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 Der 17. Juni für Kaltduscher Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 16.06.2003, 23:37 Antworten mit ZitatNach oben

Nein, der 17. Juni 1953 war keine Revolution. Und obwohl der Totalitarismus-Diskurs sich wie Mehltau über alle Medien legt: heute geht es ausschliesslich und überall darum, dass die deutsche Nation sich selbst feiert. Man ist wieder wer. Dazu gehört auch, dass die Deutschen sich einbilden, sie könnten eine Revolution machen und hätten eine gemacht. Das ist gelogen und verfälscht, dazu braucht es mehr. Halten wir uns also an die Fakten.

Eine Revolution wäre: die herrschende Klasse soll gestürzt und werden. Karl Marx schreibt in Der Charakter der Kommune: "Alle Revolutionen vervollkommneten auf diese Weise nur die Staatsmaschinerie, statt diesen ertötenden Alp abzuwerfen." Siehe Ostdeutschland 1953. Man kann behaupten, die Partei der DDR sei die herrschende Klasse gewesen, auch schon wenige Jahre nach Kriegsende, und ohne jede politische Legitimation war sie gewiss. Die Bürgerinnen und Bürger forderten freie Wahlen. Zu Recht. Das ist der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie. Aber auch im Sozialismus kann es Demokratie geben. Dubcek und der Prager Fühling sind ein Beispiel. Aber wer wäre dann an die Stelle der SED getreten? Forderten die Ostdeutschen die Wiedereinführung des Kapitalismus? Davon ist nichts bekannt.

Niemand glaubt doch im Ernst, dass die West-Alliierten damals eine Wiedervereinigung gewollt oder zugelassen hätten. Wenn die SED gestürzt worden wäre, wäre das für die herrschende Klasse im Westen ein Alptraum geworden. Die US-Amerikaner haben die Aufständischen in Ungarn 1956 allein gelassen, und sie haben beim Einmarsch des Ostblocks in die Tschechoslowakei nichts getan. Niemand wollte damals eine freie, demokratische oder gar eine sozialistische DDR.

Ganz im Gegenteil. Die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik hätten auf die Idee kommen können, ihre Nazi-Richter abzusetzen, die aus der Zeit des Nationalsozialismus übernommen worden waren: keiner dieser Justiz-Verbrecher ist je abgeurteilt worden. Die Westdeutschen hätten sich fragen können, warum der Artikel 15 des Grundgesetzes nicht realisiert wurde: Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz...in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Wer hätte das gewollt?

Alle Indizien und Fakten sprechen dafür, dass die herrschende Clique der SED, allen voran Ulbricht, den Zorn der Massen bewusst geschürt und in Kauf genommen haben, wie es Stefan Heym recherchiert hat. Das treibende Motiv war ein Ränkespiel, um die Macht Ulbrichts zu stabilisieren. Und natürlich lief vieles aus dem Ruder. Aber das Ergebnis war vorhersehbar: die russischen Panzer rollten für Ulbricht und gegen diejenigen Sozialisten und Kommunisten in der SED, die ihn stürzen wollten, um einen demokratischeren Sozialismus möglich zu machen. Aber wie immer ließen sich die Deutschen, die glaubten, eine Revolution zu machen, von ihrer herrschenden Klassen manipulieren. Das gilt für West wie Ost, und ist seit dem Deutschen Bauernkrieg so. Welche "revolutionären" Ideen hatten die Aufständischen? Mehr und andere als die Berliner, die während der Hungerrevolten des 19. Jahrhunderts die Obrigkeit herausforderten? Beileibe nicht.

Die heutigen Feiern sollten vor allem eines bewirken: das Selbstverständnis einer Nation dokumentieren, die in der Rücksschau die Revolte der 68er - gegen den braunen Muff unter den Talaren und Roben - diskreditiert. Die Bundesrepublik hätte 1953 einen Volksaufstand ähnlich nötig gehabt. Und auch der wäre von Panzern niedergewalzt worden - allerdings von US-amerikanischen. Unter der schmierigen Schicht des "rot gleich braun"-Diskurses, der jetzt und besonders heute fröhliche Urständ feiert, erkennt man die zentrale Aussage: wir feiern, wir Deutschen, und die Einwanderer geht das nichts an. Die waren damals nicht dabei. Der "Aufstand" des 17. Juni ist das Vortrekker Monument der Deutschen.

Wie immer gilt: Von den Franzosen lernen heisst siegen lernen. Die haben 1968 eine richtige Revolution versucht - die Deutschen wollten nur den Marsch durch die Institutionen beschleunigen. Und eine Revolution im Kapitalismus kann nur eine zentrale Parole haben, wenn sie ernst gemeint ist: Gegen das Kapital. Aber das kriegen die Deutschen nie hin. Die würden auch im Schlachthof einen runden Tisch zwischen Schlachter und den zu schlachtenden Lämmern vorschlagen, umrahmt von einer Lichterkette, die der Schlachthof-Pfarrer in den Händen hält.

17.06.2003
© BurkS

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