Mehr mächtige Spionage-Werkzeuge, bitte!

Vorgestern hatte ich mich schon über die faktenarmen Textbausteine echauffiert, die jetzt wieder zum Thema „Bundestrojaner“ im Umlauf sind. „Der Angriff mittels eines sogenannten [sic] Trojaners“, schreibt SPIEGEL Print. Nein. Erstens heißt das Ding „Trojanisches Pferd“. Die Trojaner waren das Opfer, nicht die Täter. Und zweitens ist es nicht legitim, jedwede Art von Spionagesoftware jetzt als „Trojaner“ zu bezeichnen. Es hat sich bisher auch niemand erkühnt zu behaupten, die Implementierung der Überwachungs-Software sei online geschehen.

„Sie schleusen heimlich einen Trojaner in das Computernetzwerk des Ministeriums für Handel und Industrie, eine Spähsoftware, die sich auf den fremden Rechnern einnistet und in aller Stille hilft, den Inhalt der Festplatten nach Deutschland zu schicken. Heimlich schleusen – geht es etwas genauer? Ist das afghanische Netz so unzureichend gesichert, haben es die Deutschen vielleicht selbst aufgebaut, Datenlecks per default inbegriffen? Ich gehe davon aus, dass die Schlapphüte Keylogger und das übliche Zeugs direkt und „händisch“ installiert haben – oder denen gleich die ab Werk verwanzten Rechner direkt vor die Nase gestellt haben. Windows, I presume.

Auch im Kongo haben die Geheimdienstler im letzten Jahr Rechner verwanzt, berichtet SPIEGEL Print (28.04.2008, S. 24). „Der Einsatz flog auf, weil einer der BND-Männer das mächtige Spionage-Werkzeug zweckentfremdete, um romantische Postg seiner Partnerin an einen Bundeswehrangehörigen abzufangen.“ Bruhahaha.

Die Leitung am Hindukusch muss übrigens recht dick sein, wenn man ganze Festplatten (ab 40 Gigabyte aufwärts) verschicken kann, ohne dass die Kisten abrauchen oder alles nur noch in Zeitlupe geschieht. Die „Unterlagen zu diesem Fall wurden offenbar weitgehend vernichtet“. Sehr schön. Also bleibt viel Platz für wildes Herumspekulieren.

„Der Trojaner meldet nach Pullach, dass Farhang eine E-Mail-Adresse des amerikanischen Internet-Anbieters Yahoo nutzt, und das Passwort liefert er gleich mit.“ Übersetzt heißt das: Ein afghanischer Minister nutzt keine eigenen Server, sondern ein Postfach bei Yahoo. Kann man so blöd sein? Ja, kann man. By the way:: „Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den US-Unternehmen Microsoft, Google und Yahoo vorgeworfen, bei der Zensur des Internets durch China mitzuwirken.“ Farhangund seine ganze Behörde haben offenbar vom Internet so viel Ahnung wie Michael Konken vom Bloggen. Und alle schreiben Postkarten. Das ist mittlerweile irgendwie ein Running Gag. Traurig, aber wahr.

Ich gönne ihnen die „Trojaner“. Mehr davon, bitte! Gegen die schier unfassbare Naivität, Belehrungsresistenz und Ignoranz der meisten Menschen, die Sicherheit der Daten und der elektronischen Kommunikation betreffend, kann man offenbar erst dann verändern, wenn man ihnen demonstriert, welche Folgen das hat. Ich wette, dass Farhang noch immer Postkarten schreibt, und die betroffene Journalistin auch.

Nachtrag. Die FAZ schreibt: „So sei nicht das persönliche E-Mail-Konto des Ministers, sondern seine Dienst-Mail-Adresse betroffen gewesen, sagte ein BND-Sprecher. Im ‚Spiegel‘-Bericht sei von einer persönlichen Yahoo-Mail-Adresse des Ministers die Rede. Nach Angaben des BND wird jedoch der gesamt E-Mail-Verkehr des Ministeriums über den amerikanischen Provider Yahoo abgewickelt.“ Das ist ja noch schlimmer…