burks
Webmaster
Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln
|
Verfasst am:
08.08.2004, 13:13 |
|
| [NETZ]KULTUR | | Aktuell | 08. August 2004 |
| | | GEFÄLSCHTES ENTHAUPTUNGSVIDEO Beheading Hoax: "Kopf ab" als Daily SoapVon Burkhard Schröder |
Benjamin Vanderford, 22. Computer-Experte aus San Franzisco, hat zugegeben, ein Video seiner eigenen Enthauptung produziert und im Internet verbreitet zu haben. Und alle sind hereingefallen. Warum? Weil die täglichen Meldungen kaum noch recherchiert werden und weil das Internet für viele Journalisten immer noch Teufelswerk ist.
Breaking News aus Irland berichtete am 07.08.2004: "A video found on an Islamic militant website today broadcast footage of an American man telling US troops to stop the occupation of Iraq and then showed his head being cut off. [...] The video, titled "Abu Musab al-Zarqawi Slaughters an American," interspersed the footage with graphic clips of dismembered and disfigured adults and children in Iraq. A recording of the Koran, Islam's holy book, played in the background."
Das ist man auch von deutschen Online-Medien zum Thema gewöhnt: "auf einer (militanten islamistischen) Website", "im Internet" - aber keine weiteren Angaben. Für Recherche im Internet gelten offenbar die Regeln des journalistischen Handwerks nicht. Schriebe die Printausgabe des Spiegel: "wie eine Zeitung berichtet", würde man sich wundern, dass die Quelle nicht näher benannt ist. Wenn es jedoch um "Websites" geht, ist alles erlaubt: die bloße Behauptung, ohne den Beweis in Form eines URLs, reicht aus.
Bisher hat kein deutsches Medium es gewagt, einen Link zu den doch mittlerweile recht zahlreichen Tötungs-Videos zu setzen. Alle Fragen und Zweifel, ob editiert, gefälscht wurde und eventuell Tatsachen nur vorgespiegelt wurden, bleiben daher im Mainstream unbeantwortet. Das Publikum wird mit Textbausteinen abgefertigt.
Warum sollte ich den langweiligen Quatsch lesen, wenn ich bei news.google.com und news.google.de mir aussuchen kann, zu welchem Thema ich welches Medium zur Kenntnis nehme? Warum sollte ich die Netzeitung und Spiegel online rezipieren, wenn ich auf privaten Seiten viel mehr Links, also Informationen bekomme? Die Medienkompetenz, um zu entscheiden, ob die angebotenen Informationen seriös recherchiert und fundiert geschrieben worden sind, habe ich, und im Zweifel prüfe ich selbst nach.
Die Konsequenz kann nur heissen: nichts zu glauben, solange etwas nicht bewiesen wird. Jeder Bericht eines Online-Medium, die die Quelle nicht verlinkt, obwohl sie unstrittig vorhanden ist, muss als unseriös gelten, ganz gleich, ob es sich um das investigativste aller Nachrichtenmagazine handelt oder um einen unbekannten Blogger.
Nachrichten, die ein psychisches Bedürfnis beim Publikum befriedigen, verbreiten sich wie ein Virus, schreibt Florian Rötzer in "Telepolis. Die Zutaten für ein "Enthauptungs"-Video sind mittlerweile Teil der Pop-Kultur: ein Opfer, mehrere vermummte Täter im Hintergrund, Waffen, der Koran (akustisch), ein Logo in arabischer Sprache und martialische Posen. Das Video muss ausserdem technisch dilettantisch sein, weil das Authentizität suggeriert. "Kopf ab" als Daily Soap.
Was bleibt, sind diffuse Gefühle bei den Rezipienten: Angst, Ekel, die Lust auf mehr Nervenkitzel. Insofern unterscheidet sich die Berichterstattung über den Terror im Irak und anderswo nicht von anderen Medien-Simulationen, in denen die Realität nicht mehr auftaucht, weil der Diskurs sich zum sinnfreien, weil moraltheologischen Traktat verwandelt hat: Rechtsextremimus, Drogen und Kinderpornografie.
---------------------------------------------------------------------------------------
BURKS ONLINE 08.08.2004 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
|
| |
|
|
|