Noch mal Sarrazin

Noch mal zu Sarrazin. Auch wenn ihr mich alle teert und federt: Ich finde den medialen Diskurs über Sarrazin reaktionärer als ihn selbst.

Spiegel „online“: „Bundesbanker, die mit dem Vorgang vertraut sind, drücken es so aus: Weber habe Sarrazin die Veröffentlichung „regelrecht verboten“. Sarrazin aber habe sich von Weber nicht „zensieren“ lassen wollen und den Text „unverändert“ in der dann veröffentlichten Fassung autorisiert. Seither ist der Streit eskaliert.“

Eben: Es geht mittlerweile um das Thema Zensur. Um nicht mehr und nicht weniger. Die Freiheit der Rede. Das muss man den Deutschen erklären, das ist was Ausländisches. Jeder, der Sarrazin zwingen will dem Mund zu halten, kann gleich Zensursula wählen. Der gesamte Diskurs ist so typisch deutsch („Parteiausschluss, jawoll, denn die Partei, die Partei, die hat immer recht), dass man schier erbrechen könne. Da sagt ein Banker etwas, was auf Stammtisch-Niveau ist, und alle regen sich auf. Warum eigentlich?

Und „Anti-Ausländer-Äußerungen“, wie es im Nachrichtenmagazin heißt? Das ist ein rassischer Diskurs – alle Einwanderer pauschal zu „Ausländern“ zu erklären. Mit Verlaub: Dazu habe ich schon 2003 etwas in der Jungle World geschrieben. Wer es etwas anspruchsvoller haben will, der lese den Gastbeitrag von Kien Nghi Ha in meinem alten Blog spiggel.de (22.03.2004): „Koloniale Migrationsdiskurse in der Gegenwart“.

Was erwartet man von Bankern? Linksliberales Getue? Paternalistisches Multikulti-Gefasel? Oder soll das Finanzkapital das Maul halten? Nein, ganz im Gegenteil – wie es in der Dreigroschenoper heißt: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

Die Faz als Zentralorgan der gefühlten herrschenden Klasse schreibt: „Thilo Sarrazin ist beim Zurückkriechen kein Jota mehr souverän, oder gar Oberschicht. Nur noch einer, der um seinen Job Angst hat, wie viele andere da unten auch. Das ganze Drama erscheint mir wie eine dieser Gerichtsshows, in denen man Gangs und deren Unterschichtenverhalten gleichzeitig bestraft und vermittelt: Er kam als Sarrazin und ging als Unterschichten-Thilo.“ (via Don Alphonso)

Mir wäre es am liebsten, wenn Ackermann und Konsorten ganz offen zugäben, dass sie alle Linken am liebsten zusammenschießen würden, wenn die die Machtfrage stellen. Ich rege mich eher auf, dass nach dem Arbeitermörder und SPD-Mitglied Zörgiebel Straßen in Berlin benannt wurden.