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 [Spuren der Macht] Der Name der Tulpe 1: Vigil und Laudes Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 26.06.2003, 00:21 Antworten mit ZitatNach oben

Diese - stark gekürzte - Geschichte erschien 1990 in meinem Buch Spuren der Macht im Rowohlt-Verlag. Ich hatte mich eine Woche in einem Kloster einquartiert. Dort erfuhr ich von einem mysteriösen Todesfall und recherchierte in der Klosterbibliothek...

[Der Name der Tulpe 1] Vigil und Laudes

"Das ist kein vollkommenes Gebet, bei dem der Mönch sich selbst und das, was er betet, versteht."
Johannes Cassianus (360-435)

Noch ist die Nacht schwarz wie die Kutte eines Benediktiner-Mönches. Gestalten huschen durch den Kreuzgang. Die spärliche Beleuchtung läßt die neoromanischen Bögen, die bunten Fenster zum Hofgeviert und die schweren hölzernen Türen im Halbdunkel. Eine geschnitzte Maria hält den Schmerzensmann im Arm, beide umflackert vom rötlichen Schein einer Kerze.

Fünf Uhr fünfzehn: Zeit für das erste der Stundengebete. Hier, in einer Benediktiner-Abtei unweit von Münster im Westfälischen, beginnt der Tag mit Vigil, dem ehemaligen "Nachtoffizium", direkt gefolgt von Laudes, dem eigentlichen Morgengebet, früher, vom heiligen Benedikt, noch Matutin genannt.

Es war ein klarer spätwinterlicher Nachmittag gegen Ende Januar. Am Morgen hatte es noch ein wenig geregnet, und nun leckte die Sonne die letzte Feuchtigkeit von den Feldern. Als ich die Antobahn verließ, sah ich zum ersten Mal die Abtei. An den Hand eines Hügels geschmiegt, überragte sie wie eine Raubritterburg die Gehöfte des Dorfes unten am Honigbach. Oben auf dem Hügelkamm, erzählt die Legende, rastet der Friese Liudger, der erste Bischof von Münster, als Missionar unterwegs, vor gut tausend Jahren, einen Tag vor seinem Tod. Der Sünt-Lüers-Weg erinnerte noch lange an ihn. Aber auch die, die er bekehren sollten, hatten ein Zeichen gesetz: am Fuße der heutigen Abtei opferten die Germanen ihren Göttern. Der Bonenjägerstein, dem Odin als Jäger geweiht, wurde Ende des 19. Jahrhunderts gesprengt, als man Steine für eine neue Straße benötigte - der Besucher muß sich dem heutigen Heiligtum, der Abteikirche, daher auf heidnischem Boden nähern.

Die Mönche, gut dreißig an der Zahl, nahmen mich freundlich auf - ich hatte mich als Gast für eine Woche der Besinnung angemeldet -, wiesen mir ein spartanisch eingerichtetes, aber komfortables Zimmer zu und machten mich mit ihrem, also auch meinem Tagesablauf bekannt. Ein Problem gibt es, das ich aber, um unfruchtbare Diskussionen zu vermeiden, für mich behaltet: vom Katholizismus, den ich studieren will, habe ich so viel Ahnung wie Eskimos von der Kamelzucht.

Die Benediktiner, der älteste der Mönchsorden, haben keine Regeln, die den Rahmen der uns bekannten Klistersitten sprengen würden, etwa ein absolutes Schweigegebot wie die Trappisten oder eine lebenslange, aber freiwillige Einzelhaft wie die Kartäuser. Seit dem sechsten Jahrhundert gilt für sie aber: unverzüglicher und absoluter Gehorsam gegenüber ihrem Abt. "Im Blick auf Gott", so formulierte der Ordensgründer Benedikt von Nursia, "folgen in Sekundenschnelle Befehl und Ausführung aufeinander."

Der Mönch, der sich der Ordnung einer Abtei unterwirft, soll "böse Gedanken und heimliche Fehler" dem Abt offenbaren, schweigend ausharren, auch wenn ihm Beleidungen zugefügt werden, den eigenen Willen aufgeben und "nicht leicht und sofort zum Lachen" neigen. Außerdem verzeichtet der Benediktiner auf persönliches Eigentum: "Die Mönche verfügen ja auch nicht frei über ihren Leib und ihre Gedanken." Man dürfe nichts haben, "was der Abt nicht gegeben oder nicht erlaubt hat."

Warum sich jemand freiwillig in die Hände einer allgewaltigen Macht begibt, lebenslang, und, als wenn das noch nicht genug wäre, auch auf emotionalen und sexuellen Kontakt dem dem anderen Geschlecht verzichtet, ist dem "normalen" Menschen vermutlich schwer verständlich. Oder reicht die strenge Erklärung des Paderborner Theologen und Kirchenkritikers Eugen Drewermann aus? Der behauptet unter anderem, das Psychogramm eines typischen katholischen Klerikers ähnele dem des "häßlichen Entleins". Ein Mann, der in seiner Jugend "mickrig, verhuscht, gehemmt, verschüchtert" gewesen sei, der "Gemiedene der Spielplätze, das Mauerblümchen der Klassenfeste, die verlachte Unschuld vom Lande könnte seine Minderwertigkeit im Gewand des Klerikers kompensieren. Wer ihn jetzt, als Ordensmann, nicht gespektiert, ist ein Gottloser. Jetzt erfährt er Respekt, Liebe, Achtung, Ansehen. "Die ehemals Verzweifelten sind jetzt die Lieblinge Gottes." Und, das ist eine erste Wertung: "Man kann auch herrschen, indem man sich selbst unterdrückt."

Die Mönche haben inzwischen das Portal zur Kirche passiert. Ich warte hinten in einer Bank, frierend und mit leerem Magen. Zwischen dem Kloster und der dreischiffigen Basilika gibt es zwei Türen. Vorher wurde mir von dem mich betreuenden Pater eingeschärft, um Gottes willen nicht die rechte der beiden zu benutzen. Dann dächte nämlich die harrende Gemeinde - zumeist Gläubige aus dem umliegenden Dörfern -, Abt und Mönche beträten den Raum, und würden sich unverzüglich erheben, was aber bei meinem Erscheinen unpassend und für mich peinlich wäre.

Natürlich gehen Mönche und Abt nicht einfach wie normale Passanten einer Fußgängerzone auf ihre Plätze vorn im Chor. Sie schreiten, langsam, zu zweit und im Gleichschritt, in gleichem Abstand hintereinander, der Abt vorneweg. Der besondere Art des Schreitens soll das Heilige der Handlung betonen. Der Ursprung des Wortes heilig entstammt dem Umkreis von Zauber. Heilig ist etwas dann, wenn wir es vom alltäglichen Geschehen, von dem , was wir kennen und was wir gewohnt sind, eindeutig aussondern können.

Der Pater und die einfachen Brüder, beim Stundengebet in der Kleidung nicht voneinander zu unterscheiden, erklimmen die Stufen zum Altar, einem schlichten,aber dennoch wuchtigen Block aus italienischem Travertin. Sie verbeugen sich zu zweit und begeben sich jeweilis rechts und links in das Chorgestühl. Hinter dem Altar, in der Ostwand der Basilika, können die Gläubigen ein Bild des christlichen Gottes, in diesem Fall seines Sohnes, betrachten. Es thront riesig über dem Geschehen.

Der Gesang hebt an. Die lateinischen Worte verhallten wegen der unmöglichen Akustik, dennoch wirken sie durch die Fremdartigkeit der Melodie feierlich. Der Singsang besteht nur aus einem einzigen Ton. Die Sänger beschwören zunächst den Namen des Gottes. Dann betonen sie dessen Bedeutung und Größe, nicht unähnlich dem mohammedanischen allahu akbar; zuletzt referieren sie musikalisch einige Dogmen der christlichen Religion, insbesondere das der "Erlösung" von Schuldgefühlen durch ein Blutopfer.

Nach der Hmyne folgen zwei "Nokturnen" gesungene Psalmen und Wechselrufe zwischen Vorsänger und dem Chor. Der zweite Teil, Laudes, ist ähnlich aufgebaut, nur daß der Text sich mehr auf das mönchische Leben bezieht. Man sing: "Fern bleib' Fleischeslust mit ihrer schmeichelhaften Glut". Und der Wunsch: "Nicht komme unser Herz zu Fall durch List der Welt."

Die Benediktiner in meiner Abteil beten sechs Mal am Tag, neben Vigil und Laudes, die sie zu einem Gebet zusammengezoegen haben, um nicht kurz nach Mitternacht aufstehen zu müssen, um neun, anläßlich des Hochamtes, mittags vor dem Essen, Sext genannt. Non, nach dem Essen, um halb sechs zur Vesperzeit, woran die Bezeichnung Vesperale erinnert, und vor dem Zubettgehen die Komplet, dann, wenn alles getan ist.

[Der Name der Tulpe 2] Sext
[Der Name der Tulpe 3] Non
[Der Name der Tulpe 4] Vesperale
[Der Name der Tulpe 5] Komplet

Der Name der Tulpe - die 5teilige Serie im pdf-Format, 1 Euro, ca. 600 kb

26.06.2003
© BurkS

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