Eines seien Sie versichert, liebe wohlwollende Leserin und geneigter Leser: solange ich hier für ein gesellschaftlich marginales Nischenpublikum schreibe, will sagen: zwischen fünfzig und 2000 Rezipienten, strenge ich mich nicht mehr an als die unerreichten Vorbilder Telepolis, Spiegel online, Tagesschau.de, N-TV und andere Medienprodukte mit qualitativ hochwertigem content. Wer käme auf die verschrobene Idee, sich über das Thema Irak bei burks.de zu informieren? Dieses kleine Familienforum hat jedoch, da haben Sie Recht, einen unschätzbaren Vorteil: hier gibt es die Links en masse, nach denen die Avantgarde der Info-Elite hungert, und zwar weltweit.

Die gute alte Tagesschau meldet: "Drei Tote bei Schießereien im Irak." Also Peanuts, wenn man die Massaker im Kongo denkt. Genauso wie die unvermeidlichen Zitate des Senders Al Jazeera: "Vier Kinder seien in Falludscha durch die Explosion von Überresten einer amerikanischen Streubombe getötet worden, berichtete der Reporter des Senders in Falludscha." Aber wie ist dieser "Kleinkrieg", wie Spiegel online kühn formuliert, von einem Großkrieg, gar einem Guerillakrieg alias Befreiungskampf gegen die alliierte Besatzung zu unterscheiden?

Unser Nachrichtensender N-TV übernimmt bruchlos die Sprachregelung der Wehrmacht: jeder, der gegen die USA ist, ist ein Terrorist. "Jagd auf Terroristen" - im II. Weltkrieg hieß es noch vornehm "Freischärler". Die waren für reguläre Soldaten Freiwild. Immerhin ist das "Terroristen-Ausbildungslager", das bombardiert wurde - wieder Peanuts: nur rund 100 Tote - ein "angebliches". Man beachte die ungewohnt kritische Distanz zur US-Propaganda! Bevor wir alle investigativen Online-Recherche-Register ziehen, gestatten Sie mir, etwas Kritisches zur TAZ anzumerken. Sehr schön reisserisch heisst es dort, als berichte Scholl-Latour über die Tet-Offensive des Vietcong: "Gegner des Umsturzes in Irak haben erstmals von den USA eingesetzte Behördenvertreter angegriffen. Die Aufständischen schossen gestern auf das Büro des Bürgermeisters und das Gerichtsgebäude in Falludschah. In Chaldijah wurde die örtliche Polizeiwache angegriffen." Aber wer ist gemeint? Welcher Umsturz? Der des Saddam Hussein oder der Umsturz der Invasoren?

Im Ernst: der Widerstand der Iraker wird die Alliierten letztlich vertreiben. Ich bin kein Nah- und Fernostexperte, aber die Terminologie der Medien ähnelt doch sehr der aus dem Vietnam-Krieg. Telepolis berichtet detailliert von Gerüchten, dass ein Guerillakampf und spektakuläre Anschläge bevorstünden. Die Quellen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Leider hat keine deutsche Zeitung es bisher für nötig erachtet, diese zu erwähnen. N-TV zitiert die in London erscheinende Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi, natürlich ohne einen Link auf dieselbe zu setzen: die habe einen Brief Saddam Husseins publiziert. "Darin werden alle Ausländer zum Verlassen des Iraks aufgefordert. Der Brief stamme vom 12. Juni und richte sich außerdem an die Iraker, die zum Widerstand gegen die amerikanisch-britische Besatzung und die neuen Truppen, "Dänemark und die Polen und andere Ungläubige" aufgerufen werden." MSNBC berichtet von einer "unheiligen Allianz" zwischen Anhängern der Baath-Partei und Islamisten und davon, dass diese einen Schlag gegen die Alliierten planten. Florian Rötzer zitiert einen Artikel der thailändischen Zeitung, der eine "The Saddam intifada" heraufziehen sieht: