Fremd

Trajanssäule
Relief (Detail) der Trajanssäule – Objektdatenbank und kulturelle Archive des Archäologischen Instituts der Universität zu Köln und des Deutschen Archäologischen Instituts

Was ist „fremd“?

Die erste und wohl unmittelbarste Reaktion auf Neues und als fremd Erkanntes stellt eine Form von Beunruhigung dar, die auf der individualpsychologischen Ebene meist als Angst beschrieben werden kann. Auf kultureller Ebene erwächst Beunruhigung aus dem Bewußtsein, dass dasFremde die Normalität und damit die Identität besonders der eigenen Gruppe in Frage stellt und somit die Stabilität der gesamten Gesellschaft gefährdet. Auf der anderen Seite kann gerade das radikal Andere, das absolut Fremde, eine nicht geringe Attraktion besitzen. Faszination und Schrecken liegen in Situationen der Fremdheitserfahrung eng beieinander, allerdings nur solange, wie radikale Verschiedenheit keine Bedrohung für die eigenen gesellschaftlichen Werte und das soziale Gefüge darstellt. Meist wird nämlich das Fremde durch seine Unbekanntheit von vornherein als unbegreiflich wahrgenommen, was ihm eine Aura des Unheimlichen verleiht. Das Fremde vermag ebenso abzuschrecken wie auch zu verlocken, und zwar besonders in dem Sinne, dass man sich dieses Fremde einverleiben möchte. Die durch das Fremde in Frage gestellte eigeneOrdnung soll so vor dem sonst möglicherweise zersetzenden Einfluß eben dieses Fremden geschützt werden. (…)

Im Grunde ist also die Benennung von etwas Anderem als fremd nur dann möglich, wenn es eine (wenn auch nur geglaubte) Identität gibt, von der sich dieses Fremde unterscheidet. Fremdheit kann sich damit nur über Identität konstitutieren und geht aus einer gleichzeitigen Ein- und Ausgrenzung hervor. Tatsächlich handelt es sich bei der Distinktion um ein Grundmuster der individuellen wie auch der kollektiven Identitätsbildung.

Aus Christian Heitz: Die Guten, die Bösen und die Hässlichen – Nördliche ‚Barbaren‘ in der römischen Bildkunst. Hamburg 2009 (Online auf Academia.edu)