Leserbrief von Erfinder des Portable Document Format-Virus
Bei Telepolis rauschte jüngst ein "Leserbief" herein. Telepolis ist bekanntlich ein Online-Magazin und gilt laut Wikipedia "als Aushängeschild des deutschsprachigen Online-Journalismus." Man kann jeden Artikel kommentieren, bis hin zum gepflegten flame war. Wer also etwas zu bekritteln hat, darf das einfach tun. Mit dem Online-Journalismus stehen jedoch die Apparatschiks des DJV bekanntlich auf Kriegsfuß. Statt also selbst meinen Artikel zu kommentieren, schreibt man lieber "Leserbriefe" und fordert andere auf, diese dann zu publizieren. Da ich den Artikel hier auch veröffentlicht habe, kann ich das Elaborat zur Erheiterung der wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser ebenso auf spiggel.de "abdrucken".
Der Verfasser ist der Pressesprecher des DJV, Hendrik Zörner. Zu Zörner muss man noch sagen, dass er als der Erfinder des pdf-Virus gilt, den es genausowenig gibt wie eine Schäublesche Online-Durchsuchung. Vermutlich um Mitglieder des DJV daran zu hindern, den anonyme und kritischen Stadl (nur als pdf) zu lesen, entblödete sich der Pressesprecher des DJV nicht, vor mehr als einem Jahr zu schreiben: "Am Freitagnachmittag wurde von einem anonymen Absender wieder das dubiose Pamphlet Stadl verschickt. In mindestens einem Fall wurde am Sonntag beim Öffnen des Anhangs der PC mit einem Virus infiziert. Deshalb wird vor dem Öffnen des Anhangs “Stadl 2006 August.pdf” dringend gewarnt."
Das ungefähr ist das intellektuelle Niveau, auf das die Leserinnen jetzt mental vorbereitet sein müssen. Hier also der Leserbrief:
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben in Telepolis den Artikel "Presseausweis kaputt" von Burkhard Schröder veröffentlicht. Da dieser Artikel fehlerhaft ist, bitte ich Sie um Abdruck des folgenden Leserbriefs.
Verzicht auf Recherche
Burkhard Schröder, der Autor des tendenziösen Machwerks mit der Überschrift "Presseausweis kaputt", scheint es mit der Recherche nicht allzu genau zu nehmen. Er schreibt über ein Treffen des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Erhard Körting, mit den Verbänden am 29. November und zitiert nicht namentlich genannte Teilnehmer: Körting habe über den DJV gewitzelt, der sei "vielleicht seriös, aber pleite". Ginge es Herrn Schröder um Information und nicht um Agitation, hätte er hinzufügen müssen: "Auf den scharfen Protest von DJV-Justiziar Benno H. Pöppelmann hin nahm Körting die Bemerkung in aller Form zurück." Das hätte Herr Schröder bei einem Anruf in der DJV-Pressestelle selbstverständlich erfahren, doch auf den Kontakt hat er lieber verzichtet. Vielleicht deshalb, weil die vollständige Information nicht mehr so gut in seinen Tendenzbericht gepasst hätte?
Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um die Meinung des Autors zum Presseausweis. Da haben wir eine völlig andere, aber im Rahmen der Meinungsfreiheit kann Schröder natürlich zu solchen Schlüssen kommen. Es geht vielmehr um das Prinzip, durch Weglassen Sachverhalte so lange durchzukneten, bis sie zur eigenen Meinung passen. Mit dem Gebot der Wahrhaftigkeit im Journalismus hat das nichts zu tun.
Hendrik Zörner, DJV-Pressesprecher
Dummerweise weiß ich im Gegensatz zu Zörner, was Recherche ist. Anrufe bei Pressesprechern gehören nicht dazu, die verbeiten nur Agitprop und werfen Nebelkerzen. Ich hatte zwei unabhängige Zeugen befragt, die beide bei der Sitzung anwesend waren, und beide schilderten den Sachverhalt so: Der DJV-Justiziar Pöppelmann antwortete auf Körtings Witzelei, pleite sei nur der DJV Berlin, woraufhin Körting nicht reagiert, sondern nur eine ärgerliche und abwehrende Handbewegung gemacht habe. Körting hat gar nichts zurückgenommen. So what?
Der "Leserbrief" bezweifelt also nicht die dargestellten Fakten, sondern jammert darüber, dass nicht der gefragt wurde, dessen sattsam bekannten Textbausteine zum Thema ich schon kenne. Körtings Gag war nur ein winziges Details am Rande. Aber sich über so etwas künstlich aufzuregen, dient dazu, vom Wesentlichen abzulenken. Wer will, kann sich auch noch andere Berichte zu Gemüte führen, etwa bei MedienCity ("Wenn Kinder streiten") oder sich das Interview anhören, das ich Radio Corax gegeben habe.
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