Das Kapitel "Federmann" ist in zwei andere Kapitel aufgegangen. Die Diktion, die weitgehend der Original-Sprache des Federmannschen Buchs "Indianische Historia" angeglichen ist, erschwert die Lektüre und passt stilistisch nicht zu den anderen Kapiteln. Da das eingereichte Manuskript ohnehin um mehr als 100 Seiten gekürzt werden musste, fiel es mir leicht, diese Passagen herauszunehmen.
Auszug:
Schon wenige Tage nach der Ankunft Federmanns war der Cabildo, das Gemeindehaus von Coro, bis auf den letzten Platz gefüllt. Es war der zwanzigste Februar 1535. Jeder in Coro spürte, daß die Entscheidung drängte und daß bald etwas geschehen würde. Es gab einige Bänke, aber die meisten saßen auf dem festgestampften Fußboden. Es war angekündigt worden, daß Nikolaus Federmann von seiner ersten Entrada berichten würde, von seiner Suche nach dem Goldenen Mann, nach El Dorado, einem Land mit unermeßlichen Reichtümern. Ja, und das hatten weder die Soldaten noch die Bergknappen jemals erlebt, Federmann wolle aus dem vorlesen, was er in Santo Domingo einem Notor, dem Escribano Publico, diktiert hatte. Es hieß: "Indianische Historia" und würde, wie Federmann behauptete, sogar bald gedruckt werden. Der Titel lautete, so verkündete Andreas Gundelfinger feierlich auf der Plaza: "Eine schöne kurtzweilige Historia Niclaus Federmanns des Jüngeren von Ulm erster Reise so er von Hispania und Andalusia aus in Indias des Ozeanischen Meers, getan hat und was ihm allda ist begegnet bis auf seine Widerkunft in Hispaniam aufs kurzest beschrieben." Alle waren äußerst erregt: Zum ersten Mal sollten sie Gelegenheit bekommen, etwas von der Suche nach El Dorado zu erfahren. Das ließ sich niemand in Coro entgehen.
Nur die Hauptleute Hohermuth und Hutten und die anderen Amtsträger der Welser waren nicht zu sehen. Vielleicht, munkelte man, ärgerten sie sich darüber, daß Federmann der Beliebteste unter den Hauptleuten war. Man erzählte sich sogar, daß Hohermuth der Meinung sei, Federmann würde die Leute aufstacheln, um selbst eine neue Entrada in den Süden führen zu können. Es hätte nur eines Appells bedurft, und die Soldaten, die über die langen Vorbereitungen Hohermuths murrten, wären Federmann mit Feldgeschrei selbst in die Hölle gefolgt. Hohermuth hatte vor allem Pedro de Limpias in Verdacht, insgeheim gegen ihn zu hetzen. Limpias war einer der ältesten Einwohner Coros und hatte schon unter dessen Gründer Juan de Ampies gedient. Er sprach mehrere Sprachen der Indier, was ihn für einen Marsch ins Unbekannte unentbehrlich machte, weigerte sich aber, unter Hohermuth und Hutten loszuziehen. Er halte Nikolaus Federmann für den besten Anführer, ließ er bei jeder Gelegenheit verlauten. Der jedoch behielt seine Meinung für sich.
Hohermuth hatte angedeutet, er werde Federmann schon bald auf eine Expedition nach Nordwesten schicken, um das Territorium zu erforschen, das das Hoheitsgebiet der Welser von dem der Spanier trennte. Er sollte auf der anderen Seite des Sees von Maracaibo eine Stadt gründen, sie besiedeln und eine Festung bauen. Jeder wußte, was damit beabsichtigt war: Federmann sollte das Gebiet nach Süden gegen die Spanier absichern, nach Valledupar, weil dort, wie Ambrosius Dalfinger berichtet hatte, der beste Zugang zum Hochland und dem Volk der Jerira sei, das reich an Gold war. Die Spanier, die schon länger an der Goldküste lebten, wußten, daß man in Santa Marta ebenfalls plante, eine Entrada nach Süden auf die Beine zu stellen. Angeblich sei ein Capitan mit dem Namen Jimenez de Quesada der Anführer. Jedermann hoffte, daß Federmann sich endlich erklären würde.
Die Bergknappen waren immer noch unschlüssig, was zu tun sei. Burckhardt ging allein in den Cabildo, weil Gunther Ansorg seine Frau nicht ohne Aufsicht lassen wollte. Anna Ansorg mußte bei ihrem Mann bleiben, der sich geweigert hatte, die Erzählung Federmanns anzuhören. Burckhardt kam als einer der Letzten und nahm nahe bei der Tür Platz. Federmann war soeben eingetreten und mit ohrenbetäubendem Klatschen und Getrampel begrüßt worden. Er trug weder Koller noch Barett noch Strümpfe, sondern nur seine soldatische Beinkleidung und sein Wams. Der Hauptmann nahm seinen Platz inmitten der Menge ein, die ehrfürchtig zur Seite wich, und wies seinen Schreiber an, der ihn begleitet hatte, ihm einige Blätter Papier zu geben, die dieser ihm beflissen überreichte. Seine kräftige Stimme füllte den Raum bis zum letzten Platz. Und das berichtete Federmann:
"Im tausendfünfhundertundneunundzwanzigsten Jahre des zweiten Tags des Monats Oktober ging ich, Nikolaus Federmann der Jüngere von Ulm, zu Sankt Lucar de Barrameda, einem Hafen in Spanien, in der Provinz Andalusien gelegen, zu Schiff. Das übereignete mir Herrn Ulrich Ehinger, von der Herren Bartholomäus Welser und Gesellschaft wegen. Ich wurde als Hauptmann desselbigen ernannt und vorgesetzt, samt einhunderdreiundzwanzig spanischen Kriegsvolks und vierundzwanzig deutschen Bergknappen, mit denen in das Land Venezuela zu schiffen, das an dem großen ozeanischen Meer gelegen ist und dessen Gubernation und Herrschaft den gesagten Welsern, meinen Herren, von der Römischen Kaiserlichen Majestät befohlen und übergeben war, zu Hilfe Ambrosius Dalfinger aus Ulm, so als Statthalter und Verwalter dieser Regierung und Gubernation allda war.
Als wir nun mit großem ungestümen Wetter am dreiundzwanzigsten Tag unserer Ausfahrt eine Insel erreichten, Lanzarote geheißen, so bei dreihundert Meilen von Spanien gelegen und die sieben Inseln, die man die Canarias geheißen hat, erreichten und wir aber wegen Widerwind, wie gesagt, dreiundzwanzig Tage verweilten, wenngleich man diese Reise doch gewöhnlich in acht oder zehn Tagen aufs Längste fürschiffet, hatten wir Gebrech an Wasser, also daß wir gedrungen waren, in dieser Insel Wasser zu nehmen."
Inmitten der Zuhörer hörte man die Stimme Mauricio Butzlers:
"Land, sagte der Schiffer, da sah er einen Scheißhaufen für einen Feuerturm an. Der dampft ja auch."
Federmann lachte und fuhr dann fort zu lesen:
"Und wiewohl diese Insel dem Königreich Spanien unterworfen, so gibt es dort nur eine Stadt, die von Christen gebaut ist, die gegen Osten liegt und so wie die Insel geheißen ist. Da uns aber der Wind der Stadt und Port daselbst zuzufahren verhinderte, fuhren wir in einen anderen Hafen, Rabicon genannt, daselbst wir uns nach Sag der Schiffsleute Wasser zu finden versahen.
Und als ich mit zehn Mannen, darunter vier Deutschen, an Land fuhr, versah ich mich keiner Feinde, weil daselbst niemand zu wohnen pflegt. Es war aber, als es unser Unglück also erforderte und Gott gestattete, zu der Zeit eine große Dürre auf dieser Insel, es hatte lange nicht geregnet. Die Araber aber, so aus Barbaria stammen, welches siebzehn Meilen der Insel gegenüber gelegen ist, und denen an einem Ort der Insel ihre Wohnung haben und ihre Geißen und Kameltiere allda zu grasen und weiden vergönnt ist, hatten ihr Vieh an diesen Hafen Rabicon, da wir dem Wasser zu lieb anfuhren, hingetrieben.
Die sahen uns, vermeinend, wir wären Franzosen. Denn eben um dieselbige Zeit war Krieg zwischen Spanien und Frankreich, und die französische Armada hielt sich in der Nähe der Inseln der Canarias auf, um die Schiffe, so aus Spanien kommen, zu berauben. Darum sich etwa bei achtzig Arabier oder Moriscos, wie sie genannt werden, versammelten. Und als wir uns um das Wasser umsahen, ihrer weder Sorg hatten noch ihre Zusammenrottung erwarteten, überfielen sie uns etwa zehn Schritt weit auf einer Höhe. Vom dannen warfen sie mit großen Steinen zu uns, mit denen sie ganz gewiß umgehen und die ihre verläßliche Wehr sind. Denn es es ist sehr gelenkiges Volk und läuft sehr schnell und springt zum Mann wie ein Hirsch. Damit taten sie uns großen Schaden, trafen uns mit den Steinen, darunter auch ich, der am Kopf hart verwundet wurde."
Ein spanischer Landsknecht, der offenbar des Deutschen einigermaßen mächtig war, fragte auf spanisch:
"Wo ist unsere Rothaut? Die müßte doch wissen, warum die Moriscos unseren Hauptmann angegriffen haben!"
Die meisten Deutschen verstanden nicht, was er damit meinte, und Federmann ließ sich nicht beirren.
"Als sie sich nun unser mächtig und uns getrennt sahen, zu dem wir gezwungen waren, unterstunden wir uns, eine Höhe uns gegenüber einzunehmen. Denn wir mochten die Steine nicht erdulden und hatten auch keine Wehr, womit wir ihnen so fern Schaden konnten tun, und dieweil wir großen Drang von ihnen erlitten und uns nicht schützen konnten. Und als wir das Tal verließen und die Höhe zu unserem Vorteil aufstiegen, folgten uns die Arabier nach. Sie umgaben uns zu dreien Seiten, und nach langem Werfen und Schlagen, so wir zu beiden Seiten taten, wurden der Meinen, zwei Deutsche und ein Spanier, erstochen und der Rest meines Volks hart verwundet und ich mit einem Steinwurf, wie vor gesagt, und noch mit einem Rapier am Kopf wohl gezeichnet und dazu zwei Spanier von den Arabiern gefangen.
Zwei Deutsche und zwei Spaniern nahmen die Flucht an das Meer, allda das Schifflein, damit wir an Land gefahren, unser wartete. Die Arabier aber folgten diesen Flüchtlingen nach bis ans Meer, wurfen auch von der Höhe nach dem Schifflein, verwundeten zwei Schiffer oder Marineros, also daß sie sich am Strand nicht halten konnten; darum sich die vier Flüchtigen in das Meer und an das Schifflein zu schwimmen begeben mußten, das sie doch nur mit großer Mühe erreichten. Und deren einer wurde schwimmend so beworfen, daß er ertrunken wäre, wo ihn nicht mit Eile die im Schifflein und unter Gefahr errettet hätten.
Die Arabier, so uns gefangen, führten uns in einen hohlen Stein, da sie uns verborgen hielten, besorgend, so die im Schiff vernähmen, würden sie sich unterstehen, uns mit Gewalt zu befreien. Und dieweil die Arabier, deren Gefangene wir waren, Lösegeld von uns verhofften und darum uns festhielten, ließ ich mich gegen sie vermerken, ich wollte mich mit dem Hauptmann des Schiffs bereden, welches ich selbst zu sein ihnen verleugnete. Des sollten sie mir stattgeben und mich an das Schiff kommen lassen und die anderen zwei, so mit mir gefangen, in Pfand halten, bis ich wiederkäme.
Das konnte ich aber von ihnen nicht haben, daß sie mich ledig wollten lassen oder mir in das Schiff zu kommen vergönnten. Aber doch gaben sie mir zu, ich sollte deshalb an das Schiff schreiben und meine Meinung dem Hauptmann anzeigen. Dann wollten sie denen im Schiff Zeichen geben lassen, daß sie an Land schickten, die Briefe zu holen. Ich mußte geloben nicht anzuzeigen, wo wir gefangen lagen. Auch, daß niemand aus dem Schiff an Land spränge.
Das geschah. Und also auf mein Schreiben kamen aus dem Schiff zwei Mann, das eine ein Balbierer, uns zu verbinden, der andere ein Grieche, welcher die arabische Sprache konnte, damit wir doch, ohne daß die Arabier es merkten, Kunde hätten, was sie unsererhalb miteinander in ihrer Sprache redeten. Ich schrieb auch an das Schiff, sie sollten sich dieselbige Nacht erheben, in den Hafen und die Stadt Lanzaroten, der Christen Wohnung, fahren und dem Hauptmann die Handlung anzeigen, damit er eilend auf dem Land unserer Ledigung Fürsehung täte.
Als mitdes die Nacht anfiel, sagte ich den Arabiern, der Hauptmann begehrte von ihnen zu vernehmen, was und wieviel Lösegeld sie für uns begehrten. Darauf beratschlagten sie sich lange miteinander und vermeinten, für uns ein großes Lösegeld zu bekommen. Doch da wir uns so großem Lösegeld erwiderte, welches sie für jeden zweihundert Dukaten angeschlagen hatten, wollten sie uns, damit nicht aus langem Verzug unsere Gefangennahme dem Hauptmann dieser Insel fürkomme, alle drei um zweihundert Dukaten entledigen. Dieses alles hatten wir durch den Griechen gute Kundschaft.
Als sie aber morgens an den Strand des Meeres gingen, da sie das Schiff abends gelassen hatten, fanden sie es schon abgefahren. Als sie uns aber solches anzeigten und wir und darob verwundert erzeigten und nach langem Nachgedenken, die Ursache des Abfahrens zu erkennen, sagten wir, daß wir schätzten, dieweil dieselbige Nacht eben ein scharfer Wind gewesen, würden sie dem Hafen, als ihnen unbekannt, nicht haben trauen wollen, sondern seien zu ihrer Sicherheit auf das Meer gefahren.
Also erwarteten die Arabier die Zukunft auf dem Meer, wir aber die Hilfe auf dem Land, jeder Teil, wie er es zu geschehen vermeinte, bis an den vierten Tag. Da kamen etliche Diener des Hauptmanns auf Kameltieren geritten, die sie auf dieser Insel gebrauchen. Sie nahmen uns aus der Hände der Arabier und begleiteten uns in die Stadt zum Hauptmann der Insel, Sancho de Herers geheißen. Der vernahm den Fall unserer Gefangenennahme und die Ursache unserer Anfahrt an diesem ungewöhnlichen Ort auf sein Begehren nach von mir. Er sendete zur Stunde, den Mohren nachzustellen und sie gefangen vor mir zu bringen. Gleichwohl glaube ich, weniger um den Genuß der Strafe, als um unser widerrechtlich erlittenen Schaden abzurechnen.
Dieser Hauptmann tat mir sehr gut Tractament, versah uns auch, gegen Bezahlung, mit aller Notdurft. Also blieb ich bis zum anderen Tag daselbst, mich und die anderen Verwundeten zu verbinden und mit anderen Notwendigkeiten für die Kranken zu versehen. Und folgends erhub ich mich und fuhr in einer andere Insel, Lagomera geheißen, zwölf Meilen davon gelegen, dahin ich am anderen Tag glücklich ankam. Lag daselbst drei Tage, versah das Schiff mit Holz, Wasser und Fleisch, denn es ist zu dieser Reise die bestgelegenste Insel unter den sieben, die man Canaria nennt, und da fast alle Schiff anfahren. Von da an erhub ich mich, meine Reise fort nach Santo Domingo zu fahren, dahin ich von der Insel Lagomera aus noch eintausenddreihundert Meilen Wegs zu continuieren und zu reisen hätte."
Federmann hielt inne, und schob die Papiere raschelnd zusammen. Das Publikum machte einen großen Lärm, viele riefen "Vivat Federmann!" und trampelten mit den Füßen auf den Lehmboden. Es war schon tiefe Nacht. Der Vollmond leuchtete so hell, daß fast jeder die Gesichter der anderen im Gemeindehaus erkennen konnte. Die Zuhörer waren es noch nicht zufrieden und verlangten nach mehr..
"Hauptmann, erzähle uns von den Indiern! Erzähle uns von El Dorado!"
Federmann ließ sich umstimmen und hieß, ein weiteres Licht anzuzünden. Der Schreiber reichte ihm einen Stapel der eng beschriebenen Papiere. Federmann blätterte, und zog dann einige Seiten heraus und überreichte die anderen wieder dem Schreiber.
"Ich berichte Euch, wie es uns im Tal der Frauen erging, in Barquisimeto, wie die Indier vom Volk der Caquetios es nennen. Wir kane unversehens in einen Pueblo oder Flecken morgens um etwa sieben Uhr, wann die Indier pflegen zu Morgen zu essen. Die wußte nichts von uns, bis wir sie überfielen, und erschraken also hart; auch verlief ein jeder in sein Haus und verschloß sich darin. Als ich sie aber überredete, daß sie sich vor uns nichts zu fürchten hätten, gingen sie aus ihren Häusern und öffeneten sie aus Furcht, denn ich drohte, ihren Flecken anzuzünden. Nahm also mit meinem Volk etliche Häuser ein, auf Meinung einen Tag allda zu bleiben und uns mit dem Kaziken zu einigen und durch diese Flecken fortzuziehen, so in diese Kaziken Confederation wären.
Indem ward mit von den Christen geagt, so die Wege zu Roß und zu Fuß behüteten und Wacht hielten, daß sich Weib und Kinder dieses Fleckens gemach nacheinander abstählen, welches nicht ein friedliches Zeichen war. Denn sie pflegen solches zu tun allein in Kriegen oder wenn Arges fürnehmen. Also ließ ich den Kaziken rufen, verwies auf die Absonderung der Weiber und Kinder und ließ also die Indios, die ich auf dieser Reise gefangen und in Ketten geschmiedet und mitgeführt hatte, vor mich bringen. Und ließ dem Kaziken sagen, eben um dieser Ursach willen hätten wir diese Indios gefangen Also würde auch ihm, wo er nicht anders wollte, geschehen. Und als er vermeinte, man würde ihn gleich ergreifen, fangen und anschmieden, welches doch meine Meinung nicht war, sondern nur, daß er das Verhausen der Weiber und Kinder abschüfe, also entwischte er vom Stuhl, darauf er mir gegenüber saß, davonzulaufen.
Ich befahl ihn aufzuhalten, damit kein Aufruhr im Flecken wurde. Da er aber von den Christen angefaßt und gefangen zu sein vermeinte, hub er ein großes Geschrei an, die Seinen zu Hilfe rufend. Demnach, und um Ärgeres zu verhüten, stach auf meinen Befehl ein Christ das Schwert durch ihn.
Hielten wir also mit den Einwohnern dieses Fleckens ein wüstes Scharmützel, erschlugen und fingen ihrer viele, bis wir sie aus dem Pueblo in die Flucht brachten. Nun aber in dem Buhio - also heißen ihre Häuser - darinnen ich mich niedergetan und da ich dem Kaziken drohte, ihn in Ketten zu schmieden, hatten sich etliche der Seinen, während wir mit den anderen zu tun hatten und derer nicht in Acht nahmen, auf eine hohe Brücke verschlagen, so mitten im Haus auf vier Pfeilern stand, drei Männer hoch, darin sie ihr Korn und Mais zu haben pflegen. Wir wollten nun unseren Plunder und die Kisten, darinnen alles Gold war, so wir in dieser Reise hatten erobert, nehmen und abrücken, ehe sich die Flecken dieser Confederation versammelten und uns überfielen. Mein Volk war sehr müde und derer viele krank, auch mehrere in dem gehaltenen Scharmützel verwundet: Da rührten sich die Indios, so sich in diese Barbacoa - so heißt dieses Lagerhaus - verschlagen hatten, vermeinend, wir könnten sie nicht finden, um mit ihnen wie mit den anderen zu handeln. Wo sie sich selber nicht verraten hätten, hätten wir sie selber nicht gespürt.
Sie schossen abermals auf uns, als wir unversehens in das Haus gingen und verwundeten unser fünfe, darunter mich durch die Achsel, drängen uns zurück, bis wir uns in Sicherheit gebracht hatten, denn sie beherrschten uns von oben herab. Da schickte ich fünf Christen, die sollten diese Barbacoa umhauen. Denn sie steht frei auf vier Pfeilern, so daß ein Mann, wie lang er auch ist, sich darunter aufrichten kann. Denn wir durften das Haus mitsamt den Indios nicht anzünden, um das Unsere, so wir darinnen hatten, zu verschonen.
Aber als die Christen ein großes Geschrei hatten und nichts ausrichteten, auch einer den anderen nur behinderte, ward ich darob etwas unwillig Sie brauchten zu lang und verhinderten, daß wir uns in einen Vorteil brachten, ehe sie uns überfielen. Lief ich in den Buhio unter die Barbacoa. Und als der eine Pfeiler umgehauen ward, begann die Brücke zu hängen und die Schwere des Korns, so auf die hängende Seite fiel, drückte die Barbacoa gar um, so daß die Indios herabfielen. Und als ich mich mit meiner Rodella oder Tartschen beschützte und einem Indio, um ihm das Schwert durch den Leib zu stoßen, anlief, gab er mit einen so starken Streich mit einer Macana - so heißen ihre hölzernen Schwerter - sodaß er mir zwei Finger breit von der Rodella, so aus einem Faßboden gemacht, abspaltete und abschlug. Und als ich ihm noch einen Stich gab und das Fehlen der Rodella in der Eile nicht bemerkte, derhalben auch mich nicht genug bedecket hatte, traf er mich mit einem Streiche auf den Kopf, daß ich vor ihm zu Boden fiel, und hätte mir auch aus dem Leben geholfen, so mir andere nicht zugesprungen wären und den Indio nicht hingerichtet hätten. Lag also wohl zwei Stunden, daß ich um mich selber nichts wußte.
Blieben auch dieselbige Nacht bei guter Wacht, denn wir uns eines Überfalls in diesem Flecken sorgten. Diese Indier in der Barbacoa, derer doch nur zwölf waren, taten uns mehr Schaden und verwundeten mir mehr Volk dann die andern alle."
Burckhardt spürte, wie ihn jemand am Ärmel zog. Es war sein Bruder Christian.
"Komm schnell", flüsterte der, "Mutter geht es sehr schlecht."
Diese Passage strich der Lektor. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.
...Burckhardt schwieg. Gegen Langer kam niemand an. Er kannte die Heilige Schrift auswendig und wußte auf alles eine Antwort. Und wenn es um Dinge ging, die mit ihrem Glauben nichts zu tun hatte, parlierte er auf Latein, und keiner wagte es, ihm zu widersprechen. Er verspürte keine Lust, mit dem kranken Langer zu streiten, und ging hinaus.
Der Regen schlug ihm wie ein nasses Tuch in's Gesicht. Burckhardt lief gebückt zum Fluß, mit der Hand am Schwert, daß es nicht gegen seine Beine schlug. Er stolperte über eine Wurzel und schlug lang in den Schlamm. Laut fluchend zog er sein schmutziges Hemd aus, warf es in den Sand am Ufer, schnallte die Wehr ab, zog die Kniehose und die Schuhe aus, kletterte den schlammigen und steilen Abhang hinunter und stürzte sich in den Fluß. Ihm war, als müsse er alles das abwaschen, was er in den letzten Tagen gesehen und erlebt hatte. Er schwamm mit kräftigen Stößen, seine Muskeln entspannten sich. Nach einiger Zeit fühle er sich besser. Er plantschte ein wenig zwischen dem Schilf am Ufer. Die Frösche quakten so laut, als wollten sie den Störenfried vertreiben. Viele Fische tummelten sich um ihn herum und warfen Luftblasen, aber sie kamen ihm nicht so nahe, daß er einen hätte greifen können. Auch war das Wasser schlammig, so daß der Grund nicht zu erkennen war, und der Regen tat sein Übriges, das lose Erdreich in den Fluß zu spülen.
Er rauschte immer noch vom Himmel. Plötzlich bewegte sich etwas zwischen den Gräsern. Burckhardt erschrak, seine Waffe war zu weit entfernt. Er schalt sich, so unvorsichtig gewesen zu sein. Ein breites, ängstliches Gesicht tauchte auf, ein geduckter Mensch, der ebenso wie er bis zum Bauch im Wasser stand. Es war ein junges Mädchen, eine Frau der Cuibaer. Sie hielt einen Spieß in der Hand, an dessen Spitze ein silberner Fisch zappelte. Burckhardt fiel ein Stein vom Herzen. Er hielt der Frau die offene Handfläche hin als Zeichen dafür, daß er keine feindlichen Absichten hegte. Sie schaute ihn vorsichtig an und lächelte. Er zeigte auf den Fisch und schob die Hand in den Mund, als wenn er essen wollte. Das Mädchen nickte heftig. Ihre langen, triefendnassen Haare fielen ihr über die Stirn. Burckhardt wollte einen Schritt auf sie zugehen, er trat in ein Loch, knickte ein und tauchte mit dem Kopf unter. Prustend kam er wieder hoch und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Die Cuiaberin kicherte. Sie zielte mit dem Speer auf Burckhardts Brust. Er legte die Hände auf sein Herz, drehte die Augen und sank zusammen, als hätte sie ihn tödllich getroffen.
Das Mädchen kicherte immer noch. Jetzt kam sie auf ihn zu und sah ihn neugierig aus der Nähe an. Mit der linken Hand zog sie an seinem Bart, ihre Rechte umfaßte den Speer, als traue sie dem Frieden nicht. Er ließ es mit sich geschehen, ihre kleine Hand kitzelte. Eine warme Welle durchflutete ihn. Burckhardt spürte, wie er sich heftig erregte. Beherzt griff er nach den Schultern des Mädchens, die ihm nur bis zur Brust reichte, neigte sich zu ihr und küßte sie auf die Wange. Sie blickte ihn überrascht an, hielt dann ihre Hand vor den Mund wie ein schüchternes Kind und prustete vor Lachen. Ansorg verstand nicht, was sie so erheiterte. Sie war ihm ganz nah, und sein Gemächte berührte ihren Bauch. Er faßte an ihren Hinteren und streichelte über ihre Hüften. Als sie sich nicht wehrte, hob er sie hoch und drang in sie ein. Das Mädchen bewegte sich nicht, sie hielt immer noch den Speer mit dem Fisch in der Hand und sah ihn unentwegt neugierig an. Das warme Wasser umspülte und trug sie. Eine ungeheure Last fiel von ihm ab. Dann ließ er sie von sich abgleiten und wollte wieder nach ihr greifen, aber sie trat einen Schritt zurück und richtete den Speer drohend auf ihn. Ihre schwarzen Augen funkelten, aber sie sah nicht aus, als wolle sie ihm Böses. Er hob abwehrend die Hände, aber das Mädchen drehte sich auf dem Absatz um und verschwand, ohne einen Laut von sich zu geben, im hohen Gras.
Burckhardt ließt sich rückwärts in's Wasser fallen und schwamm bis zur Mitte des Flusses. Der Regeln prasselte auf ihn ein, die Wellen glucksten friedlich, und er fühlte sich, als habe sich irgendetwas in seinem Leben verändert. Am Ufer tauchten jetzt mehrere Soldaten auf, die sich ebenfalls badeten. Sie grölten laut und winkten ihm zu. Ihm war plötzlich, als sei er der glücklichste Mensch auf dieser Welt. Er winkte fröhlich zurück. Aber da hörte er die Trompete, ein Zeichen, daß etwas geschehen war. Schnell kraulte er zum Ufer, sprang tropfnaß in seine Kleider und eilte zurück.
Im ursprünglichen Manuskript hat Anna eine Tochter, Esther. Das Mädchen taucht im Roman nicht mehr auf.
Sie waren allein, Christian und Esther irgendwo da draußen. Burckhardts Bruder sorgte sich um das kleine Mädchen, wie der Ältere es ihm geraten hatte. Die beiden waren wie zwei Geschwister zueinander. Burckhardt setzte sich neben Anna auf den Boden. Er fühle ihren warmen Leib neben sich. Sie hatten lange Zeit keine Gelegenheit gefunden, beieinander zu sein. Ihm war es, als seien seitdem schon Jahre vergangen. Anna drehte ihren Kopf zur Seite und sah ihn an. Sie hatte Tränen in den Augen, sagte aber nichts. Er legte den Arm um ihre Schulter, weil er das Gefühl hatte, er müsse sie trösten. Burckhardt flüsterte, um seinen Vater nicht aufzuwecken:
"Anna, geht du zurück nach Coro?"
Sie nickte und legte ihren Kopf an seine Schulter. Dann sagte sie:
"Du wirst mir zürnen, Burckhardt. Aber ich habe dir etwas verschwiegen. Ich brauchte viel Zeit, um darüber nachzudenken. Aber in Acarigua habe ich mich entschieden, was ich tun muß. Ich werde mit Esther, deinem Vater und Christian in die Heimat zurückkehren ."
Burckhardt begriff nicht, was sie damit meinte. Sowohl sein Vater als auch Anna redeten, als seien sie überzeugt, daß er, Burckhardt, in der neuen Welt bleiben wollte. Aber so sicher war er sich gar nicht. Und Anna hatte ihm gesagt, daß sie ihn liebte. Warum fragte sie nicht, ob er sie begleiten wollte, jetzt, da ihr Mann tot war? Was sollte er allein, ohne seine Familie, in Venezuela? Inmitten heidnischer Indier und rauher Landsknechte, die auf der Suche nach etwas waren, von dem niemand wußte, ob es sich nicht als Trugbild aus der Hölle entpuppen würde? Anna rückte von ihm ab, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sagte:
"Ich habe dich belogen. Aber du mußt mich verstehen. Es ging nicht anders. Ich hoffte, irgendetwas würde geschehen., aber wußte nicht was. Ich hoffe, du hättest mich geliebt, und wir würden uns hier, in der Neuen Welt, niederlassen und glücklich sein. Aber dann wollten alle aus Coro aufbrechen, nach Süden, alle suchten El Dorado, und mich fragte niemand. Ich wollte bei euch sein, und deshalb zog ich mit. Johannes hätte nicht erlaubt, daß ich allein in Coro geblieben wäre."
Burckhardt fragte:
"Ich verstehe aber nicht, warum du mich belogen haben willst? Und womit?"
Anna barg die Hände in das Gesicht und schluchzte. Er umarmte sie, und flüsterte ihr in’s Ohr:
"Anna, was ist mit dir? Wer sagt denn, daß ich nicht mit zurückkehre nach Geyer oder Annaberg?"
Sie schüttelte heftig den Kopf und schob seinen Arm von sich. Dann blickte sie ihn ernst an:
"Du begreiftst nicht. Dein Vater hat dir viel erzählt, was du nicht wußtest, aber er hat dir nicht alles erzählt."
Anna holte tief Luft und sagte:
"Esther ist deine Schwester."
Burckhardt stammelte einige Worte, verschluckte sich und mußte husten. Als er wieder zu Atem gekommen war, fragte er ungläubig:
"Deine Tochter ist meine Schwester? Ich verstehe überhaupt nichts."
Anna griff nach seinen Händen und hielt sie fest:
"Ich habe Johannes geheiratet, als ich noch ein Mädchen war. Ich habe ihn nie geliebt, meine Eltern haben es so bestimmt. Und dann bewunderte ich ihn, weil er so stark war, und weil die anderen Bergknappen ihn achteten, obwohl er viel jünger als sie alle war und trotzdem als einer ihrer Anführer galt. Doch als er mich immer wieder schlug, daß ich nicht mehr aufstehen konnte, bin ich zu deinem Vater gegangen. Ich hoffte, daß Gunther auf Johannes einreden würde. Dein Vater war der Sprecher der Bergknappen, als wir damals von Joachimsthal nach Annaberg gingen. Alle hörten auf ihn. Dein Vater versuchte Johannes zu bewegen, nicht zu trinken und gut zu mir zu sein, aber es half nichts.
Ich versteckte mich, wenn ich wußte, daß Johannes zornig war und trank. Einmal fand mich dein Vater. Es war mitten im Winter, und ich hatte mich in einem Schuppen versteckt und fror jämmerlich. Er nahm mich mit in eure Hütte. Deine Mutter war mit dir noch vor Sonnenaufgang zur Messe nach Annaberg gegangen, wir wußten, ihr würdet nicht vor Abend zurückkehren. Dann haben wir uns geliebt. Und wenige Wochen später merkte ich, daß ich ein Kind bekommen würde von deinem Vater. Niemand außer Gunther weiß davon, auch Johannes nicht. Ich habe es in der Zeit nicht zugelassen, daß er sich mir näherte. Das Kind konnte nicht von ihm sein. Aber er hat mich später nie gefragt.
Und jetzt bin ich Gunther etwas schuldig. Dein Vater liebte seine Frau, deine Mutter. Er hätte sie nie verlassen. Er unterstützte mich aber heimlich, drückte mir ein paar Groschen in die Hand, daß ich etwas zu essen kaufen konnte, wenn Johannes seinen Wochenlohn vertrank. Ich werde bei ihm bleiben und ihn pflegen. Dein Vater ist sehr schwach und bedarf der Hilfe. Und Esther liebt ihn. Sie weiß nichts davon, daß er ihr Vater ist. Ich bitte dich um Gottes Willen, verzeih mir und schweige darüber!"
Burckhardt stützte die Stirn in seine Hände. Was sollte er jetzt sagen und tun? Konnte er seinem Vater etwas vorwerfen? Und Anna? Ihr Liebe in Coro hatte begonnen, als seine Mutter noch lebte. Niemand hatte ahnen können, daß Margarete Ansorg sterben und noch weniger, daß auch Johannes Kestlin umkommen würde. Deshalb hatte Anna damals geglaubt, sie müßte niemandem etwas davon erzählen. Und genauso hatte sein Vater gedacht. Burckhardt wollte überlegen, aber alles in seinem Kopf drehte sich wie ein Kräusel. Er stand kurz entschlossen auf und legte seine Hand auf Annas Schulter. Ihre weichen blonden Haare streichelten seinen Arm. Er schluckte und sagte harsch:
"Ich verzeihe dir. Sorge dich nicht."
Dann blickte er zu seinem Vater, der sanft neben Josef Langer in seiner Hängematte schaukelte. Die Mücken surrten um die Schläfer, aber sie kümmerte es nicht. Er flüsterte der Frau zu:
"Bitte habe auf ihn acht, Anna."
Dann lief er hinaus, als müsse er vor ihr fliehen, ohne sich umzusehen. Er wußte nicht warum. Die Nacht empfing ihn kühl und feucht, und der Mond lugte hinter Wolkenschleiern hervor. Nur die Frösche und die Grillen lärmten wie immer, und das Blätterdach hoch über ihm rauschte. Es war schon nach Mitternacht und stockfinster. Er ging ziellos zwischen den Hütten herum. Einer der Bluthunde schlug kurz an, und Burckhardt beeilte sich, ihm aus dem Weg zu gehen. Unten rauschte der Moßpaw. Beinahe wäre er auf dem rutschigen Lehm ausgelitten und den Abhang hinunter gestürzt.