Sneakers

schuhe

Bis vor wenigen Minuten wusste ich nicht, was Sneakers sind. Ich wunderte mich nur, dass heutzutage die meisten Leute Turnschuhe tragen, die aber mit „Turnen“ offenbar nichts zu tun haben.

Der Begriff Sneaker selbst ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts und stammt vom Werbefachmann Henry Nelson McKinney; denn außer Mokassins hatten damals alle anderen Schuhe bedingt durch die Ledersohlen einen lauten Auftritt (engl. „to sneak“: schleichen). In den 1950er Jahren ließ sich Teenikone James Dean mit Sneakers ablichten; daraufhin wurden die billigen und pflegeleichten Schuhe zur bevorzugten Fußbekleidung der Jugend und gaben in den Folgejahrzehnten einer ganzen Turnschuhgeneration den Namen. Der ursprüngliche Grund für das Tragen von Sportschuhen im Alltag war der sich auch in der Kleidung manifestierende Protest der Jugend gegen das herrschende Establishment und die Erwachsenenkultur, die glanzpolierte Lederhalbschuhe bevorzugte.

Interessant. Das hieße ja, dass der kulturelle Protest gewonnen hat? Glaube ich nicht. Wenn man sich die Geschichte der Mode ansieht, entwickeln sich Stile von unten nach oben. Das beste Beispiel ist die Arbeitermode Englands wie die Marken Ben Sherman und Lonsdale. Im ersten Schritt wird zum Beispiel die Arbeitskleidung der Bergleute von der Subkuktur der Skinheads adaptiert; später darf jeder die Marken tragen, weil sie als ikonografischer „Protest“ gegen den Mainstream nichts mehr bedeuten. Ich schrieb in „Nazis sind Pop„:

Wolfgang Joop mokiert sich zu Recht über den Versuch, das „Outfit“ der Outsider zynisch zu missbrauchen: „Obdachlose ‘Hobos’ in romantischem Wet-Look. Die feuchte Kleidung der Allerärmsten – auch mal angesengt und mit Brandlöchern dekoriert vom unvorsichtigen Lagern an wärmender Feuerstelle – war Inspiration für ein sakastisch-subversives Modespiel zum Thema Arm und Reich. Die Preise für die Couture-Mode…lagen zwischen 20000 und 100000 Dollar.“ Es sei schließlich nicht so leicht, gar keine Geschmack zu haben. Oder, wie die Sängerin Dolly Parton es kurz und knapp formulierte: „Man braucht eine Mange Geld, um so billig auszusehen wie ich.“

Ich muss jetzt öfter morgens um sechs oder sieben Uhr mit öffentlichen Verkahrsmitteln fahren und sehe mir die Leute genau an. Je früher, umso ärmer die Kleidung – und um so mehr schwere Arbeitsschuhe sieht man. Nur die Angestellten mit dem Privileg der Gleitzeitarbeit laufen noch mit Lederschuhen herum, obwohl es gerade bei denen auch Sneakers täten…