Veleda und Hertha

 Veleda
Made by AI/Burks

Aus der Bibliothek meiner Mutter habe ich Westfälische Sagen von Heinz Rölleke gerettet. Hier zwei Volkssagen, die ursprünglich aus dem Buch Ruhrtal-Sagen von der rheinisch-westfälischen Grenze von P. Bahlmann, Münster 1913, stammen.

In dem im Süden von der Ruhr umspülten wildromantischen Rauendahl (Gemeinde Baak, wo angeblich auch der deutsche Götze Trodo [Krodo] verehrt wurde), stand – wenn wir einer alten Sage trauen dürfen, ums Jahr 69 v. Chr. in oder an der Ruhr der Turm der Veleda, der angesehensten germanischen Seherin aus dem Stamm der Brukterer.

Hier lauschte die ehrfurchtgebietende Gestalt, die sich selbst dem Volk kaum zeigte und ihre meist in Verse gekleideten, stets zutreffenden Orakelsprüche den Ratsuchenden durch einen ihrer Verwandten mitteilen ließ, den Stimmen ihrer Götter, bis sie die Nachstellungen der Römer, die sie ob ihren großen Einflusses auf alle kriegerischen Unternehmungen verfolgten, zwangen, das behagliche Heim aufzugeben und sich weiter ruhraufwärts einen entlegeneren Zufluchtsort zu suchen. In einer besonders dunklen Nacht, in der prasselnder Regen und das Geheul des Sturmes jeden Laut übertönte, trat sie mutig die Wanderung an und erreichte glücklich, wenn auch todmüde, das Hollenloch bei Velmede (Kr. Meschede) in dem sie nunmehr sich niederließ.

Statt ihres Turmes im Rauendahl aber sollen lange nachher die Herren von Hardenberg die mächtige, 1287 von den märkischen Grafen zerstörte Schloss errichtet haben, dessen Grundmauern sich bis in die Ruhr erstreckten und noch heute bei niedrigem Wasserstand sichtbar werden, ein Schlupfwinkel für mancherlei Gespenster, die des Nachts den Wanderer erschrecken.

Was für ein Filmstoff! Es geht aber noch weiter. „Iunius Lupercus, der Legat der XV. Legion, wurde im Bataveraufstand 69/70 nach der Eroberung des Lagers Vetera bei Xanten gefangen genommen. Er wurde von den Eroberern unter Iulius Civilis zur Seherin gesandt, doch wurde er aus unbekannten Gründen unterwegs getötet. Die Brukterer und die Bewohner von Köln, die sich durch die Römer bedroht sahen, verhandelten miteinander, wobei Veleda und Iulius Civilis angerufen wurden.“

Lesen wir dazu Tacitus (übersetzt von ChatGPT).
Die Agrippinenser [„Kölner“] nahmen sich eine Bedenkzeit, da sie weder die Bedingungen angesichts der Angst vor der Zukunft eingehen noch sie offen ablehnen konnten, ohne die gegenwärtige Lage zu gefährden, und antworteten daraufhin wie folgt:

„Die erste Gelegenheit zur Freiheit haben wir gieriger als vorsichtig genutzt, um uns mit euch und den übrigen Germanen, unseren Blutsverwandten, zu verbinden. Die Mauern unserer Stadt zu verstärken ist für uns sicherer, als sie abzureißen, besonders da sich gerade die Heere der Römer sammeln. Diejenigen Fremden aus Italien oder den Provinzen, die sich in unserem Gebiet aufhielten, sind entweder im Krieg umgekommen oder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Die einst hier angesiedelten und durch Ehe mit uns verbundenen sowie deren Nachkommen – dies ist ihre Heimat. Wir glauben nicht, dass ihr von uns verlangt, unsere Eltern, Brüder oder Kinder zu töten. Wir haben die Steuern und Abgaben auf den Handel aufgehoben: Lasst die Übergänge unbewacht, aber nur tagsüber und unbewaffnet, bis die neuen und kürzlich eingeführten Regelungen durch Gewöhnung zur Tradition werden.

Als Schiedsrichter wollen wir Civilis und Veleda anerkennen, bei denen die Vereinbarungen besiegelt werden sollen.“

Mit dieser Antwort wurden die Tencterer besänftigt, und Gesandte wurden mit Geschenken zu Civilis und Veleda geschickt, um alles nach dem Willen der Agrippinenser zu regeln. Es war jedoch nicht erlaubt, Veleda persönlich aufzusuchen oder mit ihr zu sprechen: Ihr Anblick war untersagt, damit dadurch mehr Ehrfurcht entstehen würde. Sie hielt sich in einem Turm auf, und ein ausgewählter Vertrauter aus ihrer Umgebung überbrachte die Ratschläge und Antworten wie ein Mittler der Gottheit.

Übrigens: Civilis [der Anführer des Bataveraufstands] legte, gemäß einem barbarischen Gelübde, seinen zum Beginn des Krieges gegen die Römer lang gewachsenen und rot gefärbten Haarschopf erst nach der vollzogenen Niedermetzelung der römischen Legionen ab. Es wurde berichtet, dass er seinen kleinen Sohn einige der Gefangenen mit Pfeilen und kleinen Speeren, wie sie Kinder verwenden, habe durchbohren lassen.

Warum kriegen wir solche Geschichten nicht bei Netflix zu sehen, sondern stattdessen haufenweise Fantasy-Kitsch, der die Nachgeborenen verblödet?

Was ich besonders spannend finde: Die Quelle und Anlass, ein wenig zu recherchieren, war eine „Volkssage“ – also die sogenannte Oral History. Über zwei Jahrtausende haben die Leute die Geschichte, die, wie man sieht, durchaus einen realen Kern hat, weitererzählt! Zum Glück wurden diese Volkssagen im 19. Jahrhundert aufgeschrieben, sonst wäre alles verloren. Heute erzählt niemand mehr (jaja, ich schon) und Einwanderer aus Westasien interessiert das vermutlich auch nicht.

Hertha
Made by AI/Burks, Vorlage + the german godess Hertha: when the time of harvest came, the goddess rode through the land on a cart drawn by cows, and everywhere she went she was greeted with cheers

Südlich von Borgloh liegt der Hollenberg. Er war in alter Zeit eine heidnische Opferstätte. An seiner westlichen Seite befand sich der Altar, auf den der Göttin Hertha geopfert wurde. Die Überreste des Opfers, die Knochen, warf man den steilen Abhang hinunter, und diese Stelle fuhrt daher noch heute den Namen Knuakenburg.

Auch ChatGPT halluziniert fabuliert etwas darüber: Der Name „Hollenberg“ deutet auf eine Verbindung mit den sogenannten „Hollen“ oder „Hulden“ hin, Figuren aus der germanischen Mythologie. Diese wurden oft mit Naturgeistern oder weiblichen Gottheiten in Verbindung gebracht. In der Region gibt es Erzählungen, dass der Hollenberg einst als Treffpunkt für Hexen oder als Ort mystischer Rituale gedient haben soll. Der Hollenberg gilt als ein Ort voller Sagen, die von verborgenen Schätzen, unterirdischen Gängen und Spukerscheinungen berichten.

Ich hoffe, ich habe jetzt den Tourismus in Rauendahl und Borgloh angekurbelt. Falls ihr aber auf dem Hollenberg komische große Steine seht: nicht anfassen!