Noche triste in Sumbay, reloaded

sumbay

Über den peruanischen Ort Sumbay heisst es irgendwo im Internet: „The village of Sumbay, at an altitude of 4,127 m, is located 88 km from Arequipa, behind the Misti volcano, on the road to Cailloma. It is known mainly for its caves decorated with magnificent cave paintings dating from the Paleolithic period. 6,000 or 8,000 years old, they represent human figures, camelids and pumas.“

Leider habe ich von den Wandmalereien und anderen Relikten aus der Altsteinzeit nichts mitbekommen, ich wusste damals auch gar nicht, dass es sie gab.

Ich schrieb hier am 18.07.2013: …die besch…eidenste Nacht (…), die ich auf meinen vielen Riesen je durchlebt habe. Sumbay ist eine winzige Bahnstation auf der Strecke zwischen Arequipa im Südwesten Perus und Juliaca, das fast am Titicacasee im Osten liegt. In Sumbay ist rein gar nichts, außer ein paar Werkstätten und Häusern für Bahnarbeiter, ein gottverlassenes Nest, das man noch nicht einmal per Google Earth findet, außer man weiß, wo man suchen muss.

Wir kamen (1984) mit einem klapprigen Bus aus Chivay nördlich von Arequipa – am östlichen Ende des Valle de Colca – in den Anden und hatten lange mit dem Busfahrer diskutiert, wo man uns absetzen sollte, damit wir den Zug nach Juliaca abpassten. Es reichte ja nicht, die Bahnstrecke zu finden, sondern der Zug sollte dort auch halten. Man muss wissen, dass die Straße, wenn man sie so nennen will, manchmal über 5000 Meter hoch liegt (vgl. Foto). Der Bus keuchte und spotzte vor sich hin. Dementsprechend kann es dort schweinekalt werden, und man sollte dort überhaupt nur reisen, wenn man die Höhe gewohnt ist und genügend Zeit hatte, um sich zu akklimatisieren. (Das ist eine ernst gemeinte Warnung! Mit der Soroche ist nicht zu spaßen, und es gibt dort auch keinen Rettungshubschauber des ADAC.)

Wenn man auf der Karte ein wenig nach links (nach Westen) schwenkt, erkennt man eine Straße und eine scharfe Kurve: Das war die Stelle, an der man uns aus dem Bus komplimentiert hat, nicht ohne uns zu erklären, dass der „Weg“ nach Sumbay nicht lang und auch leicht zu finden sei. (Vgl. obiges Foto – wir mussten dort hinunter) Meine damalige Begleiterin und ich trugen übrigens beide Rücksäcke, die um die 15 bzw. 20 Kilo wogen.

Dummerweise war es grad schweinekalt, aber nicht so kalt, dass es geschneit hätte. Dafür fing es an zu schütten dergestalt, dass wir nicht nur bis auf die Knochen nass wurden, sondern auch rechts und links von uns schlammige Sturzbäche ins Tal strömten, sodass wir knöcheltief durch Wasser, Geröll und Schlamm stapfen mussten. Wer die Regenzeit in den Anden kennt, der weiß, dass das richtig gefährlich werden kann. Der Weg war ohnehin nicht mehr zu sehen, es ging nur steil hinab ins Tal. Vermutlich sahen wir aus wie Höhlenforscher, die in ein Schlammloch gefallen waren, als wir endlich unten ankamen.

Wir hatten gehofft, Sumbay sei eine Ortschaft, womöglich mit einer Art Restaurant. Pustekuchen. Da war rein gar nichts, und die Bahnarbeiter sagten uns, der Zug käme mitten in der Nacht – wir hatten also noch sieben oder acht Stunden Zeit. Und das in unserem Zustand.

Ich habe fast jedes Gebäude in Sumbay betreten. In der Gasse auf dem Foto war ein Haus (links, die blaue Tür) mit einem trockenen Raum, und eine alte Frau versprach uns, eine Suppe zu kochen, die aber nur lauwarm war, so dass sie uns nicht wärmte. Noch nicht mal Kaffee hatten sie. Immerhin durften wir dort bibbernd im Trockenen sitzen.

Traurig war auch, dass ich Durchfall bekam und in der Dunkelheit im Regen alle 15 Minuten einen Platz suchen musste, um das zu verrichten, was bei Durchfall angesagt ist. Eine Toilette oder fließendes Wasser gab es im ganzen Ort nicht. Das war nicht wirklich lustig.

Ich glaube, ich habe mich nie im Leben so auf die Ankunft eines Zuges gefreut wie in Sumbay. Der kam nach Mitternacht und war für peruanische Verhältnisse luxuriös. Man konnte sich sogar waschen und hinlegen. Der Schaffner, der uns freundlich hineinbat, grinste sich eins. Vermutlich dachte er: Wer so bescheuert ist, nach Sumbay zu reisen, der sollte auch nicht jammern.

Dorfstrasse und eine Hochzeit

cabanaconde

Ein Nachtrag zu Cabanaconde, damals noch ein winziges Bauerndorf, eine Tagesreise nördlich von Arequipa, in den peruanischen Anden (1984). Mehr Fotos im April 2011: „Valle de Colca“.

Aus meinem Reisetagebuch, 24. März 1894, Juliaca:
Mit der Fahrt nach Cabanaconde fing die Reise erst richtig an, obwohl wir schon rund einen Monat unterwegs sind, nicht vom Gefühl her, sondern von der Intensität der Eindrücke. Wenn es nicht regnen würde, wäre alles vielleicht schöner und angenehmer, aber die Stimmung ist irgendwie authentischer.

Unser Hotelzimmer [in Juliaca], in einem ehemals großzügigen und vornehmen Hotel am Hauptplatz, jetzt total abgewrackt und baufällig. Die Wasserleitungen laufen außen an den Fluren entlang, die Waschbecken sind undicht, eine Glühbirne an der Decke beleuchtet unsere Wäscheleine und die Strümpfe daran, ein Schrank, dessen eine Tür abgebrochen ist und außen vorlehnt, die beiden Fensterflügel zur Plaza sind mit Latten von innen vernagelt – wohl weil der Balkon nicht sicher ist, feuchte Fußbodenbretter, überall ist der Putz heruntergefallen, und wir meditieren darüber, wie man mit den einfachsten Mitteln oder sogar nur mit gutem Willen vieles reparieren könnte.

Von Arequipa aus geht die Fahrt erst Richtung Küste durch endlose Steinwüsten. Wieder rollen von links die grauen Wanderdünen Richtung Straße, die ihr vorläufiges Ende bedeutet. Irgendwann biegt die Route nach Norden ab. Einige Bewässerungskanäle sorgen für ein bisschen Vegetation. Was könnten die Leute alles mit der Nutzung von Sonnenenergie anfangen!

Die Schotterstraße führt durch Sandwüste, wir bleiben einmal im Sand stecken. Ein irrer Gegensatz: Wenig später schraubt sich die Straße in endlosen Serpentinen bis in eine so hohe Zone hinauf, dass der Nebel alles bedeckt.

Wir passieren Huambo [3332 m], wo zum ersten Mal ein „Andendorf“ auftaucht. Die Leute starren uns an, schrecklich ärmlich, die Frauen in Tracht, aber der Eindruck ist noch wie im Zoo – so ein Widerspruch zu Arequipa.

Spät in der Nacht kommen wir nach einer haarsträubenden Fahrt an Abgründen entlang in strömendem Regen an. Der Nebel ist so dicht, dass man die andere Seite der Plaza [von Cabanaconde] nicht erkennen kann. Taschenlampen irren durch die Gegend. Das Wasser rauscht in Bächen überall entlang.

Es gibt nur ein alojamiento, mit Schlafsaal, das als die Unterkunft mit dem fürchterlichsten Klo in die Reiseannalen eingehen wird. In einem höhlenartigen „Restaurant“ gibt es noch ein cena, und wir kommen nicht darum herum, noch eine drittes „Abendessen“ für den Hotelchico [Der Junge, der in der Nacht der „Manager“ war] auszugeben. Der chico ist total nervig, folgt uns auf Schritt und Tritt und will mehr Geld. Wir trinken im Dunkeln auf der Plaza noch einen Kakao im Stehen und quatschen mit den Frauen dort.

Zum Klo muss man zehn Meter durch einen total verschlammten Hof. Das baño besteht aus eine windschiefen Hütte, überall steht Gerümpel herum, der Fußboden ein Matsch, das Klo nur ein runder Hohlstein mit einem hölzernen Deckel, natürlich total vollgeschissen. Keiner von uns beiden schafft es in den drei Tagen, sich richtig zu erleichtern. Das „Hotel“ besteht aus mehreren Lehmziegelhütten, teilweise mit Wellblech oder Stroh gedeckt, wie die meisten Häuser des Ortes. Die Leute kochen im Hof, mitten im Müll, in einem rußigen Top, daneben liegt ein blutiges Schaffell. Im ganzen Ort gibt es kein elektrisches Licht.

Trotz der Unannehmlichkeiten merkt man, dass Cabanaconde für viele Dörfer in der Sierra repräsentativ ist, für die traurigen, resignative Stimmung. Nur einige Frauen verändern das Bild zum Positiven. Die meisten tragen Tracht: Sandalen, lange Röcke, einige dunkelblau mit bestickten Säumen, ein Hemd, darüber eine reich verzierte Weste, ein Wickeltuch um die Hüfte, was seitwärts herunterhängt, und eine Decke zum Umhängen, zwei oder mehr Zöpfe und einen bestickten Hut.

Einige Frauen sehen recht selbstbewusst aus, und fotografieren geht leider nicht. Die Männer sind kaum zu sehen, aber einige Betrunkene bevölkern tagsüber die Plaza. Ab und zu treiben Bauern ihre Schafe und Ziegen durch den Ort. Ihre Kleidung besteht oft nur aus Fetzen.

Frühstück: Eine Tasse Kaffee und ein Brötchen. Am ersten Morgen wachen wir auf und sehen einen riesigen schneebedeckten Sechstausender [den Hualca Hualca] – ein atemberaubender Anblick. Die Dorfstraßen sind so eng, dass bis auf eine [vgl. Foto ganz oben] kein Auto durchkäme, in der Mitte ein Ablauf, ansonsten mit dicken Steinen teilweise „gepflastert“. Von oberhalb des Ortes kann man sehen, dass in einigen Teilen viele Häuser verlassen sind.

Am Nachmittag geraten wir in eine Hochzeit: Man winkt uns hinein. Ungefähr ein Dutzend Leute in Tracht, behängt mit Früchten, vor allem Zwiebeln, und geschmückten Hüten und eine stark angetrunkene Kapelle, die entsprechende Weisen vorträgt. Wir werden zu Schnaps genötigt. Die Braut, auch schon sehr angeheitert, will sich halb im Ernst mit mir verloben, aber die Vortänzerin [hinten rechts auf dem Foto] hat alles im Griff.

Der Bräutigam bringt kaum ein Wort heraus. Einer der Männer fällt in den Schlamm und steht nicht mehr auf. Eine uralte Frau mit weißen Haaren, sehr würdevoll, begrüßt uns sitzend auf Quechua. Sie spricht kein Spanisch.

Endlich bewegt sich die ganze Gesellschaft durch das Dorf zum Haus des Bräutigams, wo wir zu Suppe – mit einigen Kohlblättern – sowie Schnaps und Chicha aufgefordert werden. Wir unterhalten uns vor allem mit einem älteren Izquierdista, der alle Alemanes über den grünen Klee lobt und auf die Amis schimpft.

Männer und Frauen sitzen getrennt. Auf einem Teller liegt Geld, und jeder Betrag [der spendenden Gäste] wird mit Namensnennung auf einem Zettel vermerkt, speziell unsere deutsche Mark wird gesondert diskutiert. [Anmerkung: Ich war in einem Dilemma – die Maximalspende der Gäste war umgerechnet eine Mark wert; hätte ich weniger gegeben, hätten sie von mir gedacht, dass ich als reicher Gringo ein Geizhals wäre. Hätte ich aber wesentlich mehr gegeben, hätte das den Leuten ihre Armut demonstriert und wäre auch beleidigend gewesen. Ich hab dem Brautpaar also eine Mark und erklärte ihnen, wieviel diese umgerechnet in peranischen Soles wert war. Manche der Gäste konnten nur ein paar Zwiebeln oder einen Kohlkopf schenken.

Was nicht in meinem Tagebuch steht, was ich aber nie vergessen werde: Die größte Sensation war, als ein sehr alter Mann den Raum betrat und, da kein Platz frei war, ich aufstand und ihm sagte, ich sei jung und er solle sich bitte auf meinen Platz setzen. So etwas erwarteten sie offenbar übehaupt nicht. Der Mann tat es und murmelte ständig vor sich hin, was ich für ein „komischer“ Gringo sei – für einen Bauern aufzustehen. Die Männer wollten umgehend eine Kommission zusammenstellen, die uns in die grandiose Schlucht [Colca-Canyon – der dritttiefste Caynon der Welt] führen sollte, damit noch mehr Touristen kämen. Wir waren wohl die ersten. Zum Glück waren alle so betrunken, dass es sie diesen Plan wieder vergaßen – sie wären wohl alle in die Schlucht gestürzt. Der Mirador de Achachihua, den man heute dort sehen kann, könnte ein Resultat dieses Plans sein, den irgendwann irgendjemand umgesetzt hat.]

Wir schaffen uns kaum, uns zu verabschieden: Der Bräutigam, nur noch flüsternd, ist so gerührt, dass er in Tränen ausbricht und uns ständig umarmt. Um sechs Uhr verlassen wir die Feierlichkeiten, nur um festzustellen, dass die Señora unserer Unterkunft doch nichts gekocht hat. Unregelmäßig wird abends auf der Plaza Essen verkauft, fast nur Kohlenhydrate. Wir haben Glück.

Ab drei Uhr Nachmittags regnet es jeden Tag, und später wird der Nebel undurchdringlich dicht. Wir gehen zwischen sieben und acht ins „Bett“, weil man ohnehin nichts unternehmen kann.

Puno (Update)

puno

Puno am Titicacasee, Peru, fotografiert Ende März 1984.

Update: Ich hatte das Foto verkehrt herum eingescannt und wurde durch einen aufmerksamen Leser korrigiert. Ich habe damals auf dem Mirador Manco Capac gestanden.

Ich hätte geschworen, dass ich dieses Foto schon publiziert hatte. Vor ein paar Tagen sprach ich mit einem Peruaner, der aus Puno stammte, und wollte ihm das Foto zeigen, weil er zu der Zeit noch gar nicht geboren war – und fand es nicht auf meiner Website. Ich war 1980 schon einmal in Puno und bin mir nicht absolut sicher, aus welchem Jahr das Foto stammt – wahrscheinlich aber doch von 1984.

Ich habe versucht, die Perspektive per Google Street View wiederzufinden und bin eine Weile durch mehrere Straßen „gefahren“. Es könnte auf der Circunvalacion gewesen sein oder auf der Choquehuanca in der Nähe des Mirador El Condor, vermutlich ist der damalige Blick auch verbaut worden.

Aus meinem Reisetagebuch – März 1984 (ist alles belanglos, aber für mich sind das interessante Erinnerungen – und meine Ex von damals liest hier auch manchmal mit):

Wir fahren mit einem Bus [von Juliaca] nach längerem hin- und herfragen nach Puno, was von oben ganz anders aussieht als ich es in Erinnerung hatte. Die Berghänge sind jetzt hoch bebaut. Wir latschen herum, bis wir im Hotel Extra in einem Vierbettzimmer unterkommen. [Moquegua 124, scheint es nicht mehr zu geben].

B. geht es magenmäßig schlecht und wir entschließen uns, den Markt im Zentrum – außer für jugos – nicht mehr zu betreten. Dafür essen wir gut und viel Fisch und zwei Mal in einer Gringo-mäßigen vegetarischen Kneipe. Ich kaufe mir nach ewig langem Gefeilsche noch eine Decke.

In Puno gibt es zwei Plaza de Armas [kann ich heute nicht mehr bestätigen], der eine mit einer rosa-orangenen Kirche, die wir sofort „Bonbonkirche“ taufen. Es laufen ausgesprochen viele Gringos herum, aber wir kommen mit niemandem in Kontakt, vielleicht weil wir schon um neun im Bett sind und die Musikkneipen erst um die Zeit anfangen. (…)

Wir müssen uns offenbar noch längere Zeit beim caminaren zurückhalten, denn wir pusten schrecklich nach längeren Wanderungen. [Puno liegt 3.800 Meter hoch.] Vielleicht hat die Verdauung auch etwas mit dem Kreislauf zu tun; wir fühlen uns beide gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe.

Wir verabreden am Kai, dass wir nach Amantani fahren [per Boot] und decken uns mit Obst und Schnaps ein. (…) Am Morgen kommt B. auf die Idee, mit dem Fahrradtaxi, von denen es schon hunderte in Juliaca gegeben hat, zu fahren. So kommen wir bequem am Kai an.

Las mujeres y la calle

juliacajuliaca

Straßenszene in Juliaca, Peru (1984)

Noche triste in Sumbay

sumbaysumbay

Vermutlich kann man heute von den Nachgeborenen nicht mehr verlangen, dass ihnen bei „Noche triste“ spontan etwas einfällt, und schon gar nicht bei „Maria de Estrada„, an der sogar Alice Schwarzer ihre wahre Freunde hätte. Was für eine Romanheldin wäre diese Maria! Absolut grandios. Wer des Spanischen mächtig ist, sollte unbedingt Juan Francisco Maura (pdf, 300 S.) lesen: „Mujeres de armas en las letras y en la historia“. Españolas de Ultramar en la Historia y en la Literatura (siglos XV a XVII), Valencia 2005.

Aber ich wollte eigentlich über die besch…eidenste Nacht berichten, die ich auf meinen vielen Riesen je durchlebt habe. Sumbay ist eine winzige Bahnstation auf der Strecke zwischen Arequipa im Südwesten Perus und Juliaca, das fast am Titicacasee im Osten liegt. In Sumbay ist rein gar nichts, außer ein paar Werkstätten und Häusern für Bahnarbeiter, ein gottverlassenes Nest, das man noch nicht einmal per Google Earth findet, außer man weiß, wo man suchen muss.

Wir kamen (1984) mit einem klapprigen Bus aus Chivay nördlich von Arequipa – am östlichen Ende des Valle de Colca – in den Anden und hatten lange mit dem Busfahrer diskutiert, wo man uns absetzen sollte, damit wir den Zug nach Juliaca abpassten. Es reichte ja nicht, die Bahnstrecke zu finden, sondern der Zug sollte dort auch halten. Man muss wissen, dass die Straße, wenn man sie so nennen will, manchmal über 5000 Meter hoch liegt (vgl. Foto). Der Bus keuchte und spotzte vor sich hin. Dementsprechend kann es dort schweinekalt werden, und man sollte dort überhaupt nur reisen, wenn man die Höhe gewohnt ist und genügend Zeit hatte, um sich zu akklimatisieren. (Das ist eine ernst gemeinte Warnung! Mit der Soroche ist nicht zu spaßen, und es gibt dort auch keinen Rettungshubschauber des ADAC.)

Wenn man auf der Karte ein wenig nach links (nach Westen) schwenkt, erkennt man eine Straße und eine scharfe Kurve: Das war die Stelle, an der man uns aus dem Bus komplimentiert hat, nicht ohne uns zu erklären, dass der „Weg“ nach Sumbay nicht lang und auch leicht zu finden sei. Meine damalige Begleiterin und ich trugen übrigens beide Rücksäcke, die um die 15 bzw. 20 Kilo wogen.

Dummerweise war es grad schweinekalt, aber nicht so kalt, dass es geschneit hätte. Dafür fing es an zu schütten dergestalt, dass wir nicht nur bis auf die Knochen nass wurden, sondern auch rechts und links von uns schlammige Sturzbäche ins Tal strömten, sodass wir knöcheltief durch Wasser, Geröll und Schlamm stapfen mussten. Wer die Regenzeit in den Anden kennt, der weiß, dass das richtig gefährlich werden kann. Der Weg war ohnehin nicht mehr zu sehen, es ging nur steil hinab ins Tal. Vermutlich sahen wir aus wie Höhlenforscher, die in ein Schlammloch gefallen waren, als wir endlich unten ankamen.

Wir hatten gehofft, Sumbay sei eine Ortschaft, womöglich mit einer Art Restaurant. Pustekuchen. Da war rein gar nichts, und die Bahnarbeiter sagten uns, der Zug käme mitten in der Nacht – wir hatten also noch sieben oder acht Stunden Zeit. Und das in unserem Zustand.

Ich habe fast jedes Gebäude in Sumbay betreten. In der Gasse auf dem Foto war ein Haus (links, die blaue Tür) mit einem trockenen Raum, und eine alte Frau versprach uns, eine Suppe zu kochen, die aber nur lauwarm war, so dass sie uns nicht wärmte. Noch nicht mal Kaffee hatten sie. Immerhin durften wir dort bibbernd im Trockenen sitzen.

Traurig war auch, dass ich Durchfall bekam und in der Dunkelheit im Regen alle 15 Minuten einen Platz suchen musste, um das zu verrichten, was bei Durchfall angesagt ist. Eine Toilette oder fließendes Wasser gab es im ganzen Ort nicht. Das war nicht wirklich lustig.

Ich glaube, ich habe mich nie im Leben so auf die Ankunft eines Zuges gefreut wie in Sumbay. Der kam nach Mitternacht und war für peruanische Verhältnisse luxuriös. Man konnte sich sogar waschen und hinlegen. Der Schaffner, der uns freundlich hineinbat, grinste sich eins. Vermutlich dachte er: Wer so bescheuert ist, nach Sumbay zu reisen, der sollte auch nicht jammern.

Beim Barbier

barbier

Fotografiert 1984 in Juliaca, Peru.