Bleierne Zeiten

meinhof Im Publikum kam die Frage auf, ob es sich lohne, eine Biografie über Ulrike Meinhof zu lesen, hier geschrieben von Jutta Ditfurth. Ja.

Die meisten Bundesbürger waren gegen die Wiederbewaffnung und wollten selbst dann keine Uniform mehr tragen, wenn eine »kommunistische Invasion« drohte. Es gab eine breite »Ohne uns«-Bewegung, die sich aus Menschen unterschiedlicher Wekanschauung zusammensetzte. Die Furcht vor einem dritten Weltkrieg war groß. Der Adenauer-Staat reagierte repressiv und verbot die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Jugendorganisation der KPD, die mit den sozialistischen Falken, der Gewerkschaftsjugend und christlichen Jugendverbänden spektakuläre antimilitanische Aktionen veranstaltet hatte. UUnter anderem hatten sie Anfang 1951 die Insel Helgoland besetzt, um die britischen Alliierten, die die Insel als Testgelände benutzten, zu zwingen, ihre Bombenabwürfe einzustellen.

Ich habe die anderen Bücher über die Meinhof nicht gelesen und werde das auch nicht tun. Hier repräsentiert die „Heldin“ und deren Biografie eine ganze Zeitspanne. Ich kenne kein besseres Buch über alte Bundesrepublik und die 50-er und 60-Jahre. Meinhof steht für die politische Sozialisation der Generation vor meiner – damals reichten schon zehn Jahre Altersunterschied, und man dachte politisch ganz anders. Ditfurths Biografie ist ein Standardwerk wie Stefan Heyms Nachruf: Man erfährt alles, was man wissen sollte über eine „Epoche“. Heyms Autobiografie ist aber glänzend und spannend geschrieben; Ditfurths Buch eher trocken-dokumentarisch – wen das Thema nicht interessiert, wird es schnell aus der Hand legen.

Für Unruhe sorgten bei konservativen Regierungsmitgliedern auch die – sogar in Großbetrieben — ziemlich populären »Ausschüsse für Volksbefragung«, die ebenfalls gegen die Wiederbewaffnung waren und deren Hauptausschuss sich aus Funktionären der CDU, der SPD, der KPD sowie aus ehemaligen Offizieren zusammensetzte. Bald ließ das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen überall Plakate anbringen mit der Aufschrift: »Wer an der kommunistischen Volksbefragung teilnimmt, gefährdet den Frieden und stellt sich in den Dienst des Bolschewismus!« Ausgerechnet Sozialdemokraten forderten als Erste ein Verbot der Volksbefragung, Erfolgreich. Mehr als 7000 Aktivisten wurden verhaftet (…)

Mit immer größerer Härte gingen Politik und Polizei jetzt auch gegen Demonstrationen vor: Alles, was oppositionell war, galt als »kommunistisch«…

Wenn man sich die heutige einförmige Berichterstattung in den Medien anschaut, wird man das Gefühl nicht los, dass die herrschenden Klassen die gesamte Nachkriegsgeschichte noch einmal in ihrem Sinne umschreiben wollen. Gegen den Krieg? Nein, wir müssen uns bewaffnen. Der Russe steht bekanntlich vor der Tür. „Pazifismus“ ist mittlerweile schon gesellschaftlich geächtet – wie in den 50-er Jahren. Nur dass heute das Verdikt „Querdenker“ droht, was nur noch durch „Nazi“ zu toppen ist.

Im September 1960 geriet konkret dann richtig unter Druck. Auf der Heftrückseite war das Gedicht »Nato unser« von Gerd Schulte veröffentlicht worden, was die Hamburger Staatsanwaltschaft zum Anlass nahm, gegen die Zeitschrift wegen »Gotteslästerung« zu ermitteln: »Nato unser, / […] dein Manöver geschehe / [..] Unsern täglichen Atomversuch / gib uns heute und vergib / den bösen Kommunisten keine Schuld, / […] führe uns ständig in / Versuchung, bis wir den Kanal / restlos voll haben, / denn du bist / für die Reichen / […] und die Konzernherren /[…] Amen.«

Auch die DDR wird heute unter „Putin“ eingetütet. Natürlich war der erste Versuch, einen sozialistischen Staat auf deutschem Boden zu erreichten, unter den damaligen Voraussetzungen schon gescheitert, bevor es losging – mit dem Personal und mit einer „Schutzmacht“, ohne die alles gleich zusammengefallen wäre. Nichts kam „von unten“, wie schon die – im Gegensatz zu Frankreich – gar nicht stattgefundene bürgerliche Revolution. Alles wurde von oben von beschränkten Spießern und Funktionären verordnet. Vergleicht man die DDR jedoch mit der BRD und deren Personal, war jene eindeutig das bessere Deutschland.

Albert Norden, Mitglied des Politbüros der SED, betreute de, Aufbau der Deutschen Friedensunion (DFU). Norden, Sohn eines von den Nazis ermordeten Oberrabbiners, war vor 1933 Redakteur der Roten Fahne. Er floh nach Paris, arbeitete am legendären Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror mit – ein Versuch, die Welt über den deutschen Faschismus aufzuklären -, wurde Sekretär des von Heinrich Mann gegründeten »Aktionsausschusses deutscher Oppositioneller«, floh erneut um die halbe Welt und überlebte in New York als Fabrikarbeiter.

Mich würde interessieren, ob von den voll bekloppten Klimaklebern jemand auch nur einen der erwähnten Namen kennt? Vermutlich wissen die noch nicht einmal, wer Adenauer war. Ich würde sie eher über Auschwitz befragen wollen…

Friedrich Karl Kaul, im Westen »Staranwalt der SED« genannt, stammte aus einer großbürgerlichen, jüdischen Familie und hatte nach der Flucht aus einem Konzentrationslager in der Emigrtion überlebt. Da er 1949 am Westberliner Kammergericht als Anwalt zugelassen worden war, konnte er auch in der Bundesrepublik tätig sein, wo er viele KPD- und FDJ-Mitglieder vor Gericht verteidigte. Jahrelang versuchte die Bundesrepublik vergeblich, ihm auf Dauer die Zulassung zu entziehen. Unter anderen beschaffte Kaul dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer Dokumente für den Auschwitz-Prozess.