkräfte vor sich geht, sich eine Repressionskraft entwickelt; daß diese Verhältnisse den bürgerlichen Reichtum, d.h. den Reichtum der Bourgeoisklasse, nur erzeugen unter fortgesetzter Vernichtung des Reichtums einzelner Glieder dieser Klasse und unter Schaffung eines stets wachsenden Proletariats.“ Das ist vermutlich unstrittig. Nur die reaktionären Apologeten, die vom „Reichtum für alle“ im Kapitalismus träumen, werden widersprechen. Nur haben die keine Ahnung von Ökonomie.

Sehr hübsch auch Marxens Sätze über die „Humanitäre Schule“ (das ist ungefähr das, was die linke SPD und die „Linke“ wollen): „…welche sich die schlechte Seite der heutigen Produktionsverhältnisse zu Herzen nimmt. Diese sucht, um ihr Gewissen zu beruhigen, die wirklichen Kontraste, so gut es eben geht, zu bemänteln; sie beklagt aufrichtig die Not des Proletariats, die zügellose Konkurrenz der Bourgeois unter sich; sie rät den Arbeitern, mäßig zu sein, fleißig zu arbeiten und wenig Kinder zu zeugen; sie empfiehlt den Bourgeois Überlegung in ihrem Produktionseifer.“ Genau. „Gegen Sozialabbau“, gegen das gierige Finanzkapital und dergleichen Blödsinn mehr. Marx hätte sich totgelacht.

Aber leider hat die heutige Jugend verlernt, lange, komplizierte und anspruchsvolle Texte zu lesen. Wäre das anders, empfähle ich ein gutes Buch eingehend zu studieren.




Chavez und die Lebenslüge der CDU

Venezuelas Staatspräsident Hugo Chavez weiß, was er sagt. Nur die taz hat das richtig erkannt: „Angela Merkel gehöre ‚der deutschen Rechten an, derselben, die Hitler und den Faschismus unterstützt hat‘, sagte Venezuelas Ölsozialist in seiner TV-Show ‚Aló Presidente‚“.

Fazit: „Mit seiner Lust an der Polemik gelingt es Chávez oft, die eigentlichen Themen überhaupt erst in die Medien zu bringen.“ Exakt. Wenn er mal abdankt, müsste er eine Werbeagentur gründen. Die Medien insbesondere in Deutschland reagieren meistens nur reflexhaft – wer was hat sagen dürfen. Inhalte sind nicht immer relevant.

Übrigens hat Chavez auch inhaltlich Recht. Dazu habe ich am 19.11.2003 (vor fast fünf Jahren!) hier gebloggt: „Die Lebenslüge der CDU“. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Nachtrag: Offensichtlich doch, und es wird wieder ein Medien-Bashing daraus. Ein aufmerksamer Leser dieses kleinen Blogs wies mich auf einen Artikel im Tagesspiegel hin, der ironisch fragt: „Wir können Hitler und Merkel genauso vergleichen, wie wir Äpfel und Birnen hinsichtlich Form, Aroma, Farbe und Konsistenz vergleichen können. Nur: Was bringt das genau? Die Frage stellt sich neu, da Hugo Chavez, der venezolanische Staatschef, soeben etwas in dieser Richtung formuliert hat.“

Hat er nicht. So „in der Richtung“ eben nur. Chavez hat nicht Merkel mit Hitler verglichen, obwohl ihm das deutsche Medien unterschieben, sondern gesagt, dass a) Merkel der deutschen Rechten angehöre, was bekanntlich unstrittig ist und b) dass genau die Vorläufer dieser Rechten Hitler an die Macht gebracht hätten, was auch nicht ernsthaft angezweifelt werden kann – außer den von Totalitarismus-Theoretikern, die historisch falsch behaupten, die Weimarer Republik sei von den „Extremen“ beider Seiten um die Ecke gebracht worden. Aber die Totalitarismus-Doktrin des Kalten Krieges ist immer noch die „offizielle“ Staatsdoktrin – kein Wunder, dass die mehrheitlich apolitischen Kommentatoren jetzt herumeiern.