"bin völlig verzweifelt, hab mich in meiner ehe 10 jahre sehr wohl gefühlt, bis wir den internetanschluß hatten". So beginnen postmoderne Dramen. Und so spitzen sie sich zu: "hab sogar schon mehrmals das kabel fürs internet zerschnitten, aber er zeigt keine reaktion, repariert es wieder, und es geht weiter". Und so enden sie: "sieht er mich denn nicht? dies ist ein stummer schrei". Diese Schreie gequälten Kreaturen finden sie bei der HSO e.V..
Das hört sich irgendwie nach Hals-, Nasen-, Ohrenarzt an, ist aber eine Selbsthilfegruppe "Hilfe zur Selbsthilfe für Onlinesüchtige": www.onlinesucht.de Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, wenn man die zu diese Bekundungen passende "wissenschaftliche" Literatur liest: "Zusammenhang des Persönlichkeitsmerkmals Impulsivität und Internetsucht". Das hieße ja: Südländer, denen man Impulsivität nachsagt, insbesondere Araber - würden ganz besonders zur Internetsucht neigen. Oder: Die Schweden sind ganz und gar nicht gefährdet.
Gut, es ist Karneval. Aber diese Website macht nicht den Eindruck, ein Ableger der Titanic www.titanic-magazin.de/startseite.php oder ein Ableger von www.zyn.de/ zu sein. Man möchte gleich gequält schluchzen: Die meinen das ernst! So ernst, dass Journalisten darüber bierernst schreiben. Im www.tagesspiegel.de steht heute: 10000 Berliner seien Internet-abhängig. Indiz für für diese schwere Sucht: "Sie sind länger als fünf Stunden am Tag online." Hilfe, ich bin betroffen! Ich bin schwerstabhängig - mehr als 12 Stunden täglich online. Die nach oben offene Internetsuchtskala gibt meinen Wert gar nicht mehr an...
Abgezehrte Gestalten mit schwarzen Rändern unter den Augen tauchen vor dem inneren Auge der Weisheit auf. Heiliger Isidor, steh uns bei! "Bis zu 2000 Euro im Monat verbraucht so mancher Online-Süchtiger" schreibt der Kollege Ingo Bach. Vermutlich hat ihm das Werner Platz, Chef der Suchtklinik im Humboldt-Klinikum, eingeflüstert, nachdem die beiden zusammen eine Gauloise geraucht haben.
Doch Hilfe ist nah. "Das Internet ist ja durchaus ein sinnvolles Instrument", sagt der Suchtklinik-Chef beruhigend. Wer hätte das gedacht. So wird auch ein Kriminalkomissar denken, der gerade ein Messer aus einer toten Schwiegermutter zieht. "Ein Messer ist ja durchaus ein sinnvolles Instrument." Was lehrt uns diese fernwestliche Weisheit? Internet-Methadon muss her - in Gestalt der Flatrate für 30 Euro monatlich. Am besten noch per DSL, dann ist die Gefahr gebannt, sich beim Surfen nach Fickbildchen einen Dialer einzufangen.
Aber eine Pointe des hübschen Artikels meiner Leib- und Magenzeitung will ich dem geneigten Leser und der wohlwollenden Leserin nicht vorenthalten:
Zitat: |
In der Senatsjugendverwaltung rät man Eltern, sich an die Lehrer oder den schulpsychogischen Dienst zu wenden. "Die Lehrer sind entsprechend fortgebildet." sagt Behördensprecher Thomas John. |
Und jetzt schreibe ich besser nicht weiter, sonst muss ich mir eine neue Schreibtischkante bestellen.
06.03.2003
© BurkS |