Keine Utopie in der Weite

the expanse

Fast hätte ich übersehen, dass schon die 5. Staffel von The Expanse läuft. Ist natürlich Pflichtprogramm, da IMHO die beste Sci-Fi-Serie überhaupt (was aber nicht viel heißt).

Die üblichen Verdächtigen sind wieder dabei, zu meinem Entzücken auch Cara Gee. Schauspielerei findet aber in Wahrheit nicht wirklich statt oder auf dem Niveau einer Daily Soap. Das erwartet man auch nicht. Stattdessen gibt es – wie gewohnt – superrealistische Weltraum-Szenen, futuristische Handys und den Plot, dass wieder die Welt gerettet werden muss.

Erstaunlich aber, dass das Science im Gattungsnamen nie ernst genommen oder nur auf die Technik beschränkt wird. Gibt es keine Autoren mehr, die eine Utopie entwickeln wollen, was die Gesellschaft angeht? Kapitalismus forever und bis nach Pandora? Da ist sogar „Raumschiff Enterprise“ anspruchsvoller, wo immerhin behauptet wird, die Menschheit sei so vernünftig geworden, keine Kriege mehr zu führen. Auch die Strugatzkis wagen mehr Utopie, sogar der kommunistischen Art.

„The Expanse“ macht auch hier keine Ausnahme. Die Handlung spielt nicht in einer Post-Apokalypse, sondern – Überraschung! – in einer Zukunft, in der es Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot gibt, arme Schweine, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft und eine Oberschicht aka herrschende Klasse, die in Saus und Braus lebt. Das soll es gewesen sein?

Man kann in einem Science-Fiction natürlich ausschließlich grundlegende philosophische Probleme exemplarisch abhandeln und die Futuristik nur als Kostüm benutzen, wie Stanislaw Lem in „Solaris“ oder dem „Unbesiegbaren“ (oh, das kann man demnächst nachspielen?) oder die Gegenwart parodieren.

Eine der Gründe für die mangelnde politische Fantasie der Drehbuch-Autoren ist vermutlich, dass die sich gar nicht erlauben, eine gesellschaftliche Utopie zu erfinden. Dazu müssten sie vom Kapitalismus theoretisch abstrahieren können. Fantasy parodiert bekanntlich unfreiwillig und oft auf lächerliche Weise den Feudalismus oder tribalistische Gesellschaften. Zu mehr reicht es nicht. Sogar John Norman ist mit seinem Gor-Zyklus tiefgründiger und präsentiert einen Gender-Alptraum, als hätten sich Hieronymus Bosch und Alice Schwarzer zusammengerauft, um eine Hölle zu schaffen. Das ist legitim und gar nicht so einfach.

Science Fiction sollte mehr können. Wenn das aber umgesetzt würde, hätte das Ergebnis eine Sprengkraft, die Hollywood auf keinen Fall dulden könnte. Das K-Wort muss nicht vorkommen, aber eine Gesellschaft, die nicht mehr auf Ausbeutung beruht und in der, was natürlich heute schon möglich wäre, alle Ressourcen gerecht verteilt würden? Wo kämen wir denn da hin?!

Insofern sage ich als Berufsnörgler: „The Expanse“ ist politisch reaktionärer Scheiß, übrigens genau so wie auch „Avatar„.