Der letzte Sieg Angela Merkels [Update]

20. april meme
Die CDU-Mitglieder im Beitrittsgebiet begrüßen die Entscheidung des Parteiapparats, Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten zu küren, auf’s Allerfröhlichste.

Schon klar. Der Apparat, der Apparat hat immer recht. Aber muss man so etwas ausgerechnet am Geburtstag des Führers entscheiden?

Der letzte Sieg Angela Merkels also. Und der nächste Kanzler könnte jetzt aus dem Glottisschlag-Milieu kommen. (Es ist 6.35 Uhr in der Frühe, und es ist noch nicht amtlich, dass Laschet Kanzlerkandidat der CDU/CSU wird, aber ich gehe davon aus.) Aber betrachten wir die Sache aus der Perspektive eines Zynikers des ideellen Gesamtkapitals.

Der herrschenden Klasse ist es selbstredend egal, wer dem Ausschuss vorsitzt, der ihre Geschäfte organisiert. Michael Heinrich schrieb aber ganz richtig: „Sind Regierungen von einzelnen Kapitalfraktionen abhängig, dann setzen sie deren Partikularinteressen durch, aber nicht das Interesse des Gesamtkapitals.“

Welche Jobs hat das Kapital zur Zeit zu vergeben? Erstens muss man sich strategisch aufstellen, um bei begehrten Rohstoffen oder bei Dingen, die zur Zeit knapp sind, die aber jeder braucht, nicht zu kurz zu kommen. Im Rahmen der EU können deutsche Unternehmen schalten und walten, wie sie wollen, aber dummerweise muss zweitens die hiesige Regierung, mangels eigenständiger militärischer Macht, international im Kielwasser der USA schwimmen. Im Falle Chinas wird das kompliziert, da das staatskapitalistische Land Deutschlands wichtigster Handelspartner ist, während die USA die meisten Güter aus „deutscher“ Produktion abnehmen. Hier sind die Interessen der einheimischen Kapitalisten schwer unter einen Hut zu bringen.

Das gilt auch für Russland. Die „Grünen“ vertreten die Fraktion der Bourgeoisie, die „modern“ ist, also ihre Profite werbewirksam als „ökologisch“ und „divers“ verkaufen möchte. Die Großindustrie denkt nicht mehr national; bei Waffen – einem der deutschen Exportschlager – ist es egal, ob sie „nachhaltig“ oder „klimaneutral“ sind. Die Grünen setzen eher auf mittel“ständische“ Unternehmen und das Dienstleistungsgewerbe, während die CDU, auch aus kulturellen Gründen, vorerst die klassische Partei des Großkapitals bleibt. In der Landwirtschaft, wo es nur noch um Subventionen geht und darum, den Endverbrauchern Altes in neuer Verpackung anzudrehen, und bei der Energiepolitik kann man das am besten erkennen und auch unterscheiden.

Das Kapital hätte auch mit Söder keine Probleme, allerdings ist der unberechenbarer, während Laschet eine dümmere und männliche Version Merkels gibt. Für eine Trumpisierung ist die ehemalige „Volkspartei“ CDU noch nicht bereit; der Apparat (Trump nannte das establishment) hat das Sagen.

Ich glaube nicht, dass die gegenwärtigen Umfragen bis September so bleiben. Die Wähler entscheiden nach Gefühl und haben ein Gedächtnis wie eine Drosophila: Gelingt es, bis zu den Wahlen, das Thema Corona vom Tisch zu kriegen, indem man die Mehrheit derjenigen, die wählen gehen, impft, wird sich der Ärger über die desaströse Seuchenpolitik wieder legen. Die „Grünen“ waren bei Umfragen ohnehin immer besser als ihre Wahlergebnisse. Sie werden auch nie mit der „Linken“ auf Bundesebene zusammengehen (daran glauben nur die verirrten Seelen bei der „Linken“), sondern, obwohl das zur Zeit unrealistisch ist, eine Ampel bevorzugen.

Natürlich weiß die CDU, dass sie Teile ihrer Basis jetzt verprellt hat. Wanderten die aber zur AfD oder zu den Nichtwählern ab, kann es dem Apparat egal sein. (Das wird sich bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt zeigen – die sind aber nicht unbedingt repräsentativ.)

Wandern sie aber zur FDP ab, muss es die CDU auch wenig kümmern, weil das nur Stimmen innerhalb des bürgerlichen Blocks verschiebt. Wenn ich die strategische Handschrift Schäubles richtig deute, wird mit Laschet eher das Wahrscheinlichste und für die CDU das Gefährlichste verhindert – dass die CDU-Wähler zu den Grünen strömen, weil der Kandidat nicht polarisiert, sondern für nichts steht, außer für Schummeln.

Ein Parteiapparat hat immer ein gruppendynamisches Eigenleben. Die Wähler und die einfachen Mitglieder sind ihm egal, wie man bei der „Linken“ noch besser sieht. Das ist auch bei Journalistenverbänden so, und das war schon unter Stalin so.

Söder ist natürlich fein raus. Falls Laschet die Wahlen versemmelt, kann er sich bequem zurücklehnen nach der Devise: Hättet ihr mich nur gelassen. Gelingt es Laschet, eine grüne Kanzlerin zu verhindern, wird Söder das auch nützen, weil die CDU ihm jetzt etwas schuldig ist.

(Ich wollte nur einen Artikel schreiben, in dem Hitler, Stalin, Söder und Laschet vorkommen.)

[Update] Robert Birnbaum argumentiert im Tagesspiegel (ohne Gendersternchen) ganz ähnlich.