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Vorgestern und gestern habe ich in der Berliner Journalisten-Schule ein Seminar abgehalten mit dem Titel "Investigative Recherche im Internet" - für Journalisten und artverwandte Berufe. Wenn man ein Seminar anbietet mit dem Titel "Recherche im Internet", kommt niemand, weil die Kolleginnen und Kollegen irrig meinen, sie könnten das ja schon und b) kommt niemand, weil niemand sich traut zuzugeben, dass er oder sie eben nicht online recherchieren können. Ich verrate hier etwas davon, was in diesem Seminar stattfindet - ich mache das an der BJS schon ein Jahrzehnt - das erste fand 1997 statt.

Beim Quiz, mit dem ich - nicht ganz ernsthaft - das Seminar beginne, erreichen die meisten Teilnehmer ungefähr eine richtige Anwort, maximal zwei. Danach traut sich niemand mehr, sich als Internet-Experte zu outen. Auch die Einstiegsfrage, was denn der Unterschied zwischen dem "Internet" und dem "Word Wide Web" sei, lässt die SeminaristInnen in der Regel aus allen Wolken fallen und nicht sehr Erhellendes einherstammeln. Und wenn es dann niemand schafft, live google.com einzugeben, weil immer automatisch google.de kommt und auch niemand erklären kann, a) warum das so ist und b) wie man das ändern könnte, ist die Stimmung gut und die Einsicht schon rudimentär vorhanden, dass man vielleicht doch noch was lernen könnte.

Gesetzt ist natürlich irgendwann die Lektüre des immer noch aktuellen Artikels von Jochen Wegner: "Bauer Poppe und die Googleisierung" - "Oder: Was heißt hier Recherche? Eine viel zu schnelle Suche mit ungefähr 16 Beispielen, 5 Studien und 4 Thesen." Danach ein eingehendes Studium der Booleschen Algebra der Suchmaschine Google anhand ausgewählter praktischer Beispiele. Diese sind aber zunächst nur Etüden in Google Dur und -Moll, also lexikalische Fingerübungen, für die niemand jeweils mehr als zwei Minunten brauchen sollte, der richtig suchen kann:

Suchen Sie die Homepage des jordanischen Geheimdienstes! - Der Vulkan Tungurahua in Ecuador ist ausgebrochen.

Finden Sie die Telefonnummer eines Interview-Partners in dem Ort, der in Sichtweite des Vulkans liegt! - Suchen Sie das psychologische Gutachten über den Boxer Mike Tyson! - Wer verkauft die Domain-Namen der Antarktis oder des Staates Tuvalu? - Wo lehrt der Professor, der den einfachen Beweis des Fermatschen Theorems führte, und wie heisst dieser Wissenschaftler? - Wie heisst die traditionelle Hängematte der Indianer Guyanas und wo kann man sie online kaufen? - Finden Sie eine Homepage, E-Mail-Adresse und/oder Postanschrift der Medizinischen Hochschule der Universität Suva auf Viti Levu (Fidschi)! - Wann starb das letzte deutsche Grubenpferd - und wie hiess es? Wie gesagt: Das alles ist kinderleicht.

Dann ziehen wir die Wissensschraube ein wenig an. Wer richtig recherchieren will, muss sich auch im Usenet auskennen, Userprofile erstellen können und in verschachtelten Diskussionsverläufen durchblicken: Am 1. April 1984 gab es einen berühmten Hoax im Usenet: Der russische Parteichef Chernenko schrieb, die Sowjetunion sei dem Internet beigetreten. Wie lautete die fiktive E-Mail-Adresse des russischen Parteichefs? Wer schrieb den Hoax? Gesucht wird seine Website. - Suchen sie die psychiatrische Krankenakte von Christoph Kastius! - Erstellen Sie ein Userprofil von Wau Holland (bitte alle E-Mail-Adressen!)

Dann wird es kniffeliger - und den Teilnehmern raucht schon der Kopf: Whois-Datenbanken. Warum gibt es im Word Wide Web keine Kinderpornografie? Weil es keine anonymen Websites gibt. Wir beweisen es: Recherchieren Sie über www.onlyrape.com! - Welcher Firma gehört die IP-Adresse der kubanischen Parteizeitung? Aber hallo! Dazu muss man nslookup kennen, Tracerouting und Arin sowieso.

Dann haben wir noch im Programm (neben Interviews mit IRC führen):

Teil 2: Sicherheit
- Anonymität im WWW: Java Anon Proxy, Tor
- Sicherheit bei Mailen, Voreinstellungen, Kodierung
- Verschlüsselung
- Gruppenkommunikation: Mailinglisten, TEN-Standard
- Blogs, Web 2.0 als Recherchethema
Teil 3: Komplexe investigative Recherche / Systematik

Dann man los: Recherchieren Sie über www.internet-notruf.de! Recherchieren Sie über www.gomopa.net! Viel Spaß dabei! Das nächste Seminar findet übrigens im Februar statt.

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