Wollt ihr die totale Diktatur der Mediokren?
Da waren's nur noch zweiDas war's wohl für den DJV Berlin. Aus und vorbei. Der Gründungsverband des DJV, der am 11. September (sic) Insolvenz angemeldet hatte, stand zum Schluss allein da. Auf der Sitzung des Gesamtvorstands des DJV am 05.11. wollte niemand mehr hören, wie eventuell etwas zu retten sei. Die Parole war klar und wurde später - während des Verbandstages in Saarbrücken - von mehreren Rednern bestätigt. Geht doch rüber! Die 2300 Mitglieder sollen in den Verein Berliner Journalisten wechseln, der Schwanz soll also mit dem Hund wedeln. Von den Delegierten des DJV Berlin waren die meisten ohnehin schon zu Hause geblieben.
Vielleicht hilft ein nur theoretisch denkbarer Vergleich. Man stelle sich vor, der saarländische Ministerpräsident hätte die Gelder zum Fenster hinausgeworfen und sich bei einer Wahl, angesichts einer starken Opposition, kurzerhand von nicht wahlberechtigen französischen Söldnern die Macht erhalten lassen. Die Opposition sei anschließend nach Rheinland-Pfalz ausgewandert - bis auf einen kleinen verschworenen Haufen, der beim nächsten Versuch dann doch den Ministerpräsidenten abgewählt hätte. Mittlerweile hätte aber die deutsche Bundeskanzlerin ein neues Saarland ausgerufen, das aber nur halb so groß wäre wie das alte, und es zwei Jahre lang finanziell alimentiert - aus Mitteln der anderen Länder. Mittlerweile hätte die Revolutionsregierung im alten Saarland feststellen müssen, dass die alte Regierung so viele Schulden hinterließ, dass an einen geordneten Staatshaushalt nicht mehr zu denken war. Wohlgemerkt: Ein großer Teil der alten Regierungsmannschaft hätte sich rechtzeitig ins neue Saarland abgesetzt, obwohl diese Herrschaften für das Desaster mitverantwortlich waren. Und jetzt käme die Parole aus Berlin: Liebe Bevölkerung des Saarlandes, wir werden euch nicht unterstützen, wir haben selbst kein Geld. Geht doch rüber in's neue Saarland! Und wenn nicht: Uns ist es egal, ob die Franzosen euch eingemeinden!
Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden sich an die Stirn tippen und ausrufen: Das wäre doch ein Irrenhaus! Ja, hört, hört, sehr wahr - und sein Name ist DJV. Bei der ersten Spaltung des DJV in Berlin, als der Verein Berliner Journalisten entstand, war ein erklecklicher Teil der Mitglieder nicht in den neuen Verein eingetreten, sondern zur Konkurrenz dju gewechselt oder ganz ausgetreten. Wer nach zwei jahren innerverbandlichen Streites immer noch im DJV Berlin geblieben war, der hatte seine Gründe, und wird jetzt, nach einem erneuten Aufruf, auch nur noch den Mittelfinger heben.
Fazit: Der DJV wird erneut rund 2000 Mitglieder auf einen Schlag loswerden. Macht nix, sagen sich die Funktionäre, wir haben ja schon einmal billigend in Kauf genommen, sogar 7000 Mitglieder zu verlieren. Zum Glück für die Apparatschiks ging das damals schief. Aber jetzt wird es ernst, und es geht an's Eingemachte. Dieses Desaster, so muss man befürchten, wird den nur noch zweitgrößten Journalistenverband Europas so nachhaltig beschädigen, dass er in die zweite Liga wird absteigen müssen.
Unter Hasspredigern
Die taz, so berichtet Spiegel Online, wurde beim Gewerkschaftstag der IG Metall ausgeladen. "Grund sei ein Artikel vom 3. September: Ein Autor hatte über den bisherigen IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters berichtet, dieser werde von internen Gegnern manchmal "Stalin" genannt, hieß es in dem Text. Dies habe die IG Metall zum Anlass genommen, den Autor für unerwünscht zu erklären." Der DJV hat dazu eine heuchlerische Presseerklärung verfasst und den Ausschluss als einen "Affront" bezeichnet. Heuchlerisch deshalb, weil der Journalistenverband mit seinen internen Kritikern nicht viel besser umgeht. Wenn ein Funktionär fordert, diese gehörten nicht in den DJV, erheben sich bis auf eine Handvoll Aufrechter alle Anwesenden und jubeln.
Ich bin einer dieser Kritiker. Ich weiß zwar nicht, was man mir vorwirft, aber es wird vermutlich der "Tonfall" dieses und des Recherchegruppe-Blogs sein. Außerdem spreche ich Wahrheiten besonders gern dann aus, wenn sie niemand hören will. Nachdem der Bundesvorsitzende Michael Konken das Desaster, das er angerichtet hat, in seinem Rechenschaftsbericht als gute Nachricht verkaufen wollte und das Publikum mit Binsenweisheiten langweilte, hatte ich meine Wortmeldung rechtzeitig abgegeben und wäre der erste Redner der Aussprache gewesen, wenn sich nicht Alexander Fritsch, Schriftführer des Vereins Berliner Journalisten und Mitglied des Tagungspräsidiums beim Verbandstag, vorgedrängelt hätte.
Ich darf naseweis anmerken, dass ich es war, der Fritsch vor einigen Jahren angesprochen hatte, ob er sich nicht der Opposition gegen den damaligen Vorsitzenden des DJV Berlin anschließen wolle. Er erschien mir wegen seines obligatorischen Schlipses auch für rüstige Rentner wählbar, die wir als Unterstützer benötigten.
Fritsch, nach eigenen Angaben "Politprofi" (Anfang der 90er wurde er beim Nachwuchs der FDP gesichtet), mimte am Dienstag in Saarbücken den Einpeitscher, zitierte die DJV-kritische anonyme Publikation "Der Stadl" und wetterte dann gegen den "Herrn Conen", der mit dem gewöhnlich sehr pointiert formulierenden "Stadl" in Verbindung gebracht wird und der gern auch intellektuell zu klein geratene Funktionäre mit Stalin und anderen Bösewichtern vergleicht, und gegen "Herrn Schröder" - also mich. Solche Leute gehörten nicht in den DJV, die Kritiker bewegten sich "am Rande der Legalität" und noch ein paar populistische Parolen mehr. Es hörte sich an, als plusterte sich jemand mächtig auf und pfiff dann in einem finsteren Wald sehr laut vor sich hin.
Dann kam jedoch etwas, was mich erschaudern ließ: Die Gemeinde erhob sich und sang zwar kein Lied, aber spendete stehend Beifall. Mitglieder des Bundesvorstands standen auf, und alles taten es ihnen nach. Eine Kuh kackt, und alle anderen sind solidarisch und lassen auch etwas fallen. Gemeinsam kackt es sich eben viel schöner. Es hätten nur noch der reinkarnierte Erich Honecker auf der Bühne gefehlt und eine Schalmeien-Kapelle, die einen Tusch intonierte. Auch diejenigen Delegierten, die im privaten Gespräch ganz vernünftig erschienen und mir am Vortag zum Teil lebhaft zugestimmt und Recht gegeben hatten, machten mit. Welch eine Versammlung von Feiglingen und Opportunisten! Ein gefestigter Demokrat jedoch ist nur jemand, der sich dem emotionalen Sog der Masse entziehen kann und bei seiner eigenen Meinung bleibt. In diesem Sinne kann einem vor der Gruppendynamik des DJV-"Parteitags" nur gruseln. Wie würden sich diese Damen und Herren Kollegen in einer Diktatur verhalten? Und wieviel Angst müssen sie haben, wenn sie sich von einem Bonsai-Hassprediger gleich einlullen lassen und sich in eine mentale Wagenburg zurückziehen?
Lassen wir doch zum Thema einen anderen "Liberalen" zu Wort kommen, den die Salonfaschisten von der Jungen Freiheit vor sieben Jahren publizieren ließen: "Eine personenbezogene Argumentation ist natürlich verlockend, denn nichts macht mehr Spaß, als einen Täter zu finden und ihn zu demaskieren. Als Held fühlt man sich in einer Gruppe immer dann, wenn man den "Bösen" in der Gruppe identifiziert und ihn am besten gleich aus der Gruppe schmeißt. Es hat etwas Befreiendes, Erlösendes und Selbstreinigendes, die Gefahr zu erkennen und zu benennen. Glaubt man doch, als der eigentlich Mutige erkannt zu werden in einer Gruppe, der endlich ausspricht, was alle denken und keiner sonst sich zu sagen getraut. (...) Doch wie schon die Gruppendynamik lehrt, gehen solche Aktionen fast immer schief. Die erzwungene Eliminierung eines "störenden" Mitglieds in einer Organisation bringt die Zurückbleibenden nicht näher zusammen. Wer glaubt, daß alles leichter geht, wenn nur der "Eine" oder die "Andere" endlich aus der Gruppe hinausgeschmissen wurde, wird sehr bald erkennen, wie verbindend so mancher angebliche "Störenfried" wirkt. In einer Gruppe oder Organisation gibt es nicht "den oder die" Einzelne, der/die den Erfolg der ganzen Gruppe gefährdet, sondern alle gemeinsam verlieren oder gewinnen."
Mir macht so etwas natürlich Spaß. Die Attitude "Allein gegen alle" (Hans Rosenthal) oder "Viel Feind, viel Ehr' (Klaus Störtebeker) ist aus sportlicher Sicht viel unterhaltsamer als sich dem bräsigen Mainstream anzuschließen. Ich habe in meinem Redebeitrag Konken vorgeworfen, den Verband an den Rand des finanziellen und medienpolitischen Ruins geführt und rund 900.000 Euro bei den gescheiterten Ausschlüssen der Landesverbände in Berlin und Brandenburg vergeudet zu haben. Das alles ist unstrittig, auch die Tatsache, dass es dem DJV mit seinem durch nichts begründeten Starrsinn sogar gelingen wird, noch in diesem Jahr den ehemals angesehenden Presseausweis zu verlieren. Man muss es noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben der Nachwelt erhalten: 900.000 Euro sinnlos verpulvert, den DJV in Berlin und Brandenburg gespalten, paralysiert, der Gründungsverband insolvent und vor der Abwicklung, der Verein Bildungswerk e.V. aufgelöst, sinkende Mitgliederzahlen und das Vermögen so bedrohlich zusammengeschmolzen, dass die Rechungsprüfer - vergeblich - zur Kurskorrektur aufriefen - die Bilanz Konkens ist eine Katastrophe. Grund genug für die Delegierten, ihn trotzdem wiederzuwählen. Dazu eine stellvertretende Vorsitzende Ulrike Kaiser, unter deren Verantwortung der Journalist vom Deutschen Presserat wegen falscher Berichterstattung verurteilt worden ist. Die Dikatatur der Mediokren ist eben nicht mehr aufzuhalten - und wer ihnen das unter die Nase hält, wird besonders deswegen gehasst, weil er Recht hat. Ein hessischer Kollege kündigte sofort nach der Wahl frustriert seinen Rückzug aus dem Verbandsleben an, ein anderer Kollege, der noch in der DDR aufwuchs, seinen Austritt: "Das ist ja wie in der SED."
Bezeichnend für das intellektuelle Niveau war wie gewohnt der bayerische Landesvorsitzende Dr. Wolfgang Stöckel, der mir noch beim letzten Verbandstag vorgeworfen hatte, "Bombenbauanleitungen" zu verbreiten. Ich saß auf der Empore und bloggte und lauschte amüsiert den Stöckelschen Tiraden gegen mich, die aber wegen gänzlich fehlenden rhetorischen Talents einherholperten wie ein einsamer Autoreifen auf Kopfsteinpflaster. Ich hätte die deutschen Journalisten insgesamt diskreditiert. Der Hintergrund: Am Vorabend hatte ich ironisch dem saarländische Ministerpräsidenten Müller entgegengehalten, der eine Art gentlemen's agreement zwischen Politikern und Journaille beschwor, dass der größte Wunsch eines englischen Journalisten es sei, einen nichtsnutzigen Politiker um seinen Job zu bringen, die des Deutschen aber, Pressesprecher zu werden und dass das viel erkläre. Ich hatte zahlreiche Lacher auf meiner Seite. Apparatschiks wie Stöckel, der PR für Schulen machen muss, finden so etwas natürlich gar nicht lustig.
GröKaLeiVaZ
Die zahlreichen wolkigen Presseerklärungen zum aktuellen Verbandstag geben Anlass, am Sinn und Zweck des DJV zu (ver)zweifeln. "Saarbrücker Erklärung zur Pressefreiheit": Schön und gut - aber ist das mehr als Moraltheologie? Gegen Online-Durchsuchung, na klar, aber kein Mitglied des Bundesvorstands ist in der Lage, eine verschlüsselte E-Mail zu schreiben. "Konken geißelt"Tarifflüchtlinge" (gemeint sind "Tarifflüchtige"). Oder: "Hände weg vom Streikrecht". Das hört sich so an wie: "Präsident des Bauernverbands gegen Streichung der Subventionen für die Landwirtschaft" - eine Meldung, die der Sprachpapst alias Wolf Schneider ausdrücklich für überflüssig hält, also verboten hat. Derartige Sprechblasen sind vielleicht gut gemeint, werden aber so folgenlos bleiben wie die Mannheimer Erklärung. Ich finde das alles peinlich. Aber die, die sich das ausgedacht haben, kommen sich unglaublich wichtig vor. Hier trifft die Redensart: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Und erst das Gerede vom Streikrecht! Woher soll der Journalisten-Verband das Geld nehmen, um zu streiken? Wer sollte und würde das tun? Noch nicht mal ein Streik gegen die Verleger Lensing-Wolff ist zustande gekommen. Der böse kleine Wolff aus Münster eignet sich für den mediokren Pressemann Michael Konken natürlich gut als Erzfeind; das Niveau ist vergleichbar, von Verbandsliga zu Verbandsliga sozusagen.
Der DJV hat nicht mehr oder weniger Zukunft als die Dampfplauderer von Netzwerk Recherche, die GröKaLeiVaZ ("Größte Karteileichen- Versammlung aller Zeiten") dju, ein Familienbetrieb wie der DPV, das schon nach kurzer Zeit wieder verstorbene Sportnetzwerk oder eine "Ein-Mann-Show" mit Service wie Freelens. Man sollte einen Verband nicht wechseln, auch nicht eine Partei. Woanders ist es nicht besser. Entweder man mischt in dem Laden, in dem man Mitglied ist, kräftig mit, oder man sollte gleich zu Hause bleiben. Das gilt insbesondere für JournalistInnen. Den - mit Verlaub! - Lahmärschen sei die Lektüre der Offenbarung des Johannes empfohlen, der Brief an die Gemeinde in Laodizea: "Ich kenne deine Werke. Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien."
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