Von den Schasu und Apiru und andere Räubergeschichten

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Warum brauche ich so etwas? Ich habe jetzt Israel Finkelsteins „David und Salomo: Archäologen entschlüsseln einen Mythos“ gelesen. Das Buch vertieft die These, die ich hier schon erwähnt habe: „Bis vor einigen Jahren nahmen praktisch alle biblischen Archäologen die Beschreibung der Bibel von den beiden Bruderstaaten Juda und Israel für bare Münze. Sie stellten Juda schon zu Salomos Zeit als einen voll entwickelten Staat dar und bemühten sich nach Kräften, archäologische Beweise für die Bautätigkeit und eine effiziente regionale Verwaltung der frühen judäischen Könige zu finden. Wie jedoch weiter oben gezeigt, handelt es sich bei den vorgeblichen archäologischen Beweisen für die vereinte Monarchie um nichts anderes als Wunschdenken. Das gilt auch für die Bauwerke, die man Salomos Nachfolgern zuschrieb.

Der berühmte König David, der als Jugendlicher den Riesen Goliath erschlug, war in Wahrheit eine Art Räuberhauptmann im judäischen Bergland (südlich von Jerusalem, ca. 1000 v. Chr.). Finkelstein schreibt: …dass viele Episoden der biblischen Geschichten um David und Salomo Fiktion, historisch fragwürdig und stark übertrieben sind. (…) …werden wir beweisen, dass es ein vereinigtes Königreich Israel in der Art und Weise, wie es die Bibel beschreibt niemals gegeben hat. David und Salomo sind zwar aller Wahrscheinlichkeit nach historische Gestalten, aber sie haben keine Ähnlichkeit mit den biblischen Portraits. Wir werden zeigen, wie unwahrscheinlich es ist, dass David jemals Gebiete erobert hat, die mehr als zwei Tagesmärsche vom Kernland Juda entfernt lagen. Wir werden zeigen, dass Salomos Jerusalem nicht sonderlich groß und eindrucksvoll war, vielmehr die schlichte Bergfestung einer lokalen Dynastie bäuerlicher Stammesführer.

Arbeitshypothese: Ich will zeigen, dass der religiös begründete Zionismus, der immer mehr zunimmt und sogar bei der IDF benutzt wird, ein gefährlicher Holzweg ist, der Israel mehr schadet als nützt. Golda Meir hat nicht an höhere Wesen geglaubt. Diejenigen, die Israel aufgebaut und gegen die Araber verteidigt haben, brauchten keine Götter dafür. Auch Finkelstein geht es nicht darum, die biblischen Geschichten zu diskreditieren. Von den großen Legenden des alten Vorderen Orients und der klassischen Antike hat einzig die Bibel bis heute die Kraft bewahrt, die Träume und Hoffnungen menschlicher Gemeinschaften überall auf der Welt zu beflügeln.

Bei Finkelstein sah ich Eric Hobsbawm „Die Banditen. Räuber als Sozialrebellen“ als Quelle und Standardwerk angeben. Ein Kapitel in „David und Salomo“ heißt daher auch: „Banditengeschichten. Der Aufstieg Davids im Bergland von Juda.“ (Die Geschichte Davids wurde übrigens frühestens rund 200 Jahre nach seinem Tod aufgeschrieben.)

Eine weitere wichtige Quelle sind die Amarna-Briefe. Die Küstenregion war zur Zeit des David ägyptisch besetzt und beherrscht. Ägypten war damals eine Großmacht mit dementsprechend ausgeklügelter Verwaltung. In Jerusalem – damals noch ein kleines Dorf und Urusalim genannt – herrschte ein gewisser Abdi-Hepa, dessen Korrespondenz (in Akkadisch!) mit dem Pharao Echnaton teilweise erhalten ist. (Für mich ist das spannend wie ein Krimi: Geschichten, die mehr als 3000 Jahre alt sind, bekommen plötzlich einen historischen Kern…)

Amarna-Briefe
Amarna-Brief EA 288, von Abdi-Hepaṭ, dem König von Jerusalem, Vorderasiatisches Museum in Berlin – und ich kriege nicht wirklich heraus, ob man da jetzt hinein kann oder nicht. Was für eine beschissene Website! Ist das Vorderasiatische Museum identisch mit dem Pergamon-Museum, das vermutlich so lange geschlossen ist wie der BER gebaut wurde?

Abdi-Hepat jammert und beklagt sich nicht nur über die anderen Stadtkönige in der Gegend, die ihn bedrohten (auch Gaza!), sondern vor allem über die Schasu („Plünderer“ in Akkadisch).

Ähnliche babylonische Bezeichnungen šaggāšum, SA.GAZ, ḫabbâtum stehen möglicherweise mit dem amurritischen Apiru in Verbindung, das sich wohl auf Räuber, Wegelagerer sowie Heimatlose bezieht und vielleicht im weiteren Sinn Gesetzlose oder Rechtlose meint.

Jetzt die Pointe bei Finkelstein, über die sich auch Karl Marx gefreut hätte:
In den Amarna-Briefen tauchen wiederholt zwei Gruppen auf, die außerhalb der von den Ägyptern kontrollierten Städte und Dörfer agierten. Von den Schasu, nomadischen Hirten im Bergland und in der Steppe, war bereits die Rede. Die zweite, noch häufiger erwähnte Gruppe ist für unseren Zusammenhang von größerer Bedeutung: die Apiru. Dieser Begriff, manchmal auch als «Habiru» wiedergegeben, wurde früher mit der Bezeichnung «Hebräer» in Verbindung gebracht. Doch aus den ägyptischen Texten geht klar hervor, dass der Name keine bestimmte ethnische Gruppe, sondern eine in Krisen geratene sozioökonomische Klasse bezeichnete. Die Apiru waren entwurzelte Bauern und Hirten, die zu Banditen wurden oder sich als Söldner in den Dienst dessen stellten, der ihnen am meisten bot. Jedenfalls waren sie eine Bedrohung für die Stabilität der Herrschaft lokaler Potentaten und der ägyptischen Macht im Lande. (…) In den Augen der Lokalherren waren sie eine aufrührerische unterprivilegierte Klasse, die eingebunden, getötet oder sonstwie unter Kontrolle gebracht werden musste.

Das Buch Wolfgang Helcks: „Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr.“ behandelt genau dieses Thema „aus ägyptischer Sicht“. Ich habe nur dieses gefunden. Es gibt auch nicht viele Historiker, die akkadische Quellen lesen und interpretieren können.

David ging von da hinweg und rettete sich in die Höhle Adullam. Als das seine Brüder hörten und das ganze Haus seines Vaters, kamen sie dorthin zu ihm hinab. Und es sammelten sich bei ihm allerlei Männer, die in Not und Schulden und verbitterten Herzens waren, und er wurde ihr Oberster; und es waren bei ihm etwa vierhundert Mann. (Bibel, 1. Samuel 22)

Vorgemerkt für meinen nächsten Israel-Aufenthalt: Die Höhle Abdullam besichtigen.

Die Balladen, die vom Aufstieg des Räuberhauptmanns David und seiner Eroberung Jerusalems erzählen, wurden zweihundert Jahre später schriftlich fixiert, ausgeschmückt, auch mit Ortsnamen, die zu Lebzeiten Davids noch gar nicht existieren, und zu einen Gründungsmythos ausgewalzt. Es gab verstreute Gruppen; Bauern, Schafhirten und zahlreiche Clans. Erst viel später, in der Rückschau, betrachteten die Leute von Juda ihre Bestimmung zu eine Volk als eine seit jeher feststehende Gewissheit.

So wird ein Klassenkampf vor drei Jahrtausenden zu einem Mythos, der bis heute wirkt. Von all den Rebellen und Freibeutern, die die schroffen Landstriche zwischen dem Toten Meer und den Ausläufern des Berglands von Juda durchstreifte, gründete einzig und allen David eine Dynastie, die vierhundert Jahre regierte. Und auch nachdem diese Dynastie ihre politische Macht verloren hatten blieb die Erinnerung an sie über Jahrtausende hinweg lebendig.

Ein Rezensent fasst das in der bürgerlichen Presse gut zusammen:
„Nicht um Wahrheit und Historizität Davids ging es den Redaktoren der alttestamentarischen Geschichtswerke, sondern um die religiöse und politische Normierung des Judentums ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. Finkelstein/Silberman beschreiben eindrucksvoll, wie sehr die Bibel die gesellschaftliche und kulturelle Wirklichkeit jener Epoche spiegelt, in der die beiden jüdischen Kleinstaaten zwischen den Großmächten Assyrien und Ägypten ihr Auskommen suchten und sich nicht selten gegenseitig bekriegten.

Israel, der bedeutendere von beiden, wurde 722 ein Opfer assyrischer Heere. Seitdem strebten die Könige Judas danach, das Erbe des Nordreichs anzutreten und sich als die nationale Dynastie zu präsentieren. Dabei beriefen sie sich auf ihren Ahnherrn David.“

Was für eine großartige Story!

king david
Create an image of the biblical King David, inspired by the styles and motifs found in ancient art and historical artistic representations. Depict him in a grand and symbolic setting, showcasing his royal and heroic essence. He should be adorned in majestic attire, possibly holding a scroll or wearing a crown to symbolize his kingship. Include elements that represent his achievements and character, such as a harp for his musical skills or a scene of battle to reflect his warrior nature. The composition should evoke a sense of majesty and historical significance, reminiscent of ancient period artworks –no books–ar 3:2 –s 750

Postscriptum: Ein Leser fragte nach den Gründen, warum mich das Thema Israel fasziniert. Das ist einfach zu erklären. Wenn man unter ganz speziellen Umständen aufwächst dergestalt, dass man achtzehn Jahre lang fünf Mal wöchentlich die Geschichten der Bibel rauf und runterhört und dann noch als Jugendlicher von Leon Uris Exodus liest, dann bleibt das nicht aus.

Klatsche für Biblische

Har Savyon
Der Har Savyon im Wadi Hamam nördlich von Tiberias im Nationalpark Gan Le’ummi Arbel (Mount Arbel). Vgl. „Mount Arbel am Wadi Hamam, an den Hörnern von Hittin gepackt“ vom 18.10.2023.

Ich habe mir etwas bei der wiederholten Lektüre Finkelsteins notiert, falls hier Theologen mitlesen:

„Bis vor einigen Jahren nahmen praktisch alle biblischen Archäologen die Beschreibung der Bibel von den beiden Bruderstaaten Juda und Israel für bare Münze. Sie stellten Juda schon zu Salomos Zeit als einen voll entwickelten Staat dar und bemühten sich nach Kräften, archäologische Beweise für die Bautätigkeit und eine effiziente regionale Verwaltung der frühen judäischen Könige zu finden. Wie jedoch weiter oben gezeigt, handelt es sich bei den vorgeblichen archäologischen Beweisen für die vereinte Monarchie um nichts anderes als Wunschdenken. Das gilt auch für die Bauwerke, die man Salomos Nachfolgern zuschrieb. Es stellte sich als illusorisch heraus, die Festungen, die Salomos Sohn Rehabeam in ganz Juda gebaut haben soll (laut 2. Chron. 5-12) zu identifizieren; ebenso war es unmöglich, die massiven Befestigungen auf dem Tell en-Nasbe nördlich von Jerusalem mit den Verteidigungsanlagen, die der judäische König Asa in der biblischen Stadt Mizpa errichtet haben soll (1. Kön. 15,22), in Verbindung zu bringen. Heute weiß man, dass diese königlichen Bauten genau wie die salomonischen Tore und Paläste fast zweihundert Jahre nach der Herrschaft der betreffenden Könige errichtet wurden.“

Mehr Stoff

bücher
Die Links gehen zur Großbourgeoisie

Julie Burchill: „Willkommen bei den Woke-Tribunalen: Wie #Identität fortschrittliche Politik zerstört“, 2023.

Christian Frevel: Geschichte Israels. „Dieses Studienbuch stellt die „Geschichte Israels“ von den Anfängen bis zum Bar-Kochba-Aufstand 132-135 n. Chr. dar.“ Ich bin mal gespannt, ob Frevel so frevelhaft argumentiert wie Israel Finkelstein in „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“. Das wird ein interessanter Vergleich. Das Buch soll das Standardwerk zum Thema sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein „Studienbuch Theologie“ wie Finkelstein, der Archäologe ist, behauptet, dass es weder den Exodus aus Ägypten noch eine „Eroberung“ Kanaans noch ein Königreich Davids gegeben habe. Dann könnten die Theologen ja gleich einpacken und den Beruf wechseln.

Alexandre Simon Stefan: „Die Trajanssäule“, 2020. Das Buch ist sauteuer, steht aber schon seit Jahren auf meine Wunschliste. Ich hatte noch Geld von meinem geplanten Reisebudget übrig und musste es mir selbst schenken. Es ist auch das einzige Buch, das die Bilder (2500 Figuren!) im Original zeigt und wissenschaftlich einordnet. Man müsste ansonsten nach Rom reisen und eine Drohne fliegen lassen, was vermutlich nicht erlaubt ist. (Das Buch wiegt 3 Kilo und 200 Gramm.)

Reise nach Jerusalem 2, reloaded

Jerusalem
Blick von der südlichen Stadtmauer Jerusalems in der Nähe des Ziontores ins Kidrontal (Wadi en-Nar).

Die zweite Garnitur der Fotos meiner Reise nach Israel, reloaded. (Vgl. Reise nach Jerusalem 2 vom 11.10.2023). Einige Fotos sind in sehr hoher Auflösung, so dass man die Details noch erkennen kann.

Verehrer höherer Wesen müssen jetzt ganz stark sein. Jerusalem ist weniger eine Stadt der Geschichten, sondern mehr eine der frommer Geschichten. Falls man von der Thora oder der Bibel auf historische Fakten schließen will, muss man vorsichtig sein: Fast alles ist gelogen, erfunden und herbeifantasiert. Daher ist ein Rundgang durch die Altstadt mehr ein Themenpark der Legenden. Das will aber niemand hören, und es würde auch den Tourismus ruinieren.

via dolorosa

Die Via Dolorosa ist mitnichten der Weg, den Jesus zum Kreuz gegangen ist. Erstens darf man mit Fug und Recht behaupten, dass es den biblischen Jesus gar nicht so gegeben hat; also ist er zweitens auch keinen Weg in der Altstadt Jerusalems entlanggelatscht, der ohnehin mehrfach verlegt wurde, von einer Auferstehung von den Toten ganz zu schweigen. Aber diskutiere das mal jemand mit Religioten!

Es kommt noch viel schlimmer. Die Neudatierung dieser Städte [Meggido, Jesreel, Geser, Samaria und Hazor] von der salomonischen Zeit in die Zeit der Omriden hat für die Archäologie wie für die Geschichte gewaltige Auswirkungen. Damit werden die einzigen archäologischen Beweise zunichte gemacht, die es je für eine vereinte Monarchie mit einem Zentrum in Jerusalem gegeben hat. Sie erlaubt den Schluss, dass David und Salomo aus politischer Sicht kaum mehr als Stammesoberhäupter mit einer kleinen, lokal beschränkten Verwaltung im Bergland waren. Weiter zeigt sich, und das ist wichtiger, dass dass trotz des Nachdrucks, den die Bibel auf Israels Einmaligkeit legt, im frühen 9. Jahrhundert v. Chr. im Bergland ein Königreich von einem durch und durch konventionellen nahöstlichen Typus entstand. (Israel Finkelstein: „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“, 2004, S. 209)

Noch mal zum Mitschreiben: Ein „Reich“ des biblischen Königs David oder einen Tempel, den König Salomo hat bauen lassen, hat es nicht gegeben. Alles Fake News und Propaganda according to science.

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Foto links unten: Die Bazar Moschee in der Straße der Fleischer (Suq el lahamin Straße) im arabischen Viertel.

Foto rechts unten: Beit El Kabbalist yeshiva im jüdischen Viertel. Als ich vor der Tür der Kabbalisten stand, hatte ich ein Déjà-vu. Die Tür kannte ich doch? Erst jetzt weiß ich warum: Ich habe diese Tür persönlich 2012 in der virtuellen Stadt Landa in Secondlife eingebaut. Die Textur musste man hochladen und dann in ein gescriptetes dreidimensionales Polygon („Primitive„) „stecken“. Jetzt weiß ich, woher sie stammt. Sie zeigt alle Stadttore Jerusalems.
Auf der Tafel steht: Established in 1755, the yeshiva was unique for its student body, which was drawn from various Diasporas. The famous Yemenite kabbalist, Rabbi Sar-Shalom Sharabi („Shemesh“), was a student her. He also served as the head of the yeshiva. Abandoned during the War of Independence (1948), in 1975 it was renovated and re-established by Rabbi Getz who headed the yeshiva.

Hurva-Synagoge

Die Hurva-Synagoge im jüdischen Viertel.

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Im Hintergrund in der 1. „Etage“ erkennt man die Chabad’s Tzemach Tzedek Shul, die ich am 11.10.23 schon erwähnt hatte. Sie steht über den Überresten einer Marktstraße aus römischer bzw. byzantinischer Zeit (rechts).

Ich bin ziellos in der Altstadt herumgelaufen, um die Eindrücke auf mich wirken zu lassen, und war weitgehend ungestört von anderen Touristen, was vermutlich nie wieder vorkommen wird. Ich wollte mir auch ein Bild von den Entfernungen machen und lief die südliche Stadtmauer entlang.

Zion gateZion gate

Das Zion Gate gehört zum jüdischen Viertel. Ich vermute, dass es deshalb eine Mesusa hat, die ich bei den anderen Toren nicht gesehen habe.

Einer der Soldaten dort hat auf meine Bitte am Ziontor zwei Fotos gemacht (1. Version), auf denen ich blöd aus der Wäsche gucke und der Wind auch meine Frisur ruiniert. Aber es hat einen hohen Symbolwert. Das war auch das einzige Mal, an dem sich Soldaten haben mit mir fotografieren lassen.

Zion gate

So weit ich das beurteilen kann, was das „Mädel“ die Chefin der Gruppe und trat auch so auf. Sie gefiel mir außerordentlich und hat das vermutlich auch gemerkt.

Zion gate

Es muss ein Alptraum sein, als Archäologe in Jerusalem etwas ausbuddeln zu wollen. Jeder Stein ist irgendeiner Religion heilig, und man kann 20 Meter tief graben und findet immer noch mehr. Leider war auch hier geschlossen, aber man konnte gut von oben alles einsehen.

Auf der Erklärtafel steht: Buildings preserved to a considerable height along the fortification of the First Temple period (tenth-sixth centuries BCE), on the eastern edge of the Ophel: gate house (1), royal structure (2), the small tower (3) and straight wall (4). The excavator, Eilat Mazar, suggusts the buildings were part of the city wall that King Solomon built in Jeruslam. „…until he had made an end of buidling his own house, and the house of the Lord, and the wall of Jerusalem round about“ (1. Kings, 3:1).

Auch hier: „vermuten“, „vorschlagen„, „königliche Struktur“, „Zeit des ersten Tempels“ – und der einzige „Beweis“ ein Bibelzitat. Also immer noch nicht der geringste Beweis für einen Tempel aus der Zeit. Die Ausgrabungen wurden finanziert von der Elad Foundation, „die als rechtsgerichtet gilt“ und „eine jüdische Präsenz in der historischen Davidsstadt aufbauen“ will. Das erklärt natürlich auch die Interpretation Mazars. Quod erat demonstrandum.

Religion ist Wahrheit

Jesus
Jesus und Jünger, zeitgenössische Wandmalerei des Famulus, ca. 64 n. Christus, zur Zeit Kaiser Neros, Domus Aurea

„Ihr habt eine törichte Lehre angenommen, macht euch selbst einen Christus und geht darum jetzt in eurem Leichtsinn zugrunde.“ (Justin der Märtyrer († um 165) – Dialog mit dem Juden Tryphon)

Hier also das schon angekündigte Wort zum Sonntag. Um mich meditativ zu versenken und mental darauf vorzubereiten, las ich, wie zu erkennen war, Rudolf Augsteins „Jesus Menschensohn“, dessen erste Auflange schon 1972 erschien. Ein Rezensent schrieb im Vorwort der US-amerikanischen Ausgabe: „In Jesus Menschensohn sind viele schlechte Nachrichten, die aus der guten Nachricht aus Galiläa resultierten, mit kühler Eleganz beschrieben. Vor drei Jahrhunderten hätten sie dem Autor den Scheiterhaufen auf dem Campo dei Fiori in Rom beschert.“

Das ist eine grandiose Empfehlung, die ich für meine Bücher auch gern bekommen hätte. Ich will das Buch nicht besprechen. Nur so viel: Jesus von Nazareth hat es gar nicht gegeben, und aus Nazareth war er auch nicht (sondern Nazoräer aka nasiräer oder nazrájja aka „die Bewahrer“- aber was kümmert die Religioten, wenn etwas falsch aus dem Aramäischen, Griechischen oder Hebräischen übersetzt wurde.) Herodes hat auch keine Babys ermorden lassen, und Bethlehem war nicht der Geburtsort des Messias. Wenn ich jetzt aufzählte, was noch alles im so genannten Neues Testament erlogen, erfunden oder falsch übersetzt wurde, wäre das Traktat so lang wie die Bibel selbst. Viele Theologen wissen das, aber wenn sie es sagten, wäre ihre berufliche Laufbahn ruiniert, so meint Augstein und zitiert viele Quellen dazu.

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„Christus et discipuli eius“, unbekannter Künstler zur Zeit Kaiser Neros, Fresko im Casa dell’Ara massima, Pompeji

Es gibt nicht nur keine validen Quellen, sondern diejenigen, die Jesus erwähnen, widersprechen sich ständig. Eigentlich stimmt gar nichts an der angeblichen historischen Figur. Sobald die Katze aus dem Sack war, also die frommen Märchen später, oftmals Jahrhunderte später, wiedergekäut wurden, redigierten und retuschierten die Kirchenväter und ihre Epigonen viele Details, die nicht in den Kram passten. Oder die Theologen „einigten sich mehrheitlich“ auf irgendetwas, weil es keine Fakten gab, Christus „der Erlöser“ aber dringend existent sein musste.

Oder, wie Gerhard Möbus in seinem Buch »Die Christus-Frage in Goethes Leben und Werk« befand: »Die Mehrdeutigkeit seiner Äußerungen über das Christsein« ändert nichts daran, daß Goethes Grundüberzeugung (Möbus nennt es seine »Vorentscheidung«,) feststeht: »Daß das Christsein ein Irrtum ist, der mit Gewissen, Vernunft und Wirklichkeit unverträglich ist und der seine Anhänger in den Zustand der Lügenhaftigkeit und Unredlichkeit versetzt, wenn sie auf einer höheren Bewußtseinsstufe stehen.«

Jesus
Wandmalerei in Pompeji, Macellum, Tempera-Stil, Künstler unbekannt, Kopie einer Wandmalerei samt Inschrift auf einer Mauer in Galiläa: המשיח מנצרת, הנקרא כריסטוס

Wie kommt man gegen Mythen dieser Art an? Gar nicht. Man sollte auch nicht die Religion an sich beschimpfen, weil sie ein falsches Bewusstsein der Realität ist, eben ein „Seufzer der bedrängten Kreatur“, wie jemand mal sagte. „Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen.“

Angesichts der spärlichen Belege kann man fragen, ob denn der ganze Jesus nicht eine aus mehreren Figuren und Strömungen synthetisch in eins geflossene Erscheinung sei, in der Phantasie hellenistisch gebildeter Juden als eine personifizierte Heilserwartung des jüdischen Volkes unbewußt erschaffen.“ (Rudolf Augstein)

Full ack, Euer Ehren, aber wir ruinierten auch die Tourismusindustrie in Israel, insbesondere in Jerusalem. Bethlehem, Nazareth. Nur Potemkinsche Dörfer. Sagte da jemand Jericho?

Vor 13 Jahren schrieb ich: Ich wette, dass in deutschen Schulklassen immer noch die fromme Legende erzählt wird, es habe einen „Auszug Israels“ aus Ägypten oder gar die sprichwörtlichen „Posaunen vor Jericho“ gegeben. Seit Israel Finkelsteins (…) Buch „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“ wissen wir, dass alles das ein gut erfundenes Propaganda-Märchen ist. Das ist nicht Geschichte und Realität, sondern ein Mythos!

exodus
Auszug der Israeliten aus Ägypten, Öl auf Leinwand, Jacques-Louis David im Auftrag Napoleons, heute im Louvee. Das Gemälde ist eine Kopie einer verloren gegangenen Wandmalerei aus der Zeit des Neuen Reiches (18. bis 20. Dynastie, etwa 1500–1000 v. Chr.. Die ursprüngliche Beschriftung war in Hieratisch.)

Die religiösen Zionisten Israels und andere Orthodoxe warten bekanntlich auch auf den Messias. Ob der jemals kommt? Man könnte das beschleunigen, indem man den Felsendom schon mal in die Luft sprengt, um Platz für den dritten Tempel zu schaffen, der dort stehen soll. Leider gibt es für den ersten Tempel keine archäologischen oder sonstigen überprüfbaren Quellen, nur fromme Geschichten, so dass man über die Zählung eins, zwei, drei trefflich streiten kann. Der Felsendom ist übrigens auch nicht die drittheiligste Stätte des Islam, auch das ist Bullshit-Bingo. Im 19. Jahrhundert war das Gebäude in einem jämmerlichen Zustand, und niemand kümmerte es.

exodus
wie oben, aber Vatikanisches Geheimarchiv

Mohammed
Die Himmelfahrt Mohammeds, gemalt nach Augenzeugenberichten, frühes 8. Jahrhundert (Kopie). Titel auf dem verloren gegangenen Original: araǧa bi-rasūli ʾllāh ilā ʾs-samāʾ as-sābiʿa.

Die Macht des Faktischen

palästinenser

Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig. (Georg Friedrich Wilhelm Hegel)

Metz war eine echt deutsche Stadt, denn als Lothar der Jüngere seine Länder theilte, kam es (…) in den Besitz Ludwigs des Deutschen, also an das deutsche Reich. Nur fortgesetzten französischen Umtrieben und Hinterlistigkeiten gelang es, die Schutzherrschaft über Metz zu erlangen, (Karl May, Die Liebe des Ulanen)

Ich muss hier etwas klarstellen. Das Stammpublikum schien verwirrt ob einiger meiner Thesen. Natürlich habe ich mit völkischen Quatsch nichts zu tun. Ich habe auch eindeutig argumentiert, dass fromme Märchen und Mythen, die durch Fakten und die Archäologie nicht gestützt werden, ungeeignet sind, die Existenz von Staaten zu legitimieren. Was früher mal war, muss nicht unbedingt wieder sein. Das wissen Deutsche am besten.

Die „Palästinenser“ sind ein erfundenes Volk. „Volk“ ist immer ein kulturelles Projekt und kann nie auf anthropologischen oder gar biologischen Konstanten fußen. Die Juden sind ein historischer Sonderfall insofern, als dass die Religion auch eine Nation schuf. Aber auch das ist vage, da es vor der Shoah auch viele „assimilierte“ Juden gab, zum Beispiel in Deutschland, für die das Judentum so wichtig bzw. unwichtig war wie für heutige Katholiken. Sie waren deutsche Juden, aber gehörten sie zu einer jüdischen „Nation“? Oder gehörten sie damals als deutsche Staatsbürger zum jüdischen Volk? Oder beides? Das entscheidet jeder selbst, auch auf welche kulturellen Konventionen er sich dabei jeweils beruft. Es gibt keine „objektiven“ Kriterien, zu welchem „Volk“ jemand gehört. And period, wie man im Englischen zu sagen pflegt.

„Palästinenser“ sind genausowenig ein Volk wie es ein sudetendeutsches oder ostpreußisches Volk gibt. Sie sind schlicht Araber, mit oder ohne Staatsangehörigkeit. Kein Araber, der nach dem Krieg 1948 aus Israel flüchtete, hat automatisch das Recht, wieder zurückzukehren. Außerdem gingen viele freiwillig oder wurden von den arabischen Regierungen, die Israel vernichten wollten, dazu aufgefordert.

Das gilt natürlich auch für alle anderen Kriege Israels. Wenn man die Juden ins Meer werfen und sie töten will, sollte man nicht herumjammern, wenn das nicht funktioniert. Zu Risiken und Nebenwirkungen von Kriegen gegen Israel fragen Sie Ägypten, Syrien, Jordanien, den Irak usw.

Die Araber, die sich heute Palästinenser nennen, haben genauso wenig „Rechte“ wie Deutsche, die meinen, Elsass-Lothringen gehöre wieder heim ins Reich. Solange das Existenzrecht Israals angezweifelt wird, ist jede Diskussion über die „Palästinenser“ völlig überflüssig.

Beispiele?

Juden sind fremdartige Bakterien, sie sind Mikroben ohne Beispiel auf dieser Welt. Möge Gott das schmutzige Volk der Juden vernichten, denn sie haben keine Religion und kein Gewissen! Ich verurteile jeden, der glaubt, eine normale Beziehung mit Juden sei möglich, jeden, der sich mit Juden zusammensetzt, jeden, der glaubt, Juden seien Menschen! Juden sind keine Menschen! (Abdallah Jarbu, stellvertretender Minister für religiöse Stiftungen der Hamas, 2010)

Es geht nicht darum, ob wir Israel anerkennen oder nicht, sondern um die Frage, wann wir es auslöschen und seine Existenz beenden. (Jahia al-Sinwar, Chef der Hamas in Gaza, 2017)

Artikel 7: Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten.
Artikel 13: Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung.
(Gründungscharta der Hamas)

In einer endgültigen Lösung können wir nicht mal die Existenz eines einzelnen Israelis in unserem Land sehen, seien es nun Zivilisten oder Soldaten. (Mahmoud Abbas, Präsident der „Palästinenser“, 2013)

Abbas ist übrigens ein Freund Siegmar Gabriels (vgl.Screenshot unten). Was sagt uns das über den Mainstream in Deutschland?

palästinenser

Keine Posaunen, kein Tempel, kein Auszug aus Ägypten, nirgends

keine posaunen vor JerichoVor fünf Jahren schrieb ich unter der Überschrift „Wer ist Jude?“ dieses:

Wie ich am 18.04.2003 und am 15.04.2006 („Nicht rumhängen, Jesus!“) schon erörterte: „Wir leben bekanntlich nicht mehr im Mittelalter. Gefühle, gar der kollektiven abergläubischen Art, dürfen von Staats wegen überhaupt nicht geschützt werden. (…) Meinetwegen kann mich jemand, der an die jungfräuliche Geburt, an Wiedergeburt, Auferstehung, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Posaunen vor Jericho, den Weihnachtsmann und anderen Quatsch glaubt, mich und andere Atheisten gern karikieren. Das lässt mich kalt. (…) Päpste zu Märchenonkels, Kirchen zu Turnhallen!“

Wieder ein Argument gegen Religionsunterricht an den Schulen: Ich wette, dass in deutschen Schulklassen immer noch die fromme Legende erzählt wird, es habe einen „Auszug Israels“ aus Ägypten oder gar die sprichwörtlichen „Posaunen vor Jericho“ gegeben. Seit Israel Finkelsteins und Miriam Magalls Buch „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“ wissen wir, dass alles das ein gut erfundenes Propaganda-Märchen ist. Das ist nicht Geschichte und Realität, sondern ein Mythos!

„Die Wurzeln des Volkes Israel beruhen auf der Geschichte zweier Königreiche und nicht wie bisher immer angenommen eines Königreiches, des Nordreiches Israel und des Südreiches Juda. Fundamentale Wahrheiten wie der Auszug aus Ägypten, die Einnahme Kanaans die Bedeutung des Reiches Salomons (fragliche Existenz des Tempels und Palastes) werden nicht nur in Frage gestellt, sondern negiert. (…) Das Buch zeichnet sich durch absolute Professionalität aus“ (Rezension bei Amazon).

Spiegel Offline weist auf einen neuen und aktuellen Streit hin: Der israelische Historiker Schlomo Sand [kennt ihr den Unterschied zwischen ‚israelisch‘ und ‚jüdisch“ beim Spiegel? Offenbar nicht. Und seinen Vornamen schreibt ihr auch falsch. BS] behauptet in seinem Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes„:
– „Die Juden seien ergo gar kein Volk, das 2000 Jahre lang in alle Welt versprengt gewesen sei.
– Die jüdischen Gemeinden im Mittelmeerraum und Europa seien vielmehr das Produkt eifriger Missionsarbeit jüdischer Geistlicher.
– Juden seien keine Ethnie, sondern bloß eine Religionsgemeinschaft, der sich Gruppen der unterschiedlichsten Herkünfte angeschlossen hätten.“

Das alles ist schon bekannt. Aber natürlich passt es den Verehrern höherer Wesen nicht, wenn man ihren frommen Aberglauben mit der Realität abgleicht. Dann halten die christlichen, islamischen und jüdischen Pfaffen zusammen wie Pech und Schwefel. Perlentaucher.de fasst es knapp zusammen: „Die Berufung auf die jüdischen Stammväter entspringe dem gleichen Muster wie deutschen Mythen um die Germania oder Hermann dem Cherusker. Plausibel (..) auch Sands These, dass die Mehrheit der osteuropäischen Juden ethnisch vom Turkvolk der Chasaren abstammt, die im achten Jahrhundert geschlossen zum Judentum übergetreten seien, weswegen er dem Buch bescheinigt, ‚radikal, kenntnisreich und mit großem Mut‘ geschrieben zu sein.“

Wer den Juden eigene Gene zuspricht, die ein „Volk“ mit speziellen kulturellen Eigenschaften definieren könnten, ist schlicht ein dämlicher Rassist und sollte Nachhilfestunden in Biologie nehmen. Ich würde sehr gern wissen, was man zu hören bekäme, wenn man auf deutschen Straßen Passanten fragte: „Wer ist Jude“? Das traute sich aber niemand, weil die Antworten sehr viel über „die Deutschen“ aussagen würde.

Ich habe jetzt noch einmal mit großem Vergnügen (zum zweiten Mal) Israel Finkelsteins Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel ganz durchgelesen. David Noel Freedman schrieb: „Allen, die morgens gern kalt duschen, sei diese Buch wärmstens empfohlen.“

Man kann es nicht oft genug sagen: wird Unsinn nur oft genug wiederholt und wollen die Leute unbedingt, dass Unsinn Wahrheit wird, dann ist er nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Das gilt nicht nur für Politik, sondern natürlich und insbesondere für Relgion.

Bible Historical Daily preist eine Veröffentlichung der Biblical Archaeology Society (BAS) an. Nomen est omen. Man fragt dort enthusiastisch: „Ivory Pomegranate [Gnanatapfel] Revisited: A Relic from Solomon’s Temple?“ Leider gab es diesen Tempel gar nicht, aber wer sich an der Bibel orientiert und das unbedingt finden möchte, was dort erwähnt wird, ist kein Wissenschaftler, sondern schlicht ein Apologet nicht existierender höherer Wesen und deren Groupies.

Was kann man hier schon tun…

krankenhauskrankenhauskrankenhauskrankenhaus

Heute hab ich besser hingehört: Blutdruck 60:120. Vielleicht werde ich morgen wieder nach Hause geschickt, aber mit Verband und mit dem Befehl, mich zu schonen.

In den Tagesräumen liegt „Literatur“ herum, die aber nicht meinem Geschmack entspricht. Ich lese mit großem Vergnügen (zum zweiten Mal) Israel Finkelsteins Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel (demnächst noch einmal was dazu) und Maxime Robinsons Standardwerk Islam und Kapitalismus, das schon 1983 erschienen und immer noch aktuell ist). Beide sehr empfehlenswert.

By the way: Ich vermisse mein tägliches Secondlife, was mit einem Linux-Netbook nicht geht und auch das Huawei-Modem überfordern würde.

Wer ist Jude?

Wie ich am 18.04.2003 und am 15.04.2006 („Nicht rumhängen, Jesus!“) schon erörterte: „Wir leben bekanntlich nicht mehr im Mittelalter. Gefühle, gar der kollektiven abergläubischen Art, dürfen von Staats wegen überhaupt nicht geschützt werden. Nicht mit meinen Steuergeldern! Meinetwegen kann mich jemand, der an die jungfräuliche Geburt, an Wiedergeburt, Auferstehung, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Posaunen vor Jericho, den Weihnachtsmann und anderen Quatsch glaubt, mich und andere Atheisten gern karikieren. Das lässt mich kalt. (…) Päpste zu Märchenonkels, Kirchen zu Turnhallen!“

Wieder ein Argument gegen Religionsunterricht an den Schulen: Ich wette, dass in deutschen Schulklassen immer noch die fromme Legende erzählt wird, es habe einen „Auszug Israels“ aus Ägypten oder gar die sprichwörtlichen „Posaunen vor Jericho“ gegeben. Seit Israel Finkelsteins und Miriam Magalls Buch „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“ wissen wir, dass alles das ein gut erfundenes Propaganda-Märchen ist. Das ist nicht Geschichte und Realität, sondern ein Mythos!

„Die Wurzeln des Volkes Israel beruhen auf der Geschichte zweier Königreiche und nicht wie bisher immer angenommen eines Königreiches, des Nordreiches Israel und des Südreiches Juda. Fundamentale Wahrheiten wie der Auszug aus Ägypten, die Einnahme Kanaans die Bedeutung des Reiches Salomons (fragliche Existenz des Tempels und Palastes) werden nicht nur in Frage gestellt, sondern negiert. (…) Das Buch zeichnet sich durch absolute Professionalität aus“. (Rezension bei amazon)

Spiegel Offline weist auf einen neuen und aktuellen Streit hin: Der israelische Historiker Schlomo Sand [kennt ihr den Unterschied zwischen ‚israelisch‘ und ‚jüdisch“ beim Spiegel? Offenbar nicht. Und seinen Vornamen schreibt ihr auch falsch. BS] behauptet in seinem Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes„:

-“ Die Juden seien ergo gar kein Volk, das 2000 Jahre lang in alle Welt versprengt gewesen sei.
– Die jüdischen Gemeinden im Mittelmeerraum und Europa seien vielmehr das Produkt eifriger Missionsarbeit jüdischer Geistlicher.
– Juden seien keine Ethnie, sondern bloß eine Religionsgemeinschaft, der sich Gruppen der unterschiedlichsten Herkünfte angeschlossen hätten.“

Das alles ist schon bekannt. Aber natürlich passt es den Verehreren höherer Wesen nicht, wenn man ihren frommen Aberglauben mit der Realität abgleicht. Dann halten die christlichen, islamischen und jüdischen Pfaffen zusammen wie Pech und Schwefel. Perlentaucher.de fasst es knapp zusammen: „Die Berufung auf die jüdischen Stammväter entspringe dem gleichen Muster wie deutschen Mythen um die Germania oder Hermann dem Cherusker. Plausibel (..) auch Sands These, dass die Mehrheit der osteuropäischen Juden ethnisch vom Turkvolk der Chasaren abstammt, die im achten Jahrhundert geschlossen zum Judentum übergetreten seien, weswegen er dem Buch bescheinigt, ‚radikal, kenntnisreich und mit großem Mut‘ geschrieben zu sein.“

Wer den Juden eigene Gene zuspricht, die ein „Volk“ mit speziellen kulturellen Eigenschaften definieren könnten, ist schlicht ein dämlicher Rassist und sollte Nachhilfestunden in Biologie nehmen. Ich würde sehr gern wissen, was man zu hören bekäme, wenn man auf deutschen Straßen Passanten fragte: „Wer ist Jude“? Das traute sich aber niemand, weil die Antworten sehr viel über „die Deutschen“ aussagen würde.