Was ist drin in Griechenland? (Teil 3)

time for changeEs wird jetzt spannend in Griechenland, und ich bin mir immer noch nicht ganz schlüssig, was ich als Linker dort vorschlagen bzw. tun würde. Ich schiebe also noch einen dritten Teil nach [Teil 1][Teil 2], bevor ich irgendwelche Fahnen in irgendwelche Richtungen schwinge.

Ich lese gerade von Yanis Varoufakis: Time for Change: Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläretime for change. Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil ich etwas anderes erwartet hatte. Natürlich weiß ich nicht, wie er in Griechisch schreibt, aber die Übersetzung ist ziemlich dröge. Ein kindergerechtes Buch, wie der Untertitel es suggeriert und wie es hätte sein können, ist das Werk auch nicht, und ich möchte in vielen Punkten widersprechen, wenn es um die Geschichte geht. Wenn jemand ein Modell für die Zukunft sucht: Hier findet man es nicht.

Meine Prognose: Die Linke in Griechenland wird sich spalten. Das ist eine schlechte und eine gute Nachricht: Schlecht, weil die Linke dann nach Neuwahlen nicht mehr regieren wird, gut, weil so, wie es jetzt ist, alles nur noch schlimmer wird.

Das Neue Deutschland hat dazu einen erhellenden Artikel: „Syriza-Linke eröffnen ’neue politische Front“. Die Essentials: „Letzteres, ein Rauswurf aus der Eurozone, ist laut Tsipras nicht nur weiterhin das Ziel von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Es wird auch von einigen SyrizaLafazanis von der Linken Plattform sagte, „dass gegen die ‚reaktionäre neoliberale Ausrichtung der EU‘ auch ‚ein möglicher Austritt aus der Eurozone‘ eine linke Option sein müsse – dieser sei ‚keine Katastrophe‘, sondern könne ‚verbunden mit einem radikalen progressiven Programm‘ für Griechenland einen Weg aus der Krise ebnen.“

Was aber ist ein „radikal progressives Programm“, und bestünde eine Chance, dafür eine Mehrheit zu bekommen? Was ist das Gegenteil? Ein radikal reaktionäres Programm – und das genau ist im Interesse des deutschen Kapitals. Es wird zur Zeit durchgesetzt. Zum Beispiel sichern sich deutsche Unternehmen in den Verträgen ihre Rechte an den profitablen griechischen Flughäfen, und die unprofitablen behält der griechische Staat. Die Gelder der so genannten Hilfspakete dienen nur dazu, die Banken zu konsolidieren; von den aktuellen 26 Milliarden Euro gehen 10 Milliarden „gehen auf ein gesondertes Konto beim Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, das Geld soll zur Rekapitalisierung von Banken verwendet werden, die nicht zuletzt durch den politisch etwa durch Grexitdrohungen aus Berlin angefachten Geldabfluss gefährdet sind.“

time for change

Der geschulte Revolutionär erkennt gleich: Der Staat muss sich die Unternehmen, die jetzt privatisiert werden, so bald wie möglich zurückholen, wenn nötig, mit Enteignungen. Das hat Bolivien so gemacht, das geschah in Argentinien, und selbst das deutsche Grundgesetz hat das vorgesehen. Die griechische Verfassung ist in Artikel 17 und 18 noch deutlicher: „Das Eigentum steht unter dem Schutz des Staates. Die sich daraus ergebenden Rechte dürfen jedoch nicht dem allgemeinen Interesse zuwider ausgeübt werden.“ Klarer Fall – da muss man als Linker nicht lange überlegen. Das allgemeine Interesse widerspricht immer den Interessen des Kapitals.

Andererseits ist klar, dass die Mehrheit von sechzig Prozent in Griechenland nicht für ein linkes Programm war, sondern nur gegen das, was die EU Griechenland aufzwingen will. Eine revolutionäre Linke hätte nicht automatisch die rechnerische Mehrheit hinter sich. Auch gehören die Medien in Griechenland den Oligarchen. „Für die Beziehung zwischen dem politischen System und den einflussreichsten Familien des Landes gibt es im Griechischen eine eigene Bezeichnung: Diaploki, was in etwa „geheime Absprache“ bedeutet“, schreibt Spiegel online. Es ist also genau wie bei uns. Radikale reaktionäre Hetze auf allen Kanälen ist also vorprogrammiert.

Meine private Verschwörungstheorie ist übrigens, dass die Lautsprecher des griechischen Kapitals nur deshalb nicht mit Schaum vor dem Mund ausflippen, weil die reichen Griechen ihr Geld längst nicht mehr in Griechenland haben. Sie verlören wenig bei Entignungen, und das Land hat ohnehin nur die Wirtschaftskraft Hessens, ist also irrelevant. Deshalb halte ich einen erneuten Militärputsch gegen eine radikal linke Regierung für viel wahrscheinlicher, weil dann Leute an die Macht kämen, die bisher vom kleinen Kuchen noch nicht viel abbekommen haben. Die hätten also ein starkes Motiv, und das Resultat wäre genau das, was die EU will: „da die gewaltsam erzwungene politische ‚Stabilität‘ nun auch Nachhaltigkeit versprach und damit Auslandskapital verstärkt ins Land brachte.“

Wetten dass?