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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Verfasst am:
28.09.2003, 23:01 |
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- Computer sind Waffen, Telepolis, 30.10.2000
- Die große Filteroffensive - Telepolis, 10.09.1999
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| DOSSIER TEIL 4 Kinderpornografie im Internet - die Geschichte eines Medien-HypesVon Burkhard Schröder |
Im Sommer 1998 katapultierte sich die äusserst dubiose belgische Bürgerinitiative Morkhoven in die Medien: sie habe einen Ring von Kinderschändern in Zandvoort aufgedeckt. Deren Sprecher, der arbeitslose Marcel Vervloesem, war, bevor die Medien ihn zum "Experten" für Verbrecherjagd ernannten, unter anderem dadurch aufgefallen, dass die Polizei ihn erwischte, als er mit einem Ambulanzwagen und Sirenengeheul Pommes frites kaufen ging. Laut Berichten der belgischen und niederländischen Presse wurde der "Pornobekämpfer" Vervloesem selbst schon wegen Sittlichkeitsdelikten verurteilt. Das hinderte die Medien nicht, die fragwürdigen Behauptungen der "Bürgerinitiative" für bare Münze zu nehmen. Typisch ist der Bericht der Schweizer Sonntagszeitung vom 19. Juli 1998 zum Thema: "Diese belgische Organisation hat sich dem Kampf gegen Kinderporno im Internet verschrieben. Das mittlerweile bekannteste Mitglied der Gruppe, Marcel Vervloesem, behauptet, im Besitz von Tausenden digital abgespeicherter Fotos aus Zandvoort zu sein, die zeigten, wie selbst ganz kleine, knapp dem Säuglingsalter entwachsene Kinder brutal missbraucht würden. Vervloesem hat in zahlreichen Fernsehauftritten in den letzten drei Tagen ausserdem gesagt, die gesamte Zandvoorter Administration befinde sich in seinen Händen: Adressen von Herstellern, Zwischenhändlern und Abnehmern der Kinderpornographie."
Prägend für die diffusen öffentlichen Emotionen, die nach dem schnell versickernden Thema zurückblieb, war, dass die Täter vorgeblich - so die "Bürgerinitivative" - viele E-Mail-Adressen hinterlassen hätten. Und: Die Polizei in Niedersachsen beschlagnahmte bei zwei Männern Hunderte von Bilddateien mit Kinderpornographie. In den Berichten der Fernsehsender sah man Monitore, auf denen die ekelhaften Abbildungen schemenhaft zu sehen waren, neben den Computern CD-Rom-Laufwerke, aber niemals eine Adresse im World Wide Web. Niemand hat auch jemals behauptet, die Tatverdächtigen hätten "über das Internet" mit dem Material gehandelt.
Die Sonntagszeitung fasst den - sachlich nicht gerechtfertigen - Zusammenhang zwischen "Kinderpornografie" und "Internet" so zusammen: "Wie immer es um die Glaubwürdigkeit der Gruppe stehen mag - das Material, das von der Polizei sichergestellt wurde, zeigt die Gefahren des zunehmenden Vertriebs von Kinderpornographie auf dem Internet. Zwar wurden in verschiedenen Staaten die Strafbestimmungen verschärft, doch in den Niederlanden und anderswo sind die Cybercops bisher finanziell und personell unterdotiert."
Tenor also: ganz gleich, ob die Behauptungen der Initiative "Morkhoven" irgendetwas mit der Realität zu tun hatten: im Internet werde Kinderpornografie vertrieben. Selbst wenn die "Cybercops" nur wenig personelle und finanzielle Mittel hätten, wäre es ihnen ein Leichtes, die Täter zu fassen und zu überführen, handelten die "im Internet" mit Fotos gequälter Kinder. Merkwürdig genug, dass niemand auf diesen Sachverhalt hinwies. Der immer wieder aktualisierte Medien-Hype - die suggestive Kombination der Begriffe "Internet&;;quot; und "Kinderpornografie" - hat sich in Deutschland in das öffentliche Bewusstsein eingebrannt und wird auch durch Argumente vorerst nicht zu erschüttern sein.
Ein weiteres Beispiel zeigt ein ähnlicher Bericht aus dem Jahr 2000. Am 27. September meldeten der Newsticker des Heise-Verlags und danach die meisten deutschen Medien, das italienische Fernsehen habe berichtet, dass italienische und russische Behörden einem internationalem Kinderporno-Ring auf der Spur seien, der
"...per Internet Bilder von Gewalt, Folter und Mord verbreitet hat. Einige der Opfer seien weniger als ein Jahr alt. Die Filme seien an Kunden in Deutschland, den USA sowie Italien und Russland verkauft worden, berichtete das staatliche italienische Fernsehen am Mittwoch. Für besonders grauenhafte Folterszenen seien Preise bis zu 6000 US-Dollar gefordert worden. ... Selbst Fahnder zeigten sich von der Grausamkeit der Bilder bestürzt. Unter anderen sei ein erhängtes junges Mädchen zu sehen. Andere Filme zeigten Vergewaltigungsszenen. "Die Ermittlungen hinterlassen selbst bei den Fahndern ein Gefühl der Verzweiflung", sagte ein italienischer Beamter." Die Grauen erregende Geschichte hatte einen Fehler: Es ging um Videos, und die wurden nicht über das Internet vertrieben. Die Story hatte mit "dem Internet" rein gar nichts zu tun.
Ähnlich ein Bericht vom 10. Oktober 2000, den man schon als bewusste Irreführung einschätzen kann. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes wachse der Markt für Kinderpornografie im Internet "beständig." Die Ermittler machen dies vor allem an der Größe von sichergestellten Datensammlungen fest, wie der BKA-Sprecher Dirk Büchner sagte. Diese Datensammlungen stammten aber ebensowenig aus "dem Internet" wie die oben erwähnten Videos. Das sagte weder der Sprecher des Bundeskriminalamtes noch schrieben es die Zeitungen. Sie suggerierten es nur, vor allem durch den Nachsatz, der ohne Absatz angehängt wurde.
"Das Internet mache den Austausch von Kinderpornografie wesentlich schneller und einfacher, beschrieb Büchner die allgemeine Situation im Kampf gegen Kinderschänder." Das stimmt, denn Binärdateien - wie digitalisierte Fotos - könnten per E-Mail oder IRC - der traditionellen Form des Chats -wesentlich leichter, schneller und sicherer versendet werden als mit der traditionellen Briefpost. Aber das ist keine überraschende Erkenntnis und ausserdem für Kriminelle ein hohes Risiko, wenn sie den Empfänger nicht gut und persönlich kennen. Sie rechtfertigt keine Forderungen, "das Internet" mehr zu kontrollieren.
Die Serie Cyberporn ist Teil des Buchmanuskripts "Jugendschutz im Internet". Das Buch sollte vor einigen Jahren bei Rowohlt erscheinen, wurde aber wegen Krankheit und anderer Ursachen nicht fertig geschrieben. Heute wäre es nicht mehr aktuell.
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