"Chinesisches Model hält um Sarkozys Hand an", lautet die Schlagzeile bei Spiegel Online: "Namu stammt aus einem Volksstamm, in dem die Frauen die Macht haben und sich einen Mann zum Heiraten aussuchen." Manchmal frage ich mich, ob die Unfähigkeit deutscher Online-Medien auch nur fünf Minuten zu recherchieren, nur der mangelnden Zeit zu verantworten oder der Technik des CMS, die Links ins gefährliche Word Wide Web verbietet, oder ob es sich nicht schlicht um abgrundtiefe Dummheit handelt.
Die Dame, um die es hier geht, heißt Yang Erche Namu und ist nicht nur in China, sondern weltweit bekannt und steht für eine "neue kulturelle Revolution" post-kommunistischer Pop- und TV-Idole. Bei Spiegel Online ist man offenbar noch nicht einmal in der Lage, nach der exakten Zeichenkette "Yang Erche Namu" zu suchen. Blogs sind wesentlich besser - weil sie eben Links setzen und nicht zu faul dazu sind. Nieder mit den Leitmedien!
Die britische Times hat schon vor einem Monat alles zur Person des chinesischen Stars geschrieben: "Yang Erche Namu is somehow both a predictable and unimaginable candidate for playing the part of China’s Paula Abdul (the American Idol judge who is a constant source of gossip). She is a model of the conflict between what audiences want to watch and what Chinese censors claim to want to conceal. And her reputation is for being more “scandal-dogged” than Paula and meaner than Simon Cowell. Already famous for her kiss-and-tell books and an English-language memoir, Leaving Mother Lake, she grew up on the border of China and Tibet, at Lugu Lake [Google maps], among Mosuo women, a matrilineal society that practises female polygamy. Her mother’s advice to Namu was that good sex means good skin, and if she didn’t want zits she’d have to take a lover. It worked. The once-barefoot goat herder spent the better part of her twenties as a model, singer and celebrity. She attracted international media attention in the 1990s after the publication of Leaving Mother Lake."
Die Mosuo kann das als "Ethnie" bezeichnen, was aber nur ein Synonym für "Volk" ist, keineswegs aber für "Stamm" oder gar "Volksstamm". Dann müsste man auch formulieren, Stoiber gehöre dem bayrischen Volksstamm an. Immer wenn es ums Völkische geht, fängt man in Deutschland an zu radebrechen und Begriffe aus der kolonialen Mottenkiste zu gebrauchen. Die Zeit schrieb dazu: "Bei den Mosuo im Südwesten Chinas haben die Frauen das Sagen. Die Ehe ist verpönt, der soziale Friede groß". Die Ehe ist verpönt? Warum will die Sängerin dann den französischen Staatspräsidenten heiraten? Auch der Telegraph schreibt: "a matriarchal people where the women never actually marry".
Die meisten Stories mit internationalen Themen, die in deutschen Online-Medien erscheinen, sind nicht selbst recherchiert, sondern einfach woanders ab- und umgeschrieben. In diesem Fall u.a. von ShanghaiDaily.com. Dort hieß es schon am 5.11. (!): "Yang, a member of the Mosuo minority, which has a tradition of allowing women to take several lovers and bear children without marrying, said on her blog that she felt excited when she heard the news that Sarkozy has divorced." On her Blog? Und wo ist der Link dazu? Immerhin verrät die Story, dass das Interview aus der Chengdu Evening News stammt (Sichuan aka Sezuan), "a chinese Tabloid.
Man muss nur zwei Minuten recherchieren und hat dann schon ein Video, in dem Yang Erche Namu alles zum Thema live erzählt. Und die Shanghai Daily liefert auch gleich ein Motiv, warum der chinesische TV-Star jetzt wieder gute Presse braucht: "Yang and two other female celebrities were fired in August from their jobs judging a controversial televised talent show due to their rude behavior." [Original-Video]
Die Dame ist ausgesprochen clever und beherrscht die Regeln des Show-Business. Und sie ist zynisch genug, das auszunutzen. Nicht nur Spiegel Online ist auf die Masche hereingefallen und suggeriert irgendetwas Hinterwäldlerisches: Dort, wo das Matriarchat noch herrscht, hinter den sieben Bergen, da leben komische Frauen in folkloristischen Gewändern, die den französischen Präsidenten heiraten wollen. In Wahrheit geht es um einen neuen Romanstoff und um mediale Aufmerksamkeit. Yang Erche Namu war schon mit einem norwegischen Diplomaten liiert und hat anschließend nicht nur darüber ein freizügiges Buch geschrieben - eine Weltbürgerin; die in Peking, Genf und San Francisco lebt. Was mit Sarkozy geschähe, wenn er das Angebot annähme, hat sie auch schon verraten: "When you take in a man, you spend a night with him and, if he performs well, you keep one of his gifts inside the house so that he knows he can return." |