Schon wieder Lenin, Stuttgart und Unbequemes

lenin

– Von Journalisten erwarte ich schlankes und verständliches Deutsch, keine bürokratischen Bläh- und Furz-Textbausteine („Migrationshintergrund“), kein überflüssiges Denglisch („urbaner Migrant“) und keine eitlen Verrenkungen, um sich von den einfachen Leuten abzugrenzen („Narrativ“). Wer das nicht hinkriegt, sollte das Handwerk des Schreibens neu lernen. (Passt hier gar nicht hin, aber irgendwo musste ich es unterbringen.)

Stuttgart Riots

– Zu Stuttgart (Randale und so) fiel mir ein Artikel ein, den ich vo 22 Jahren geschrieben habe und den man nicht verändern muss. Er ist aktuell:

Wer Macht hat, redet nicht über Gewalt. Die Herrschenden können andere beauftragen, Gesetze zu erlassen, die die Beherrschten zwingen, ihren Wünschen nachzukommen (Asylgesetz alias “Ausländer raus”). Wer über Gewalt kommuniziert, demonstriert, daß er selbst über nur begrenzte Macht verfügt. Man will, daß die, die den eigenen sozialen Status potentiell bedrohen, sich an Regeln halten, die man selbst aufgestellt hat. Nur die Mittelschichten fordern von allen anderen, sich an Regeln zu halten, weil sie “Angst vor dem Absturz” (Barbara Ehrenreich) haben. Wer aufsteigen will, muß die Werte der Gesellschaft verinnerlichen und sich selbst kontrollieren. Beherrsche dich, und nicht etwa andere! Der soziale Aufsteiger ist gegen Gewalt, weil Gewalt archaisch ist und die Regeln, die ihm ein gesichertes Leben ermöglichen, ad absurdum führt. Der klassische Radfahrer tritt nach unten, aber fordert gleichzeitig, daß die da oben das nicht tun. Sie sollen ihn dafür belohnen, daß er sich an die Regeln hält.

Gewalt ist eine Ikone, ein sinnliches, also medial vermitteltes Bild eines Phänomens, das unterschiedliche Gruppen jeweils verschieden wahrnehmen und interpretieren. Hooligans finden Gewalt geil. Sie verschafft ihnen alles, was das Leben versprechen kann: Körpergefühl, Überschreiten der Grenzen, Macht, Gruppendynamik, Thrill. Ein Trip ohne psychotrope Hilfsmittel. (…)

Der Diskurs über Gewalt definiert immer ein Außen-Innen-Verhältnis. Gewalt ist um so gefährlicher, je mehr sie von den Rändern kommt: Jugend – ein Schritt von der Mitte entfernt, Randgruppe, zwei Schritte, Ausländer, drei Schritte. Die Inkarnation des Bösen ist ein gewalttätiger jugendlicher Ausländer. Ein Widerspruch in sich ist ein erwachsener deutscher, aber nur in der Freizeit prügelnder Hooligan, der weder sozial marginalisiert ist noch ein politisches Motiv hat, was ihn einer Randgruppe zuordnen würde. So etwas gibt es nicht, genausowenig wie es Rassisten und Antisemiten im Bundestag gibt, die man einsperren oder verbieten könnte.

Hooligans sind die Rache des Kapitalismus: Er nimmt die Wut und die Sehnsucht der armen Schweine und verkauft sie an privilegierte junge Männer aus den Mittelschichten. Die inszenieren den Aufstand so, daß er der Gesellschaft in den Kram paßt, unpolitisch, mittels erlaubter Drogen und nur punktuell die Grenzen überschreitend, daß nicht zu viele auf der Strecke bleiben“.

– Merke: Die Gewerkschaft der Polizei ist nicht die Deutsche Polizeigewerkschaft. Das nur, weil mir ein Kollege warnend schrieb, ein Viertel der deutschen Journalisten kennten den Unterschied gar nicht. Thomas Mohr, der Vorsitzender der GdP, schrieb auf Fratzenbuch:(als Kontrapunkt zu meinem erwähnten Artikel):

Wer hier die Randalierer einer „Event und Party-Szene“ zuordnet, verharmlost das Grundproblem. Nach Schilderungen der Einsatzkräfte vor Ort handelte es sich um überwiegend migrantische Jugendliche, Heranwachsende, aber auch Erwachsene in größerer Zahl, die sich grundsätzlich an keine Verhaltensregeln halten. Das sind weitgehend testosterongeladene junge Männer, die in der Gruppendynamik schnell eskalieren! Der Organisierungsgrad, oft durch die sozialen Plattformen emotional transportiert, ist bei dieser Gruppe hoch.(…)

Die Politik fordert Rückhalt für die Polizei! Das ist dann andernorts die gleiche Politik, die bewusst und gewollt „ihre Polizei“ durch ein Antidiskriminierungsgesetz, wie in Berlin, oder durch Aussagen der Polizei generell Rassismus unterstellt, sie am liebsten auf die „Müllhalde“ zu entsorgen, wie es medial publiziert wurde. Das motiviert und befeuert solche Ereignisse nicht nur in Stuttgart.(…)

Die Polizei kann gesellschaftliche Probleme nicht alleine lösen. Seit Jahren stelle ich fest, dass uns, der Gesellschaft, womöglich viele junge Männer, die in Deutschland geboren sind und einen Migrationshintergrund haben, die überwiegend in einer „virtuellen Parallelwelt“ (sozialen Netzwerken) leben, entgleiten.
Die kein Benehmen haben, keinen Respekt gegenüber ihren Mitmenschen haben, staatliche Institutionen verhöhnen und lächerlich machen, fremdes Eigentum mutwillig zerstören und explosiv in der Gruppe gewaltbereit sind. Die Coronakrise und den Konsum von Alkohol kausal dafür mitverantwortlich zu machen, ist meiner Meinung nach zur kurz gesprungen.

Müll et al

– Zur hier schon erwähnten Kolumne: Über einen älteren Artikel zur Analyse der letzten US-Wahl könnte die taz auch etwas schreiben lassen – „alle Deutschen auf den Müll, weltweit“ – oder so ähnlich: „Why are the German-Americans Trump’s most loyal supporters?“

Kerngeschäft

– Und nun zu uns, Linke. Angus Deaton, Wirtschaftsnobelpreisträger, sagt:
„Die US-Demokraten haben es aufgegeben, die Gewerkschaften zu vertreten. Sie haben umgesattelt auf die gebildete Elite und auf Minderheiten. Die weiße Arbeiterschaft blieb ohne politische Repräsentanz zurück. In dieser Hinsicht war Hillary Clinton 2016 die schlimmste Kandidatin, die man sich vorstellen konnte. Sie ist eine typische Vertreterin der Elite, die weder Verständnis noch Sympathie für die Arbeiterklasse hat.“ (Quelle: Der Spiegel)

Hat nicht das gesamte deutsche Feuilleton sich die Finger wundgeschrieben, dass Clinton die bessere Präsidentin sei? Und was sagt uns das?

Und beschäftigt sich die „Linke“ hierzulande mehr mit der weißen Arbeiterklasse oder eher mit #blacklivesmatter in den USA und mit Flüchtlingen? Auf der gesamten Homepage der „Linken“ finde ich rund 70 Mal das Wort „Arbeiterklasse“, dafür aber rund 1.200 Mal „Flüchtlinge“. Wem wollen sie diesen Schwerpunkt wie verkaufen?

Wir sehen uns an der Fünf-Prozent-Hürde bei der nächsten Bundestagswahl!