GoT, reloaded

GoT
Screenshot Game of Thrones

Erstaunlich, wie viele Leute (vor allem auf Fratzenbuch) meinen, Game of Thrones verteidigen müssen. Ich habe es gar nicht angegriffen. Ich komme mir vor, als hätte ich mitten im Film Godzilla gerufen: Jetzt wird es aber unrealistisch!

Noch einmal: Ich traue mir zu, über die Serie etwas sagen zu können, ohne jemals eine Folge angeschaut zu haben. Es ist ganz einfach: Niemand könnte die ferne Vergangenheit oder eine fiktive Gesellschaft aka Fantasy darstellen, die anders ist als die gegenwärtige. (Man könnte jetzt über Norbert Elias diskutieren.)

Das Problem hat schon Stanislaw Lem erkannt und endgültig beantwortet: Man sieht immer nur in den Spiegel, selbst wenn ein Ozean den einem entgegenhalten muss.

Was soll also Fantasy à la Game of Thrones sein – wenn nicht eine Soap des heutigen Kapitalismus in pseudohistorischen Kostümen, garniert mit ein paar Drachen? Warum zum Teufel sollte ich mir einen Film mit Drachen anschauen?

Als gelernter Historiker krieg ich immer eine Krise, wenn ich mir das Outfit der Protagonisten in solchen Machwerken ansehe: Das ist weder Antike noch Mittelalter noch frühe Neuzeit – das ist einfach zu wenig Fantasie.

Voice of Gor
Titelmotive der mittlerweile im achten Jahrgang erscheinenen Wochenzeitung Voice of Gor, die ausschließlich in der Gorean Community in Second Life (nach Altersüberprüfung) erhältlich ist.

Natürlich muss Unterhaltung nicht politisch „korrekt“ sein, und Fantasy schon gar nicht. Wenn schon, denn schon – aber glaubt denn irgendjemand, ein Filmemacher würde sich trauen, einen der 33 Romane aus dem Gor-Zyklus von John Norman zu verfilmen? Immerhin ist der in den USA Bestseller-Autor mit Millionenauflage. Es scheint also eine „Grenze“ des Zumutbaren zu geben (obwohl ich Normans Trash-Romane für harmlos halte).

Games of Thrones zeigt also nicht genug Sex, um als Pornografie durchzugehen und kann mit Norman nicht mithalten, was die genderpolitische Inkorrektheit angeht. Die Serie ist nicht so gewalttätig und – aus heutiger Sicht – grausam, wie der Feudalismus wirklich war (bitte mehr Folterszenen!? Hält aber der Zuschauer nicht aus).

Da laufen Schwarze und Liliputaner herum (Schwarze gibt es schon im Parzival von Wolfram von Eschenbach – um 1200). Warum eigentlich? Damit auch kleinwüchsige Menschen jemanden haben, mit dem sie sich identifizieren könne? Was ist mit lesbischen Japanerinnen oder schwulen Latinos? Und sind nicht alle Frisuren total langweilig, weil man das alles schon in C-Movies mit Römern und Germanen und sonstwem gesehen hat?

Ich schaue Serien, die meinen Intellekt kitzeln, aber – ich bleibe dabei – nicht Game of Thrones.