Nachtwache, a capella gesungen

vesper

Bless The Lord, O My Soul (S. Rachmaninoff „All-Night Vigil“ / Vespers, op. 37)
Singers (from the left): Adrian Nikiel, Katarzyna Bieniaszewska, Michał Raczkowski, Joanna Dacko, Irina Bogdanovich (solo), Adrianna Jarzębowska, Jakub Kozioł, Teresa Gręziak, Rafał Brzeziński.

Gemischte Chöre sind nicht unbedingt das, was ich oft höre. Und wenn, dann nur russische Männerchöre oder bulgarische Frauenchöre. Ich habe in den letzten Tagen meine Meinung ein wenig geändert, durch Zufall. Ich mochte auch als fanatischer Atheist orthodoxe Kirchenmusik, vor allem wegen der Bässe, weil ich selbst als Jüngling im Kirchenchor 2. Bass gesungen habe, also den ganz tiefen. Instrumente sind in der Orthodoxie verboten; deswegen hat sich die einzigartige A capella-Chor-Kultur im Osten gebildet.

Rachmaninow also, die Nachtwache. Ich habe das Stück jetzt bestimmt fünfzig Mal gehört und entdecke immer wieder neue Nuancen. Der Chor ist achtstimmig und besteht nur aus der Solosängerin und eben acht anderen. Das musikinteressierte Publikum mag gern herumsurfen und alle anderen Versionen dieses Stücks anhören. Die fünf Sängerinnen und vier Sänger hören sich an wie neunzig – und schöner. Ich habe sogar ziemlich schnell eine Version gekauft, vom Kammerchor des sowjetischen Kulturministeriums, auch die sind nicht besser.

Woran liegt das? Interessant, dass alle anderen Chöre auf die Noten schauen müssen, diese nicht. Irina Bogdanovich hat die beste Alt-Stimme, die ich jemals gehört habe. Sie scheint ein künstlerisches Allround-Talent zu sein, sie dirigiert auch und leitete offenbar mehrere Chöre. Der Tenor Jakub Kozioł und die vier Frauenstimmen klingen so, wie sich Kinder Engel vorstellen. Und dann der Kerl ganz rechts (Rafał Brzeziński) mit seinem basso profundo – einfach Wahnsinn. (4.36 – Irina wirft ihm einen sehr schönen Blick zu). Ich bin auch immer wieder fasziniert, wie die Bogdanovich mit äußerst sparsamen Bewegungen „dirigiert“, man muss schon sehr genau hinsehen, um mitzukriegen, wie sie die Einsätze gibt (3.10 etwa). Die Gruppe ist sowieso absolut professionell, die wissen natürlich, wo und wann jede einzelne Note kommen muss.

Jemand kommentierte bei Youtube: „That was one of the most beautiful compositions that I’ve ever heard.“ Da kann ich nur zustimmen. Wenn ich jemals sterben sollte, muss dieses Stück gespielt werden – leider kann ich es nicht herunterladen.