Unter nachträglich Depublizierenden
Hier Zitate aus dem Original von Maxim Biller:
„Kommt ein Deutscher zum Arzt und sagt: „Herr Doktor, immer, wenn ich über Israel rede, geht sofort mein Puls schneller, und nach dreißig Sekunden brülle ich jeden an, der nicht meiner Meinung ist. Ist das normal? Und wie gefährlich ist es für meine Gesundheit?“ „Was ist denn Ihre Meinung zu Israel?“, sagt der Arzt. „Hören Sie auf!“, schreit der Patient den Arzt an. „Wollen Sie mich umbringen?! Ich sollte mich doch nicht mehr so aufregen!
Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß. Das Drama, das sie dann aufführen, begleitet von der bigotten Beschwörungsformel „Das Völkerrecht! Das Völkerrecht!“, mit der sie niemals Leute wie Sinwar oder Ali Chamenei belegen würden, hat nichts mit einer zivilisierten politischen Auseinandersetzung zu tun. Es ähnelt eher einer Teufelsaustreibung am eigenen Leib, ohne Priester und Handbuch, und die Frage ist nur, wer oder was hier der Teufel ist: das schlechte Gewissen des Täterenkels? Oder der ewige Opa und willige Wehrmachtsspieß, der für immer in solchen Leuten steckt? (…)
Ich selbst habe zum Glück privat mit dem Morbus Israel der Deutschen kaum zu tun, denn bei der Auswahl meiner Freunde achte ich immer darauf, dass kein faules Ei dabei ist, kein Juden- und Israelhasser, aber auch kein eifriger Philosemit, denn bei Eiferern weiß man nie, welcher Glaube ihnen gerade passt. Womit ich beim Kern der neugermanischen Orient-Neurose wäre – der enttäuschten Liebe der Deutschen zu ihren Opfern von früher, locker formuliert. Wie rief vor ein paar Wochen der selbsterklärte Anti-Antisemit und Martin-Walser-Sohn Jakob Augstein in einem Streit-Podcast stocksauer aus? „Ich werde mir von niemandem erklären lassen, was die deutsche Verantwortung für den Holocaust ist!“ Dass er dabei genauso enttäuscht klang wie sein biologischer Vater, der einst dem Schoah-Helden und größten deutsch-jüdischen Politiker der Nachkriegszeit Ignatz Bubis vorwarf, ihm seien seine Geschäfte wichtiger als Vergangenheitsbewältigung, wies Augstein jr. – Vorsicht, Ironie! – schon mal als engagierten Freund der Juden aus. (…)
Kommt ein Israeli zum Arzt und sagt: „Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?“ „Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollten“, sagt der Arzt, „aber raten würde ich es Ihnen nicht. Auch nicht nach unserer Therapie.“
Die Kommentare sprechen für sich.
By the way: Vielleicht sollte ich ein Buch über Israel schreiben? Aber wer würde es drucken oder gar besprechen?