Die Mütter aller Phrasen
Leider hinter der Paywall der bürgerlichen Presse: „Eine Woche analog fernsehen: Dafür muss man hart im Nehmen sein – zumal beim Programm von ARD und ZDF. Unsere Autoren wagen es. Und gelangen zu Erkenntnissen wie: Am Ende ist immer Israel schuld. Und man kann auch über Abgründe des Islam berichten, ohne diesen je zu erwähnen.“ (Reinhard Mohr und Henryk M. Broder)
Zitate: „Letzte Woche in der „Abendschau“ des RBB. Es geht um das Thema „Zwangsheirat“. Junge Mädchen verschwinden aus der Schule und kommen nie wieder. Seltsam nur: Weder in dem Filmbeitrag noch im Interview mit der Beraterin einer Hilfsorganisation taucht auch nur ein einziges Mal das Wort „Islam“ oder „muslimisch“ auf.“
„Noch am Dienstag sieht die ZDF-Korrespondentin in Istanbul das iranische Militär trotz der israelischen Enthauptungsschläge „gut aufgestellt“. Im „Tagesthemen“-Kommentar ruft die ehemalige Sprecherin von Bundespräsident Joachim Gauck, Ferdos Forudastan, zur „Entspannung“ auf und forderte eine Distanzierung des Westens von Israel. Bei Markus Lanz im ZDF stellt der Nahostexperte Daniel Gerlach Irans Streben, eine Atommacht zu werden, sogar infrage.“
„Man kann über vieles streiten, aber bei ARD und ZDF dominiert ein endemischer Moralismus, der von vornherein den kühlen, analytischen Blick verhindert, etwa auf den Einfluss des brutalen Mullah-Regimes in der gesamten Region und die totalitäre Achse Russland-China-Nordkorea-Iran, die den Westen bedroht. Appeasement ist in den Rundfunksendungen Trumpf, Angst essen Seele auf, der Status quo ist heilig. Und der beschwichtigende Ruf nach „Verhandlungen“ wird zur Mutter aller Phrasen,…“
„Ob bei ARD oder ZDF, am Ende landet stets Israel auf der Anklagebank. Die suggestive Macht der Bilder aus Gaza, der sinnliche Eindruck der kriegerischen Schrecken überhaupt, sind größer als jeder faktische und historische Kontext, zumal dann, wenn Mitteilungen des „Gesundheitsministeriums in Gaza“, also der terroristischen Hamas, unkommentiert gemeldet werden – ganz so wie etwa eine Information der AOK Rheinland zur Erhöhung der Zahnzusatzversicherung.“
„Die Wahrscheinlichkeit, dass über ein Unglück oder ein Massaker im öffentlich-rechtlichen Fernsehen berichtet wird, ist umso geringer, je weiter entfernt der Ort des Geschehens liegt. Gaza und die Golan-Höhen liegen praktisch vor unserer Haustür, über die Lage der Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch etwa erfahren wir hingegen wenig.“
„Die Frage nach den „Ursachen der Gewalt“ wird im ZDF rein rhetorisch gestellt, ohne sie zu beantworten. Es gebe da „unterschiedliche Interpretationen“. Denkbar sei, dass es sich um einen klassischen „Farmer-Viehhirten-Konflikt“ handelt, weil das Vieh der Hirten die „bestellten Felder“ der Bauern zerstört habe. Unzulässigerweise habe die Auseinandersetzung einen „religiösen Anstrich“ bekommen, weil die sesshaften Bauern sich überwiegend zum Christentum bekennen, während die Hirten der ethnischen Gruppe der Fulani angehören und Muslime sind. „Verschiedenen Experten“ zufolge sei „fälschlicherweise von Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen gesprochen“ worden. Gott bewahre! Wenn Muslime Christen umbringen – in Nigeria sind schon weit über 6000 christliche Todesopfer zu beklagen –, hat das natürlich nichts mit dem Islam zu tun.“
„Der wahre „Konflikttreiber“, also das Mordmotiv, sei nämlich – Obacht! – „der Klimawandel“! Wegen „knapper werdender Weideflächen“ müssten Hirten weiter in Richtung Süden ziehen, was zu „Konflikten“ führe – wegen des Klimawandels. Da bekommt der Begriff „letzte Generation“ für die Christen in Nigeria einen ganz praktischen Sinn. Und das Motto des ZDF? Bloß nicht über den Islam reden! Das nennt man öffentlich-rechtliche Islamophobie.“
Vermutlich bin ich weder eine relevante noch eine repräsentative Person oder mein Medienverhalten ist exotisch: Ich tue mir „öffentlich-rechtliches“ Fernsehen schon mehr als ein Jahrzehnt nicht mehr an. Diejenigen, die, wenn es dunkel wird, ihre Zeit vor der Glotze verbringen, kenne ich zwar, aber ich habe mit ihnen so viel zu tun wie mit Taro-Pflanzern in Papua-Neuguinea. Ich verstehe sie nicht. Dementsprechend enden auch die zaghaften Versuche, dann über politische Themen zu diskutieren. Das geht nicht.
Man weiß auch schon immer vorher, was kommt. Die Leute merken gar nicht mehr, dass sie im Schießschartenmodus denken und reden. Das gilt für die meisten Themen: Israel sowieso („Zwei Staaten=Lösung! Das arme Palästinenservolk!)“. Ukraine (Putin ist ein pöhser Verbrecher!). Klima (müssen wir retten). China (aber die Uiguren!). Tunten und Transen (irgendeine unverständliche Abkürzung). Nachhaltig und divers oder umgekehrt. Trump (ist pöhse/verrückt/narzistisch/sexistisch). Kopftücher. Gendersprache.
Nun könnte man einwenden, in meinem Fall wäre das auch so. Meine Versuche, mit dem Holzhammer zu argumentieren, sind aber aus der Verzweiflung entstanden, dass man den kümmerlichen Rest Ratio in manchen Gehirnen gar nicht mehr verbal hervorlocken kann.
Was mich aufregt, ist die Attitude, insbesondere aus meinem (früheren?) Milieu, dass es einen Konsens gebe. So neulich eine Nachbarin in Neukölln, jung, weiblich, „alternativ“: [irgendein Thema] „Aber die Nazis?!“ Gemeint war natürlich die AfD. Andere Probleme gibt es bekanntlich gar nicht.
Eigentlich wäre das ein Thema für einen dystopischen Science-Fiction-Roman. Oder ich lese einfach wieder Der Fremde von Camus. Oder Die Pest.
„Philosophie des Absurden in literarischer Form“ – das gefällt mir.