Vom Hellweg zum Hixterwald

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Wenn man in den Kleinstädten im Ruhrpott herumwandert, ist es gar nicht anders als in Dörfern Südamerikas: Wo keine Touristen hinkommen, nimmt man von jedem, der zu Fuß unterwegs ist, an, er sei Einheimischer und wohne da. Ich hatte mich entschieden, die schlappen sechs Kilometer von Unna nach Holzwickede zu laufen, eingedenk der Tatsache, dass ich in Lateinamerika mit einem 20 Kilo schweren Rucksack unterwegs war und selbst bei 15 Kilometern Fußmarsch bei 35 Grad im Schatten nur mit den Achseln gezuckt habe.

Als ich an einer Trinkhalle (so heißen Kioske hier) vorbeikam, am Ende der Massener Straße in Unna, grüßte mich ein alter Mann freundlich und nickte mir zu. Das würde mir in Berlin bei Unbekannten eben nicht passieren, in touristenfreien Dörfern Perus oder Boliviens sehr wohl.

Ich marschierte also auf der alten Römerstraße Hellweg, die später die Reichs- bzw. Bundesstraße 1 wurde. Zwischen Unna und Holzwickede ist nur noch ein Fußweg neben der neuen Straße entlag des Hügelkammes erhalten, der am Flughafen Dortmund verschwindet. Natürlich war ich allein, niemand läuft dort zu Fuß. Die alte Salzstraße wird schon 5000 Jahre genutzt, sogar Ptolemäus erwähnt sie. Was mag da alles vorgefallen sein? Ich habe mir eine römische Legion vorgestellt und mittelalterliche Kutschen, die mit der Steigung ihre Mühe gehabt haben werden.

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Nicht nur die turmhohen Pappeln sind verschwunden, die den Hellweg einst säumten und sogar von den Dörfern Hengsen und Opherdicke aus zu sehen waren, auch die alte Kolonie südlich des Hellwegs, eine Reihe von Bergarbeiterhäuschen, die in meiner Kindheit noch existieren. Ich wurde immer davor gewarnt, dort zu spielen, weil die Leute, die dort wohnten, keinen guten Ruf hatte. Nur eine Handvoll alter Häuser duckt sich im Schatten des Flughafens, der heute alles niederwalzt.

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Die Nordstraße (oben) war das Revier meiner Kindheit,freifunk im Haus Nummer 2 wurde ich geboren, Ich ließ es mir heute nicht nehmen, in der Bäckerei gegenüber, die früher Schopp hieß, Rast zu machen.

„Freies WLAN“ stand an der Tür, hurra! Ein Vorposten der Zivilisation! Das ist bei der Kette „Bäckerei Grobe“ offenbar Standard, wie man mir sagte. Deshalb kommt sie gleich zwei Mal vor. Und auch der Inhaber des Hotspots nebenan ist nicht von gestern.

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Das „eigentliche“ Holzwickede beginnt südlich der Bahn, und Völkerkundler würden sich für die herzliche Abneigung zwischen „Südseitlern“ und „Nordseitlern“ interessieren, die niemand zugibt, aber in der oral history sehr wohl vorkommt. Das Gasthaus „Zum Adler“ hinter der ersten Kurve ist eines der imposantesten Häuser der Gründerzeit und bietet heute ganz kosmopolitisch japanische, chinesische und mongolische (!) Küche an. Indisch hätten sie eigentlich auch noch dazunehmen können.

So eine 10000-Seelen-Gemeinde hat nur eine „richtige“ Hauptstraße, aber ihr Zweck wird heute verfehlt. Händler und Handwerker sind kaum noch da, Häuser stehen leer, und Rechtsanwälte und vergleichbare Dienstleister machen sich breit. Nur das Rathaus (oben) ist eine Augenweide.

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Ja, der Lünschermannsweg (unten) an der ehemaligen Hengser Straße. Ein Foto ist Pflicht, wie schon wie hier (Oktober 2014), hier (24.10.2014), hier (Juli 2012) und hier (März 2012) und hier (November 2011) und hier (Juli 2011). Und auch der Hixterwald.

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Verkaufte Seelen

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Ich schaue The Expanse gerade zum zweiten Mal. Mir fiel auf, dass im obigen Dialog sowohl der Journalismus in Deutschland thematisiert wird als auch das formuliert, was auf meinem Grabstein stehen sollte (den es vermutlich nicht geben wird, weil ich meiner Schwester gesagt habe, sie solle meine Urne klauen und die Asche im Hixterwald verstreuen.)

Namen für die Rinnenden

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Ich muss schon wieder belehren, ich kann nicht anders. Die Frage, die im Ruhrgebiet diskutiert wird, seitdem es Tourismus gibt, werde ich jetzt für immer und ewig beantworten: Wo entspringt die Emscher? In einem Quellteich (Foto ganz unten)? Ab da wird das Gewässer so genannt. Kann man tun. Sie „entspringt“ aber nicht dort, sondern im Hixterwald, der eher ein Wäldchen ist und zwischen Dortmund-Sölde und Holzwickede liegt. Die kleine Gegend heißt aus westlicher Perspektive „Sölderholz„.

„Genau genommen existieren mehrere kleinere Rinnsale, die in besagten Teich münden und hier den Ursprung bilden“. Also nein! Ich habe als Kind in diesen „Rinnsalen“ gespielt – die Rinnsale rannen ganz schön, man konnte sie sogar erlebnispädagogisch zeitweilig stauen. Geben wir den Rinnenden einen Namen: Wir reden über das Siepensystem des Selbachs.

Der Wald lebt. Wenn ich einmal im Jahr da herumlaufe bzw. fahre, ist vieles immer wieder neu und anders. Deutsche Kinder sollten nicht ohne Wald aufwachsen. Zusammen mit meinem Opa habe ich Ameisen beobachtet und gelernt, dass man deren Haufen nicht kaputtmacht, gelernt, dass die Vögel sich gegenseitig vor Störenfrieden warnen und dergleichen mehr. Das zweite Foto zeigt übrigens eine Pinge.

Aber das alles hatte ich schon vor zehn Jahren geschrieben. Es schadet aber nicht, es für die Nachgeborenen zu wiederholen.

Lünschermannsweg!

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Das Wetter war selten bescheidener seit meinem letzten Besuch vor zwei Jahren. Ein Foto des Lünschermannsweges (nimm dies, Google!) war leider nicht wie wie bisher möglich, da auf dem Feld jetzt Main gepflanzt worden war, der aber nicht gut aussieht. Ist das jetzt die Dreifelderwirtschaft, reloaded?

Nie hätte mir ich als Kind vorstellen können, dass ich später mal mit einem E-Bike durch den Hixterwald brettern würde, zumal noch bei Regen. Den Blick auf mein Heimatdorf kann man jetzt erst so fotografieren, da früher hier nur Felder waren. Die wohlhabenden Dortmunder bauen jetzt überall hier Häuser hin. Das nennt man dörfliche Gentrifizierung. Ich hoffe nur, dass die den Lünschermannsweg und den magischen Wald meiner Kindheit in Ruhe lassen.

Heimatgenuss im Herbst

Stadtkirche Unna
Unna, Markt, von der Stadtkirche aus gesehen. Im grauen Haus am Markt rechts neben dem Restaurant übernachtete Heinrich Heine.

Auf meiner To-Do-Liste im Herbst: Alte Freunde treffen, Verwandte treffen, im Ölckenthurm essen, Römerlager Oberaden, Domschatz Essen, XXL-Currywurst, Milchhof Mühlhausen, Hixterwald und Keller Kopf, Lünschermannsweg.

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#fairwiese

wiese

Die hier mitlesenden Biologen und Verfasser von Pflanzenbestimmungsbüchern können mir bestimmt verraten, um welche Pflanzen am Feldrand es sich handelt. Klatschmohn kenne ich, und die anderen sind vermutlich nützlich, um das Feld vor Schädlingen zu schützen. Das ist fair oder auch nicht. (Das Foto habe ich von der Römerstrasse in Blickrichtung Hixterwald aufgenommen. Ja, römische Legionäre waren auch in Holzwickede.)

And now for something completely different. Der Begriff #fairland ist also gerade out. Vermutlich suchen sie nach einem neuen griffigen Wort. Ich habe eines vorgeschlagen, um die SPD mit einzubinden: #fairkapitalismus. Dann weiß man doch gleich, um was es geht.

Margarethe, Caroline und der Lünschermannsweg, zum wiederholten Male revisited

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Ich schrob hatte schon vor drei Jahren geschrieben: Wieso fotografiere ich eigentlich immer dasselbe Motiv – wie hier (Juli 2012) und hier (März 2012) und hier (November 2011) und hier (Juli 2011)?

Man sieht meinen Geburtsort Holzwickede von der Quellenstraße aus, ca. 100 Meter südlich des Lünschermannswegs.

Der Emscherquellhof wächst immer mehr zu, in ein paar Jahren wird er aus der Perspektive gar nicht mehr zu sehen sein.

Was ist eigentlich da drunter, insbesondere dem Hixterwald, in dem ich als kleiner Junge oft mit meinem Großvater war? Das sieht man auf der Skizze: Mein Opa hatte in den zwanziger Jahren noch auf den Zechen Margarethe und Caroline gearbeitet und wusste auch noch, wo die Schächte und Stollen des Bergwerks Schwarze Adler waren. Und ich weiß das alles von ihm.

Heimaten

unna

Das ist ein Suchbild.

Bis Montag bekommen die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser Facetten aus meinter alten Heimat im Ruhrgebiet zu sehen und was mir so im Kopf herumschwirrt. Ich verstehe nicht, wie man sich über das Wort „Heimat“ so aufregen kann. Ich habe gleich mehrere davon. In der jetzigen wird vorkommen: Die Rote Ruhrarmee, die Schlacht von Pelkum, die Heimatstube Holzwickede, natürlich der Lünschermannsweg, der Hixterwald, vermutlich auch das Ruhrtal, das Canapé usw..

Der Bäcker mit dem Freifunk, revisited

GrobeBäckermeister Grobe

Wie im Vorjahr: Freies WLAN und Kuchen beim Bäckermeiser Grobe (in meiner Kindheit: Schopp) in der Nordstrasse. Ja, für die hier mitlesenden Ausländer: In Deutschland gibt es freies Internet beim Bäcker – und nur da. Mein Geburtshaus liegt übrigens gegenüber.

Vom Stuckenberg zum Keller Kopf

massener Heidemassener Heidereich des wassers

Eine Denksportaufgabe wäre: Reisen sie wie Heinrich Heine 1812 von Hagen nach Unna, aber bitte über Holzwickede! Wenn man sich die heutigen Autobahnen und Straßen wegdenkt und nur die Topografie und alten Karten ansieht, wird eines sofort klar: Die Römer wussten schon, warum sie auf dem Hellweg in Richtung Osten marschierten – und nur da. Südlich davon liegt das Tal, in dem früher wenige Bauern lebten, und dann kommt der Höhenzug des Haarstrangs mit den Dörfern Hengsen und Opherdicke (seit 950 n.u. Z. besiedelt). Wenn man aber direkt von Holzwickede nach Unna wollte, träfe man auf das Liedbachtal oder einen steilen Hügel – beides würde eine Kutsche oder ein Fuhrwerk vor ein großes Problem stellen. Wikipedia radebrecht dazu; „Zudem ist in Massen ein Berg vorhanden, welcher Stuckenberg heißt, der 118 m über NN und in der Massener Heide liegt.“

Ich habe die Tour heute mit dem Fahrrad gemacht. Die Landschaft ist lieblich und abwechslungsreich, wenn man von dem Krach der Autobahn absieht, der aber nicht überall durchdringt. Wenn man den Stuckenberg mit Karacho runterradelt, kommt man zu einer historischen Mühle (vgl. Foto oben), die der Besitzer in eigener und Handarbeit restauriert hat. Touristen sind hier nie, obwohl man hier Rosamunde Pilcher verfilmen könnte. Das Areal heißt bei den Einheimischen „Reich des Wassers“.

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Auf der anderen Seite Holzwickedes strampelt man den Haarstrang hoch, über die „Landskrone“ zum Keller Kopf mit dem hier schon 2011 erwähnten Denkmal. Der Blick ins Ruhrtal ist unbezahlbar.

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Hixterwald

Auch der Hixterwald dürfte den wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammlesern bekannt sein. Man könnte dazu Madonna hören.

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Und täglich grüßt der Lünschermannsweg, und der Emscherquellhof nickt dazu.

Als ich neulich aus dem Fenster sah

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Als ich neulich aus dem Fenster und die grauen Mauern gegenüber sah und das bescheidene Wetter missbilligte, fragte ich mich, warum ich nicht woanders wohne. Natürlich ist Berlin-Neukölln Rixdorf eines der interessantesten Stadtviertel, in dem man zur Zeit in Deutschland wohnen kann, und ich habe Verwandte und Freunde in Berlin. Aber möchte ich das letzte Drittel meines Lebens hier verbringen? Der Vergleich ist ein bisschen verwegen, aber Rixdorf könnte man nur toppen mit Jerusalem oder Hongkong.

Und was möchte ich sehen, wenn ich alt und klapprig bin und vielleicht 95? Immer noch Rixdorf? Ich lebe mit keiner Frau zusammen und habe keine Kinder, beide Themen sind abgehakt. Das Geld, um mich abzuseilen, habe ich im Moment auch nicht. Schnelles Internet müsste aber schon sein.

Mein Traumziel, die Karibik-Küste Kolumbiens, habe ich noch nicht aufgegeben, obwohl dieselbe (sic) Küste in Venezuela weniger stressig wäre (äh… Drogenschmuggel und so, empfehlenswert nur für erfahrene Globetrotter) und die Frauen genauso ultraschön. Aber ich mag die Kolumbianer.

Einer der schönsten Gegenden, wo ich jemals war, ist aber zweifellos der Westen Guyanas in der Nähe der brasilianischen Grenze, nicht remote access, sondern eine im Sonne des Wortes wirklich remote area. Lonely Planet schrieb:
Dutch and British colonization made an indelible mark on Guyana, leaving behind a now dilapidated colonial capital, a volatile mix of peoples and a curious political geography. The country’s natural attractions, however, are impressive, unspoiled and on a scale that dwarfs human endeavor. Guyana has immense falls, vast tropical rainforest and savanna teeming with wildlife. (…) Right now, it’s the place for independent, rugged, Indiana Jones types who don’t mind visiting a country that everybody else thinks is in Africa.

Yeah. Well said, dude.

Vermutlich würde ich aber dort bald vieles vermissen, vor allem meine Freunde, oder auch meinen jährlichen Besuch in meiner alten Heimat (vgl. unten). Wenn ich jedoch noch einen Bestseller schriebe und das Flugticket Berlin-Georgetown aus der Portokasse bezahlen könnte, dann werde ich mir das noch einmal überlegen. Oder ich müsste eine reiche, kluge und reiselustige Frau kennenlernen, die alles bezahlte.

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Das obere Foto zeigt den Blick von der Manari-Ranch auf die Rupununi-Savanne in Guyana (1982). Das untere Foto zeigt den Emscherquellhof in meinem Heimatort Holzwickede im Ruhrgebiet, aufgenommen an der Kreuzung Hauptstraße/Lünschermannsweg (2012). Im Hintergrund der Hixterwald, in dem ich als kleiner Junge mit meinem Großvater oft war.

Holzwickede: Waldesrauschen (3)

Holzwickede

Ungeachtet der Weltläufte und was es dort zu berichten und zu bloggen sei, widme ich mich dem deutschen Wald, konkret dem Hixterwald aka Sölder Holz.

Der Deutsche an sich hat zum Wald an sich ein besonderes Verhältnis, die meisten Märchen und Mythen spielen dort. Das liegt vermutlich daran, dass Deutschland noch im Mittelalter größtenteils von Wald bedeckt war und alle Geächteten, Outsider, Räuber (bei Schiller auch „Libertiner“ genannt) oder auch nur arme Leute, die sich vor irgendeiner marodierenden Soldateska verstecken mussten, dorthin flohen oder schlicht dort zu überleben versuchten. Der verirrte Wanderer, der im nächtlichen Wald das Licht eines Hauses sieht, ist ein fester Bestandteil vieler Erzählungen. Der Eisenhans („der Wald als märchentypischerm Sitz des Magischen“) war immer mein Lieblingsmärchen, und nicht zufällig ist mein liebster Aufenthaltsort der deutsche Wald im Komparativ – der Dschungel.

Der Hixterwald liegt südwestlich von Holzwickede (das Foto ist von Norden aus aufgenommen worden – also hinten rechts.)

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Mein Großvater ging mit mir oft zum Kellerkopfdenkmal also known as 130er Denkmal. Das liegt südwestlich vom Hixterwald. Da dieser früher aber viel ausgedehnter war, gehörte das kleine Waldstück sicher dazu.

Im Südwesten des Gemeindegebiets befindet sich das 130er Denkmal (auch Kellerkopfdenkmal). Am steilen Abhang des Kellerkopfes zum Ruhrtal hin wurde am 1. September 1929 das Regimentsdenkmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des 1. Lothringisches Infanterie-Regiment Nr. 130 (im Volksmund „130er“) eingeweiht.
Gebaut wurde diese Gedenkstätte nach einem Entwurf des Berliner Bildhauers Fritz Richter-Elsner von 1926 bis 1929 im Geiste der damaligen Zeit zu Ehren und zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten des Regiments, unter denen sich viele einheimische Soldaten befanden. Initiator und Stifter des Denkmals war der 130er Soldatenverein, gebildet aus den überlebenden Angehörigen des Regiments.
Der Kellerkopf war für lange Zeit Ausflugsziel und Naherholungsgebiet. Heute findet lediglich zu Pfingsten eine größere Anzahl an Menschen zum Kellerkopf, denn seit 1979 feiert der Förderverein zur Erhaltung und Pflege des Kellerkopfdenkmals jeden Pfingstsonntag dort ein Friedensfest.

Die einheimische Jugend hat ein ganz eigenes Verhältnis zu derartigen Denkmälern, was ich (als ehemaliger Kriegsdienstverweigerer) schmunzelnd zur Kenntnis nehme.

Übrigens: Der Ausblick in das Ruhrtal ist zwar atemberaubend schön, aber wohnen möchte ich auf dem Kellerkopf nicht, da die nahe Autobahn ständig zu hören ist.

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Und nun zum Hixterwald und dazu, dass Wikipedia teilweise auf Agitprop hereinfällt. Der Wald war in der frühen Neuzeit das Kohlerevier der Gegend. Die Zeugnisse der Bergbaus findet man überall: „Pingen, Transportwege und Schachtreste der Zeche Schwarze Adler.“ Die Zeche im Wald wurde kurz vor der deutschen Revolution im 19. Jahrhundert geschlossen.

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Guckst du aber hier, Holzwickeder:

Am Emscherquellhof entsprang während der Bergbautätigkeit die Emscher. Durch den Bergbau im Hixterwald versiegte die ursprünglich dort entspringende Emscher im 19. Jahrhundert und kam hier am Emscherquellhof wieder zu Tage. Heute entspringt die Emscher wieder im Hixterwald.

Quod erat demonstrandum. Die Emscher entspringt mitnichten „südöstlich von Dortmund bei Holzwickede (Kreis Unna) am Haarstrang auf etwa 147 m ü. NN in einem Quellteich“, sondern, wie man verschämt zugibt: „Genau genommen existieren mehrere kleinere Rinnsale, aus denen die Emscher entspringt, die in besagten Quellteich münden“. Die Emscher entspringt im Hixterwald (auf dem 2. Foto von unten ist sie klar zu sehen). Der so genannte Quellteich im Emscherhof ist nur Agitprop, mit der man Besucher dorthinlocken will, also eine Art Holzwickeder Disneyland, inklusive einer Aussichtsplattform auf einen Tümpel, den man uns als Emscherquelle verkaufen will.

Der Selbach im Osten des Hixterwalds (3. Bild von unten) fliesst übrigens nach Norden in die Emscher, die in Holzwickede einen Bogen nach Westen macht, aber die Ureinwohner von Sölde (meine Tante gehört dazu, die habe ich gestern gefragt), nennen den Selbach auch „Emscher“.

Die Emscher liegt östlich der Lichtung, die ich ganz unten fotografiert habe und auf der ich schon vor einem halben Jahrhundert mit meinem Opa gestanden habe, der Selbach westlich davon.

Holzwickede: Träumen vom Hilgenbaum und der Kornmuhme? (2)

Holzwickede

Schön, dass ich ein Blog habe. Die Westfälische Rundschau bringt heute eine halbe Seite ihres Lokalteils Holzwickede über mich, und ich musste bei einigen Sätzen schon heftig schlucken.

Nein, ich träume nicht nur von Holzwickede, wenn ich im Ausland bin (wie es dort steht). Das wäre ja fürchterlich.

Ich hatte dem jungen Kollegen erzählt: Bei langen Auslandsreisen verblassten die Träume von Berlin allmählich, aber es dauerte immer Wochen, bis ich anfing, von der Gegenwart – zum Beispiel in Südamerika – zu träumen. Stattdessen machten meine Träume eine Art Zeitreise, immer weiter zurück in die Kindheit, als sei das Unterbewusstsein noch nicht in der Lage, das real Erlebte zu verarbeiten.

Ich habe auch nicht mit meiner Mutter im Wohnzimmer gesessen und auf den Weltuntergang gewartet, den die Neuapostolischen erwarteten. Aber ganz falsch ist das nicht: Johann Gottfried Bischoff, der Chef der Sekte, genannt „Stammapostel“, hatte Weihnachten 1951 verkündet, dass er der letzte „Stammapostel“ sei. Jesus werde zu seinen Lebzeiten wiederkommen. Das ist natürlich eine klassische millenaristische Botschaft, die den ideologischen Gehalt derjenigen „adventistischen“ religiösen Gruppen ausmachen, die sich so von den christlichen Mainstream-Kirchen absetzen.

Wikipedia: „In der Folgezeit wurde diese Botschaft innerhalb der NAK immer bedeutsamer. Unter anderem wurden Aufnahmen in die NAK, die so genannten Versiegelungen, sowie Berufungen in die neuapostolischen Ämter ab September 1954 von der Annahme der Botschaft abhängig gemacht. Zahlreiche Gemeindeglieder und höchste Amtsträger widersetzten sich dem und wurden daraufhin ausgeschlossen. Von der der NAK wurden sie fortan als ‚Zweifler, Rechthaber und Eigenbrötler‘ bezeichnet. Sie gründeten zum Teil neue Gemeinschaften wie die Vereinigung Apostolischer Gemeinden. Prominenteste deutsche ‚Opfer‘ waren am 23. Januar 1955 der designierte und ordinierte Nachfolger des Stammapostels, der rheinische Bezirksapostel Peter Kuhlen, sowie seine zwei Mitapostel Dehmel und Dunkmann.“ Natürlich starb der Herr irgendwann.Hilgenbaum

In diesem Milieu bin ich groß geworden, und das hat auch meine Kindheit geprägt. Natürlich wissen die heutigen Sekten-Mitglieder davon nichts, zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit ist die NAK nicht in der Lage, geschweige denn zu ihrer schrecklichen Rolle im Nationalsozialismus.

Und nun zu uns, Hilgenbaum: „Östlich des alten Ortskernes stand früher eine uralte Eiche, die ihren Namen dadurch bekam, dass dort Nachrichtenzettel (Hilgen) angebracht wurden. Andere Quellen deuten den Namen als heiligen (=hilgen) Baum. Nachdem der historische alte Baum einem Feuer zum Opfer fiel, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an (fast) gleicher Stelle ein neuer Baum gepflanzt. Er befindet sich auf der SO-Seite der Kreuzung Massener Straße/Goethestraße, während der erste Hilgenbaum den Unterlagen nach ‚auf der Kreuzung‘ stand.“

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Nein, meine Großeltern hatten keinen Hof in Hengsen-Opherdicke, wie der Hellweger Anzeiger schreibt, sondern wohnten ganz normal in der Hengser Straße (wie ich gestern schon schrieb). Wenn mein Opa mit mir in den Hixterwald ging und wir an den Kornfeldern vorbewanderte, erzählte er mir von der „Kornmuhme„. Das sei eine alte Frau, die es besonders auf kleine Jungen abgesehen hatte, die in die Felder rennen wollten, um das Korn zu zertreten. Ich war damals ziemlich beeindruckt. („Häufig als altes, grauenerregend anzusehendes Weib, seltener in Mann- oder Tiergestalt streichen sie durch Getreidefelder und können unter Umständen dem Menschen gefährlich werden.“)

Die Emscherquelle im Hixterwald habe ich gestern nicht gefunden, obwohl ich als Kind an ihr gespielt habe. Vielleicht ist sie auch verschwunden: „Der Hixterwald beherbergt die historische, ursprüngliche Quelle der Emscher. (…) Besondere Bedeutung hat der Hixterwald als frühes Kohlerevier. Überall sind noch Zeugnisse des primitiven Bergbaus im 18. und 19. Jahrhundert zu erkennen. Im Wald finden sich Pingen, Transportwege und Schachtreste der Zeche Schwarze Adler.“ (Liebe Westfälische Rundschau, Hixterwald schreibt man in einem Wort!)

Update: Ursprünglich stand hier Hellweger Anzeiger. Der Kollege hat mein Blog gelesen und mich um Korrektur gebeten. Jetzt sitze ich in einem Internet-Cafe in Unna und verstelle denen erst einmal alle Browser-Optionen…